thes erschöpffet, und hätte nun ein wenig aus- ruhen, und mich wieder erholen sollen; allein da verfiel ich in eine neue Sorge und Kummer, die mir beynahe vollends den Rest gegeben hätte. Denn die, welche wider mich im Consistorio de- nunciret, hatten auch, wie mir der Herr Stiffts- Rath sagte, allerhand odieuse Dinge, so mein Leben und Aufführung anbetrafen, eingegeben: und ich weiß nicht, wer mich beredete, oder wer sich verlauten lassen, daß dieselben Puncte auch nun solten erst vorgenommen werden, und daß derselben so viel wären, daß, wenn alle genau solten erörtert werden, eine Zeit von drey Jah- ren erfordert würde, welches, wie ich erachte, er von den Lehr-Puncten, deren so eine große Menge war, wohl wird verstanden haben. Da ich nun bisher zu keiner rechten Ruhe noch Schlafe gelangen können, und nun glaubte, daß ich von neuem daran, und mich quälen, und mar- tern lassen müste; so war vollends kein Muth, Hertz und Leben mehr bey mir. Jch war mir zwar keiner solchen Sünden bewust, um welcher willen ich hätte mit Recht können vom Amte removiret werden, obwol vor GOtt nicht gantz unschuldig war; ich wuste aber doch wohl, was Inquisition vor eine Sache sey, und was vor Zeit damit zugebracht werde. Jch sahe auch diejenigen, von denen ich glaubte, daß sie mich
haßten,
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als ob noch eine andere
thes erſchoͤpffet, und haͤtte nun ein wenig aus- ruhen, und mich wieder erholen ſollen; allein da verfiel ich in eine neue Sorge und Kummer, die mir beynahe vollends den Reſt gegeben haͤtte. Denn die, welche wider mich im Conſiſtorio de- nunciret, hatten auch, wie mir der Herr Stiffts- Rath ſagte, allerhand odieuſe Dinge, ſo mein Leben und Auffuͤhrung anbetrafen, eingegeben: und ich weiß nicht, wer mich beredete, oder wer ſich verlauten laſſen, daß dieſelben Puncte auch nun ſolten erſt vorgenommen werden, und daß derſelben ſo viel waͤren, daß, wenn alle genau ſolten eroͤrtert werden, eine Zeit von drey Jah- ren erfordert wuͤrde, welches, wie ich erachte, er von den Lehr-Puncten, deren ſo eine große Menge war, wohl wird verſtanden haben. Da ich nun bisher zu keiner rechten Ruhe noch Schlafe gelangen koͤnnen, und nun glaubte, daß ich von neuem daran, und mich quaͤlen, und mar- tern laſſen muͤſte; ſo war vollends kein Muth, Hertz und Leben mehr bey mir. Jch war mir zwar keiner ſolchen Suͤnden bewuſt, um welcher willen ich haͤtte mit Recht koͤnnen vom Amte removiret werden, obwol vor GOtt nicht gantz unſchuldig war; ich wuſte aber doch wohl, was Inquiſition vor eine Sache ſey, und was vor Zeit damit zugebracht werde. Jch ſahe auch diejenigen, von denen ich glaubte, daß ſie mich
haßten,
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als ob noch eine andere
thes erſchoͤpffet, und haͤtte nun ein wenig aus-
ruhen, und mich wieder erholen ſollen; allein
da verfiel ich in eine neue Sorge und Kummer,
die mir beynahe vollends den Reſt gegeben haͤtte.
Denn die, welche wider mich im Conſiſtorio de-
nunciret, hatten auch, wie mir der Herr Stiffts-
Rath ſagte, allerhand odieuſe Dinge, ſo mein
Leben und Auffuͤhrung anbetrafen, eingegeben:
und ich weiß nicht, wer mich beredete, oder wer
ſich verlauten laſſen, daß dieſelben Puncte auch
nun ſolten erſt vorgenommen werden, und daß
derſelben ſo viel waͤren, daß, wenn alle genau
ſolten eroͤrtert werden, eine Zeit von drey Jah-
ren erfordert wuͤrde, welches, wie ich erachte, er
von den Lehr-Puncten, deren ſo eine große
Menge war, wohl wird verſtanden haben.
Da ich nun bisher zu keiner rechten Ruhe noch
Schlafe gelangen koͤnnen, und nun glaubte, daß
ich von neuem daran, und mich quaͤlen, und mar-
tern laſſen muͤſte; ſo war vollends kein Muth,
Hertz und Leben mehr bey mir. Jch war mir
zwar keiner ſolchen Suͤnden bewuſt, um welcher
willen ich haͤtte mit Recht koͤnnen vom Amte
removiret werden, obwol vor GOtt nicht gantz
unſchuldig war; ich wuſte aber doch wohl, was
Inquiſition vor eine Sache ſey, und was vor
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 679. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/725>, abgerufen am 26.11.2024.
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