Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite
und seine Stelle
§. 148.

Also waren nun die Herren Leipziger endlich
ihres Predigers zum Theil verlustig, zum Theil
los worden: des Predigers, aus dem sie anfangs
einen Abgott gemacht, den sie anfangs bis in
den Himmel erhoben, zu dem sie mit hauffen ge-
lauffen, an dem sie sich nicht satt hören können,
dessen Anfang und allgemeine Approbation sie
vor miraculös gehalten, und dessen sie endlich
nach 9. Jahren, nemlich von Anno 1721. an
mit mähligem überdrüßig zu werden angefangen.
Denn da hernachmahls ein anderer nach Leipzig
kam, der mich an Beredtsamkeit, und an Gaben
zu predigen bey weiten übertraff, so hätten
meine, insonderheit meine vornehme Zuhörer,
die Ursache des Abfalls, und des abnehmenden
Applausus freylich nicht bey mir, sondern in
dem überwiegenden Maße der Gaben desjenigen
suchen müssen, der nach Leipzig gekommen, und
der noch dazu eine so hohe Stelle im Ministerio
bekleidete. Jch besuchte zur selben Zeit einen
vornehmen Gönner, welcher mir nicht genug zu
rühmen wuste, was der neue Prediger vor Ga-
ben zu predigen hätte: wie er bey iedem Verse
des Evangelii die schönsten Meditationes ein-
streuete: wie er alles mit schönen Gleichnissen
und Exempeln ausschmückte, ja wie kein Para-
graphus
wäre, den er nicht entweder mit einem

herr-
und ſeine Stelle
§. 148.

Alſo waren nun die Herren Leipziger endlich
ihres Predigers zum Theil verluſtig, zum Theil
los worden: des Predigers, aus dem ſie anfangs
einen Abgott gemacht, den ſie anfangs bis in
den Himmel erhoben, zu dem ſie mit hauffen ge-
lauffen, an dem ſie ſich nicht ſatt hoͤren koͤnnen,
deſſen Anfang und allgemeine Approbation ſie
vor miraculös gehalten, und deſſen ſie endlich
nach 9. Jahren, nemlich von Anno 1721. an
mit maͤhligem uͤberdruͤßig zu werden angefangen.
Denn da hernachmahls ein anderer nach Leipzig
kam, der mich an Beredtſamkeit, und an Gaben
zu predigen bey weiten uͤbertraff, ſo haͤtten
meine, inſonderheit meine vornehme Zuhoͤrer,
die Urſache des Abfalls, und des abnehmenden
Applauſus freylich nicht bey mir, ſondern in
dem uͤberwiegenden Maße der Gaben desjenigen
ſuchen muͤſſen, der nach Leipzig gekommen, und
der noch dazu eine ſo hohe Stelle im Miniſterio
bekleidete. Jch beſuchte zur ſelben Zeit einen
vornehmen Goͤnner, welcher mir nicht genug zu
ruͤhmen wuſte, was der neue Prediger vor Ga-
ben zu predigen haͤtte: wie er bey iedem Verſe
des Evangelii die ſchoͤnſten Meditationes ein-
ſtreuete: wie er alles mit ſchoͤnen Gleichniſſen
und Exempeln ausſchmuͤckte, ja wie kein Para-
graphus
waͤre, den er nicht entweder mit einem

herr-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0738" n="692"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">und &#x017F;eine Stelle</hi> </fw><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 148.</head><lb/>
        <p>Al&#x017F;o waren nun die Herren Leipziger endlich<lb/>
ihres Predigers zum Theil verlu&#x017F;tig, zum Theil<lb/>
los worden: des Predigers, aus dem &#x017F;ie anfangs<lb/>
einen Abgott gemacht, den &#x017F;ie anfangs bis in<lb/>
den Himmel erhoben, zu dem &#x017F;ie mit hauffen ge-<lb/>
lauffen, an dem &#x017F;ie &#x017F;ich nicht &#x017F;att ho&#x0364;ren ko&#x0364;nnen,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Anfang und allgemeine <hi rendition="#aq">Approbation</hi> &#x017F;ie<lb/>
vor <hi rendition="#aq">miraculös</hi> gehalten, und de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie endlich<lb/>
nach 9. Jahren, nemlich von <hi rendition="#aq">Anno</hi> 1721. an<lb/>
mit ma&#x0364;hligem u&#x0364;berdru&#x0364;ßig zu werden angefangen.<lb/>
Denn da hernachmahls ein anderer nach Leipzig<lb/>
kam, der mich an Beredt&#x017F;amkeit, und an Gaben<lb/>
zu predigen bey weiten u&#x0364;bertraff, &#x017F;o ha&#x0364;tten<lb/>
meine, in&#x017F;onderheit meine vornehme Zuho&#x0364;rer,<lb/>
die Ur&#x017F;ache des Abfalls, und des abnehmenden<lb/><hi rendition="#aq">Applau&#x017F;us</hi> freylich nicht bey mir, &#x017F;ondern in<lb/>
dem u&#x0364;berwiegenden Maße der Gaben desjenigen<lb/>
&#x017F;uchen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, der nach Leipzig gekommen, und<lb/>
der noch dazu eine &#x017F;o hohe Stelle im <hi rendition="#aq">Mini&#x017F;terio</hi><lb/>
bekleidete. Jch be&#x017F;uchte zur &#x017F;elben Zeit einen<lb/>
vornehmen Go&#x0364;nner, welcher mir nicht genug zu<lb/>
ru&#x0364;hmen wu&#x017F;te, was der neue Prediger vor Ga-<lb/>
ben zu predigen ha&#x0364;tte: wie er bey iedem Ver&#x017F;e<lb/>
des Evangelii die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten <hi rendition="#aq">Meditationes</hi> ein-<lb/>
&#x017F;treuete: wie er alles mit &#x017F;cho&#x0364;nen Gleichni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und Exempeln aus&#x017F;chmu&#x0364;ckte, ja wie kein <hi rendition="#aq">Para-<lb/>
graphus</hi> wa&#x0364;re, den er nicht entweder mit einem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">herr-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[692/0738] und ſeine Stelle §. 148. Alſo waren nun die Herren Leipziger endlich ihres Predigers zum Theil verluſtig, zum Theil los worden: des Predigers, aus dem ſie anfangs einen Abgott gemacht, den ſie anfangs bis in den Himmel erhoben, zu dem ſie mit hauffen ge- lauffen, an dem ſie ſich nicht ſatt hoͤren koͤnnen, deſſen Anfang und allgemeine Approbation ſie vor miraculös gehalten, und deſſen ſie endlich nach 9. Jahren, nemlich von Anno 1721. an mit maͤhligem uͤberdruͤßig zu werden angefangen. Denn da hernachmahls ein anderer nach Leipzig kam, der mich an Beredtſamkeit, und an Gaben zu predigen bey weiten uͤbertraff, ſo haͤtten meine, inſonderheit meine vornehme Zuhoͤrer, die Urſache des Abfalls, und des abnehmenden Applauſus freylich nicht bey mir, ſondern in dem uͤberwiegenden Maße der Gaben desjenigen ſuchen muͤſſen, der nach Leipzig gekommen, und der noch dazu eine ſo hohe Stelle im Miniſterio bekleidete. Jch beſuchte zur ſelben Zeit einen vornehmen Goͤnner, welcher mir nicht genug zu ruͤhmen wuſte, was der neue Prediger vor Ga- ben zu predigen haͤtte: wie er bey iedem Verſe des Evangelii die ſchoͤnſten Meditationes ein- ſtreuete: wie er alles mit ſchoͤnen Gleichniſſen und Exempeln ausſchmuͤckte, ja wie kein Para- graphus waͤre, den er nicht entweder mit einem herr-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/738
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 692. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/738>, abgerufen am 23.11.2024.