Amt aufgeben wolte. Wenn ich vielleicht noch des Sinnes, so könte ich es ietzt mit mehrerm Vortheil thun, weil man mir wohl etwas mehr, als so was weniges bestimmen dürffte: es wäre noch ungewiß, wie meine Sachen lauffen kön- ten, und was etwan vor ein Urtheil und Re- script vom Hofe anlangen möchte: ich solte es überlegen, und ihm den folgenden Tag frühe wieder Antwort sagen lassen. Man kan leicht erachten, in was vor unaussprechliche Freude und Frohlocken ich über solches Antragen gesetzet worden, zu einer Zeit, da ich vor Gemüths- Kummer mehr halb todt, als noch lebendig war. Jch überlegte, was zu thun. Ehe ich schlafen gieng, muste ich zur Resolution schreiten, sonst hätte mir der Pro- und Contra-Streit im Ge- müthe in derselben Nacht vollends den Rest ge- geben, und kein Auge zuthun lassen, da ich ohnedem durch schlaflose Nächte gantz erschöpfft war. Jch resolvirte demnach, die Offerte an- zunehmen, und brachte noch denselben Abend die Resignation zu Papier und ins reine, und schickte sie des Morgens um 9. Uhr auf das Rathhaus.
Der schreckliche Aufstand, der dadurch wider mich von den Leuten erreget wurde, alß sie davon Nachricht bekamen, war eine neue Plage vor mich. Sie wolten mich zu tode quälen wegen dessen, was ich gethan: sie redeten mir
ins
durch die vorgeſchlagene,
Amt aufgeben wolte. Wenn ich vielleicht noch des Sinnes, ſo koͤnte ich es ietzt mit mehrerm Vortheil thun, weil man mir wohl etwas mehr, als ſo was weniges beſtimmen duͤrffte: es waͤre noch ungewiß, wie meine Sachen lauffen koͤn- ten, und was etwan vor ein Urtheil und Re- ſcript vom Hofe anlangen moͤchte: ich ſolte es uͤberlegen, und ihm den folgenden Tag fruͤhe wieder Antwort ſagen laſſen. Man kan leicht erachten, in was vor unausſprechliche Freude und Frohlocken ich uͤber ſolches Antragen geſetzet worden, zu einer Zeit, da ich vor Gemuͤths- Kummer mehr halb todt, als noch lebendig war. Jch uͤberlegte, was zu thun. Ehe ich ſchlafen gieng, muſte ich zur Reſolution ſchreiten, ſonſt haͤtte mir der Pro- und Contra-Streit im Ge- muͤthe in derſelben Nacht vollends den Reſt ge- geben, und kein Auge zuthun laſſen, da ich ohnedem durch ſchlafloſe Naͤchte gantz erſchoͤpfft war. Jch reſolvirte demnach, die Offerte an- zunehmen, und brachte noch denſelben Abend die Reſignation zu Papier und ins reine, und ſchickte ſie des Morgens um 9. Uhr auf das Rathhaus.
Der ſchreckliche Aufſtand, der dadurch wider mich von den Leuten erreget wurde, alß ſie davon Nachricht bekamen, war eine neue Plage vor mich. Sie wolten mich zu tode quaͤlen wegen deſſen, was ich gethan: ſie redeten mir
ins
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durch die vorgeſchlagene,
Amt aufgeben wolte. Wenn ich vielleicht noch
des Sinnes, ſo koͤnte ich es ietzt mit mehrerm
Vortheil thun, weil man mir wohl etwas mehr,
als ſo was weniges beſtimmen duͤrffte: es waͤre
noch ungewiß, wie meine Sachen lauffen koͤn-
ten, und was etwan vor ein Urtheil und Re-
ſcript vom Hofe anlangen moͤchte: ich ſolte es
uͤberlegen, und ihm den folgenden Tag fruͤhe
wieder Antwort ſagen laſſen. Man kan leicht
erachten, in was vor unausſprechliche Freude
und Frohlocken ich uͤber ſolches Antragen geſetzet
worden, zu einer Zeit, da ich vor Gemuͤths-
Kummer mehr halb todt, als noch lebendig war.
Jch uͤberlegte, was zu thun. Ehe ich ſchlafen
gieng, muſte ich zur Reſolution ſchreiten, ſonſt
haͤtte mir der Pro- und Contra-Streit im Ge-
muͤthe in derſelben Nacht vollends den Reſt ge-
geben, und kein Auge zuthun laſſen, da ich
ohnedem durch ſchlafloſe Naͤchte gantz erſchoͤpfft
war. Jch reſolvirte demnach, die Offerte an-
zunehmen, und brachte noch denſelben Abend die
Reſignation zu Papier und ins reine, und ſchickte
ſie des Morgens um 9. Uhr auf das Rathhaus.
Der ſchreckliche Aufſtand, der dadurch wider
mich von den Leuten erreget wurde, alß ſie
davon Nachricht bekamen, war eine neue Plage
vor mich. Sie wolten mich zu tode quaͤlen
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 687. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/733>, abgerufen am 26.11.2024.
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