Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite
von allem Kummer erlöset.

Mittwoch nach dem III. Advent war der
Tag, da in meinem Gemüthe und Hertzen etwas
vorgieng, welches ich schier nicht anders, als eine
ausdrückliche Versicherung von GOtt ansehen
kunte, daß meine zwantzig-wöchentliche Noth
und Anfechtung nunmehro zu Ende wären.
Des Abends um 6. Uhr betete ich, und hatte
meine Betrachtungen nach Gewohnheit; und
obgleich vom 12. Julii an bisher mein Hertze so
harte, wie ein Stein, und so trocken, wie ein
Stücke dürre Holtz gewesen, und nicht die ge-
ringste Weichhertzigkeit bey mir empfunden hatte;
so weiß ich nicht, wie es ietzo zugieng, daß sich
alles auf einmahl änderte, und ob ich mir selber,
oder ob mir GOtt solchen ausnehmenden Muth
machte. Jch fieng vor gutem Muthe an zu
jauchzen, daß meine Noth ein Ende hätte, und
gieng getrost, und mit aller guten Hoffnung des
Abends um 7. Uhr einem hohen Minister aufzu-
warten, der meine Freude noch vermehrte, indem
er mich versicherte, daß nun alles aus wäre, und
ich weiter nichts zu besorgen hätte, und solte ich
nur eine Supplique aufsetzen, und selbe ihm zu-
schicken, so solte meine Suspension aufgehoben,
und mir Collegia wieder zu lesen die Freyheit ge-
geben werden. Und ich wünschte, daß ich sol-
ches gethan, und mich nicht die Meynung ein-
nehmen laßen, als wenn es mit dieser Sache

keine
von allem Kummer erloͤſet.

Mittwoch nach dem III. Advent war der
Tag, da in meinem Gemuͤthe und Hertzen etwas
vorgieng, welches ich ſchier nicht anders, als eine
ausdruͤckliche Verſicherung von GOtt anſehen
kunte, daß meine zwantzig-woͤchentliche Noth
und Anfechtung nunmehro zu Ende waͤren.
Des Abends um 6. Uhr betete ich, und hatte
meine Betrachtungen nach Gewohnheit; und
obgleich vom 12. Julii an bisher mein Hertze ſo
harte, wie ein Stein, und ſo trocken, wie ein
Stuͤcke duͤrre Holtz geweſen, und nicht die ge-
ringſte Weichhertzigkeit bey mir empfunden hatte;
ſo weiß ich nicht, wie es ietzo zugieng, daß ſich
alles auf einmahl aͤnderte, und ob ich mir ſelber,
oder ob mir GOtt ſolchen ausnehmenden Muth
machte. Jch fieng vor gutem Muthe an zu
jauchzen, daß meine Noth ein Ende haͤtte, und
gieng getroſt, und mit aller guten Hoffnung des
Abends um 7. Uhr einem hohen Miniſter aufzu-
warten, der meine Freude noch vermehrte, indem
er mich verſicherte, daß nun alles aus waͤre, und
ich weiter nichts zu beſorgen haͤtte, und ſolte ich
nur eine Supplique aufſetzen, und ſelbe ihm zu-
ſchicken, ſo ſolte meine Suſpenſion aufgehoben,
und mir Collegia wieder zu leſen die Freyheit ge-
geben werden. Und ich wuͤnſchte, daß ich ſol-
ches gethan, und mich nicht die Meynung ein-
nehmen laßen, als wenn es mit dieſer Sache

keine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0736" n="690"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">von allem Kummer erlo&#x0364;&#x017F;et.</hi> </fw><lb/>
        <p>Mittwoch nach dem <hi rendition="#aq">III. Advent</hi> war der<lb/>
Tag, da in meinem Gemu&#x0364;the und Hertzen etwas<lb/>
vorgieng, welches ich &#x017F;chier nicht anders, als eine<lb/>
ausdru&#x0364;ckliche Ver&#x017F;icherung von GOtt an&#x017F;ehen<lb/>
kunte, daß meine zwantzig-wo&#x0364;chentliche Noth<lb/>
und Anfechtung nunmehro zu Ende wa&#x0364;ren.<lb/>
Des Abends um 6. Uhr betete ich, und hatte<lb/>
meine Betrachtungen nach Gewohnheit; und<lb/>
obgleich vom 12. <hi rendition="#aq">Julii</hi> an bisher mein Hertze &#x017F;o<lb/>
harte, wie ein Stein, und &#x017F;o trocken, wie ein<lb/>
Stu&#x0364;cke du&#x0364;rre Holtz gewe&#x017F;en, und nicht die ge-<lb/>
ring&#x017F;te Weichhertzigkeit bey mir empfunden hatte;<lb/>
&#x017F;o weiß ich nicht, wie es ietzo zugieng, daß &#x017F;ich<lb/>
alles auf einmahl a&#x0364;nderte, und ob ich mir &#x017F;elber,<lb/>
oder ob mir GOtt &#x017F;olchen ausnehmenden Muth<lb/>
machte. Jch fieng vor gutem Muthe an zu<lb/>
jauchzen, daß meine Noth ein Ende ha&#x0364;tte, und<lb/>
gieng getro&#x017F;t, und mit aller guten Hoffnung des<lb/>
Abends um 7. Uhr einem hohen <hi rendition="#aq">Mini&#x017F;ter</hi> aufzu-<lb/>
warten, der meine Freude noch vermehrte, indem<lb/>
er mich ver&#x017F;icherte, daß nun alles aus wa&#x0364;re, und<lb/>
ich weiter nichts zu be&#x017F;orgen ha&#x0364;tte, und &#x017F;olte ich<lb/>
nur eine <hi rendition="#aq">Supplique</hi> auf&#x017F;etzen, und &#x017F;elbe ihm zu-<lb/>
&#x017F;chicken, &#x017F;o &#x017F;olte meine <hi rendition="#aq">Su&#x017F;pen&#x017F;ion</hi> aufgehoben,<lb/>
und mir <hi rendition="#aq">Collegia</hi> wieder zu le&#x017F;en die Freyheit ge-<lb/>
geben werden. Und ich wu&#x0364;n&#x017F;chte, daß ich &#x017F;ol-<lb/>
ches gethan, und mich nicht die Meynung ein-<lb/>
nehmen laßen, als wenn es mit die&#x017F;er Sache<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">keine</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[690/0736] von allem Kummer erloͤſet. Mittwoch nach dem III. Advent war der Tag, da in meinem Gemuͤthe und Hertzen etwas vorgieng, welches ich ſchier nicht anders, als eine ausdruͤckliche Verſicherung von GOtt anſehen kunte, daß meine zwantzig-woͤchentliche Noth und Anfechtung nunmehro zu Ende waͤren. Des Abends um 6. Uhr betete ich, und hatte meine Betrachtungen nach Gewohnheit; und obgleich vom 12. Julii an bisher mein Hertze ſo harte, wie ein Stein, und ſo trocken, wie ein Stuͤcke duͤrre Holtz geweſen, und nicht die ge- ringſte Weichhertzigkeit bey mir empfunden hatte; ſo weiß ich nicht, wie es ietzo zugieng, daß ſich alles auf einmahl aͤnderte, und ob ich mir ſelber, oder ob mir GOtt ſolchen ausnehmenden Muth machte. Jch fieng vor gutem Muthe an zu jauchzen, daß meine Noth ein Ende haͤtte, und gieng getroſt, und mit aller guten Hoffnung des Abends um 7. Uhr einem hohen Miniſter aufzu- warten, der meine Freude noch vermehrte, indem er mich verſicherte, daß nun alles aus waͤre, und ich weiter nichts zu beſorgen haͤtte, und ſolte ich nur eine Supplique aufſetzen, und ſelbe ihm zu- ſchicken, ſo ſolte meine Suſpenſion aufgehoben, und mir Collegia wieder zu leſen die Freyheit ge- geben werden. Und ich wuͤnſchte, daß ich ſol- ches gethan, und mich nicht die Meynung ein- nehmen laßen, als wenn es mit dieſer Sache keine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/736
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 690. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/736>, abgerufen am 25.11.2024.