doch iemanden aus meiner Freundschafft heraus- schicken, daß ich in der Fremde nicht gantz einsam wäre. Was geschicht? Es kommt ein weit- läufftiger Anverwandter von Breßlau hieher nach Leipzig. Jch bin froh, wie ich höre, daß er Willens ist sich hier zu setzen, und Bürger zu werden, oder ein Guth auf dem Lande zu pach- ten, oder zu kauffen, und dabey bürgerliche Nah- rung zu treiben. Jch bin ihm dazu behülfflich, strecke ihm auch etwas Geld vor, daß er ein Bauer-Güthgen, weil er auf dem Lande war erzogen worden, und das Acker-Wesen wohl ver- stund, an sich kauffen kunte. Jch hatte eine rechte Freude, daß ich nun nicht immer bald auf dieses, bald auf jenes Dorff Gesundheits halber spatzieren gehen, oder fahren durffte, sondern nur bey einem Ort allein es bewenden laßen könte; gleich den andern Predigern, die ihre Gärten, oder Güther haben, und auf dieselben zu gehen und zu fahren pflegen. Und siehe, auch dieser mein Spatzier-Gang war mit schrecklichem Arg- wohn beleget worden. Der selige Herr Stiffts- Rath, da ich über meine Leibes-Schwachheit klagte, und ihm zu Hause vor der Verhörung aufwartete, höhnte mich damit recht, vorgebende, wenn ich da und dort hingehen solte, fehlte mir es an Leibes-Kräfften nicht, und setzte noch recht ängstlich hinzu: Ach man höret Dinge, daß
einem
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wegen allerhand Dinge,
doch iemanden aus meiner Freundſchafft heraus- ſchicken, daß ich in der Fremde nicht gantz einſam waͤre. Was geſchicht? Es kommt ein weit- laͤufftiger Anverwandter von Breßlau hieher nach Leipzig. Jch bin froh, wie ich hoͤre, daß er Willens iſt ſich hier zu ſetzen, und Buͤrger zu werden, oder ein Guth auf dem Lande zu pach- ten, oder zu kauffen, und dabey buͤrgerliche Nah- rung zu treiben. Jch bin ihm dazu behuͤlfflich, ſtrecke ihm auch etwas Geld vor, daß er ein Bauer-Guͤthgen, weil er auf dem Lande war erzogen worden, und das Acker-Weſen wohl ver- ſtund, an ſich kauffen kunte. Jch hatte eine rechte Freude, daß ich nun nicht immer bald auf dieſes, bald auf jenes Dorff Geſundheits halber ſpatzieren gehen, oder fahren durffte, ſondern nur bey einem Ort allein es bewenden laßen koͤnte; gleich den andern Predigern, die ihre Gaͤrten, oder Guͤther haben, und auf dieſelben zu gehen und zu fahren pflegen. Und ſiehe, auch dieſer mein Spatzier-Gang war mit ſchrecklichem Arg- wohn beleget worden. Der ſelige Herr Stiffts- Rath, da ich uͤber meine Leibes-Schwachheit klagte, und ihm zu Hauſe vor der Verhoͤrung aufwartete, hoͤhnte mich damit recht, vorgebende, wenn ich da und dort hingehen ſolte, fehlte mir es an Leibes-Kraͤfften nicht, und ſetzte noch recht aͤngſtlich hinzu: Ach man hoͤret Dinge, daß
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wegen allerhand Dinge,
doch iemanden aus meiner Freundſchafft heraus-
ſchicken, daß ich in der Fremde nicht gantz einſam
waͤre. Was geſchicht? Es kommt ein weit-
laͤufftiger Anverwandter von Breßlau hieher
nach Leipzig. Jch bin froh, wie ich hoͤre, daß er
Willens iſt ſich hier zu ſetzen, und Buͤrger zu
werden, oder ein Guth auf dem Lande zu pach-
ten, oder zu kauffen, und dabey buͤrgerliche Nah-
rung zu treiben. Jch bin ihm dazu behuͤlfflich,
ſtrecke ihm auch etwas Geld vor, daß er ein
Bauer-Guͤthgen, weil er auf dem Lande war
erzogen worden, und das Acker-Weſen wohl ver-
ſtund, an ſich kauffen kunte. Jch hatte eine
rechte Freude, daß ich nun nicht immer bald auf
dieſes, bald auf jenes Dorff Geſundheits halber
ſpatzieren gehen, oder fahren durffte, ſondern nur
bey einem Ort allein es bewenden laßen koͤnte;
gleich den andern Predigern, die ihre Gaͤrten,
oder Guͤther haben, und auf dieſelben zu gehen
und zu fahren pflegen. Und ſiehe, auch dieſer
mein Spatzier-Gang war mit ſchrecklichem Arg-
wohn beleget worden. Der ſelige Herr Stiffts-
Rath, da ich uͤber meine Leibes-Schwachheit
klagte, und ihm zu Hauſe vor der Verhoͤrung
aufwartete, hoͤhnte mich damit recht, vorgebende,
wenn ich da und dort hingehen ſolte, fehlte mir es
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 681. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/727>, abgerufen am 26.11.2024.
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