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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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insonderheit derer, die zur
und Contra-Streit mich ausgemergelt, und
matt gemacht, kan ich nicht beschreiben, und muß
mich bis diese Stunde noch wundern, daß ich
bey Leben, und Verstande geblieben, und auch
von keiner Kranckheit, Durchfall, Hectica, oder
andern Zufällen überfallen worden. Und da
ich endlich schlüßig wurde, fortzugehen; wohin
wenden, und welchen Ort erlesen, und was vor
Mittel und Wege solte ich dazu ergreiffen?
Wie solte ich meine Sachen fortbringen? Solte
ich alles stehen und liegen laßen? Wie solte ich
alles so veranstalten, daß man mir es weder in
meinem Hause anmerckte, noch auch diejenigen
erführen, von denen ich in dem thörichten Wahn
stunde, daß sie einen flüchtigen Inquisiten arre-
ti
ren, oder ihm nachsetzen würden, wenn er ohne
ihr Vorbewust davon gienge? Das machte mir
offters das Haupt so wüste, daß ich kaum manch-
mahl mehr fühlte, daß ich noch einen Kopff hätte,
oder als wenn Heu, und Heckerling im Kopffe
wäre. Jch schob es immer von einer Zeit zur
andern auf. Und da es endlich mein gantzer
Ernst war, so wurde ich zwey-bis dreymahl daran
gehindert. Einmahl schien es des Morgens,
als ob es mein Gesinde merckte: das andere mahl
hatte ich zu Hause so lange früh getendelt, daß
ich die Post versäumet, auf welcher ich, wie ich
vorgab, eine kurtze Spatzierfahrt machen wolte;

wie

inſonderheit derer, die zur
und Contra-Streit mich ausgemergelt, und
matt gemacht, kan ich nicht beſchreiben, und muß
mich bis dieſe Stunde noch wundern, daß ich
bey Leben, und Verſtande geblieben, und auch
von keiner Kranckheit, Durchfall, Hectica, oder
andern Zufaͤllen uͤberfallen worden. Und da
ich endlich ſchluͤßig wurde, fortzugehen; wohin
wenden, und welchen Ort erleſen, und was vor
Mittel und Wege ſolte ich dazu ergreiffen?
Wie ſolte ich meine Sachen fortbringen? Solte
ich alles ſtehen und liegen laßen? Wie ſolte ich
alles ſo veranſtalten, daß man mir es weder in
meinem Hauſe anmerckte, noch auch diejenigen
erfuͤhren, von denen ich in dem thoͤrichten Wahn
ſtunde, daß ſie einen fluͤchtigen Inquiſiten arre-
ti
ren, oder ihm nachſetzen wuͤrden, wenn er ohne
ihr Vorbewuſt davon gienge? Das machte mir
offters das Haupt ſo wuͤſte, daß ich kaum manch-
mahl mehr fuͤhlte, daß ich noch einen Kopff haͤtte,
oder als wenn Heu, und Heckerling im Kopffe
waͤre. Jch ſchob es immer von einer Zeit zur
andern auf. Und da es endlich mein gantzer
Ernſt war, ſo wurde ich zwey-bis dreymahl daran
gehindert. Einmahl ſchien es des Morgens,
als ob es mein Geſinde merckte: das andere mahl
hatte ich zu Hauſe ſo lange fruͤh getendelt, daß
ich die Poſt verſaͤumet, auf welcher ich, wie ich
vorgab, eine kurtze Spatzierfahrt machen wolte;

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[669/0715] inſonderheit derer, die zur und Contra-Streit mich ausgemergelt, und matt gemacht, kan ich nicht beſchreiben, und muß mich bis dieſe Stunde noch wundern, daß ich bey Leben, und Verſtande geblieben, und auch von keiner Kranckheit, Durchfall, Hectica, oder andern Zufaͤllen uͤberfallen worden. Und da ich endlich ſchluͤßig wurde, fortzugehen; wohin wenden, und welchen Ort erleſen, und was vor Mittel und Wege ſolte ich dazu ergreiffen? Wie ſolte ich meine Sachen fortbringen? Solte ich alles ſtehen und liegen laßen? Wie ſolte ich alles ſo veranſtalten, daß man mir es weder in meinem Hauſe anmerckte, noch auch diejenigen erfuͤhren, von denen ich in dem thoͤrichten Wahn ſtunde, daß ſie einen fluͤchtigen Inquiſiten arre- tiren, oder ihm nachſetzen wuͤrden, wenn er ohne ihr Vorbewuſt davon gienge? Das machte mir offters das Haupt ſo wuͤſte, daß ich kaum manch- mahl mehr fuͤhlte, daß ich noch einen Kopff haͤtte, oder als wenn Heu, und Heckerling im Kopffe waͤre. Jch ſchob es immer von einer Zeit zur andern auf. Und da es endlich mein gantzer Ernſt war, ſo wurde ich zwey-bis dreymahl daran gehindert. Einmahl ſchien es des Morgens, als ob es mein Geſinde merckte: das andere mahl hatte ich zu Hauſe ſo lange fruͤh getendelt, daß ich die Poſt verſaͤumet, auf welcher ich, wie ich vorgab, eine kurtze Spatzierfahrt machen wolte; wie

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 669. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/715>, abgerufen am 27.11.2024.