Ja ich war so sehr eingenommen mit der Einbildung, als ob ich Gewissens halber solches zu thun verbunden wäre, daß ich auch die er- schrecklichen Plagen, so ich in den vorhergehenden Jahren, insonderheit 1717. ausgestanden, meinem Stillesitzen und Stilleschweigen zuschrieb, und daß ich aus Menschen-Furcht bishero solche nö- thige Wahrheiten, und Einrichtung unserer Christlichen Lehr-Puncte unterdrücket hätte. So sehr wir Menschen verbunden sind, dahin zu trachten, daß wir nicht unter die Zahl dererjeni- gen gerathen, von welchen David den Ausspruch einst that, daß sie nicht schaueten auf die Wercke des HErrn, und nicht achteten auf das Werck seiner Hände; so versehen wir es freylich sehr offt darinnen, daß wir uns im Ur- theilen übereilen, und unsere Ubel und Trübsaa- len, und was GOtt mit uns vornimmt, solchen Ursachen zuschreiben, denen wir sie nicht zuschrei- ben solten. Und vielleicht war auch wohl bey mir diß ein Fehler und übereiltes Urtheil, daß ich Anno 1726. und 1727. und kurtz zuvor, ehe ich diesen Tractat schrieb, bey meiner schier gäntzlich wieder erlangten Gesundheit, die geistliche Dürre in meiner Seele, wenn ich dieses Wort den My- sticis abborgen darff, und den Mangel der An- dacht, und der guten geistlichen Bewegungen, die mein Hertze sonst iederzeit häuffig empfunden,
welcher
veranlaßete, den er
Ja ich war ſo ſehr eingenommen mit der Einbildung, als ob ich Gewiſſens halber ſolches zu thun verbunden waͤre, daß ich auch die er- ſchrecklichen Plagen, ſo ich in den vorhergehenden Jahren, inſonderheit 1717. ausgeſtanden, meinem Stilleſitzen und Stilleſchweigen zuſchrieb, und daß ich aus Menſchen-Furcht bishero ſolche noͤ- thige Wahrheiten, und Einrichtung unſerer Chriſtlichen Lehr-Puncte unterdruͤcket haͤtte. So ſehr wir Menſchen verbunden ſind, dahin zu trachten, daß wir nicht unter die Zahl dererjeni- gen gerathen, von welchen David den Ausſpruch einſt that, daß ſie nicht ſchaueten auf die Wercke des HErrn, und nicht achteten auf das Werck ſeiner Haͤnde; ſo verſehen wir es freylich ſehr offt darinnen, daß wir uns im Ur- theilen uͤbereilen, und unſere Ubel und Truͤbſaa- len, und was GOtt mit uns vornimmt, ſolchen Urſachen zuſchreiben, denen wir ſie nicht zuſchrei- ben ſolten. Und vielleicht war auch wohl bey mir diß ein Fehler und uͤbereiltes Urtheil, daß ich Anno 1726. und 1727. und kurtz zuvor, ehe ich dieſen Tractat ſchrieb, bey meiner ſchier gaͤntzlich wieder erlangten Geſundheit, die geiſtliche Duͤrre in meiner Seele, wenn ich dieſes Wort den My- ſticis abborgen darff, und den Mangel der An- dacht, und der guten geiſtlichen Bewegungen, die mein Hertze ſonſt iederzeit haͤuffig empfunden,
welcher
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0700"n="654"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">veranlaßete, den er</hi></fw><lb/><p>Ja ich war ſo ſehr eingenommen mit der<lb/>
Einbildung, als ob ich Gewiſſens halber ſolches<lb/>
zu thun verbunden waͤre, daß ich auch die er-<lb/>ſchrecklichen Plagen, ſo ich in den vorhergehenden<lb/>
Jahren, inſonderheit 1717. ausgeſtanden, meinem<lb/>
Stilleſitzen und Stilleſchweigen zuſchrieb, und<lb/>
daß ich aus Menſchen-Furcht bishero ſolche noͤ-<lb/>
thige Wahrheiten, und Einrichtung unſerer<lb/>
Chriſtlichen Lehr-Puncte unterdruͤcket haͤtte.<lb/>
So ſehr wir Menſchen verbunden ſind, dahin zu<lb/>
trachten, daß wir nicht unter die Zahl dererjeni-<lb/>
gen gerathen, von welchen David den Ausſpruch<lb/>
einſt that, <hirendition="#fr">daß ſie nicht ſchaueten auf die<lb/>
Wercke des HErrn, und nicht achteten auf<lb/>
das Werck ſeiner Haͤnde;</hi>ſo verſehen wir<lb/>
es freylich ſehr offt darinnen, daß wir uns im Ur-<lb/>
theilen uͤbereilen, und unſere Ubel und Truͤbſaa-<lb/>
len, und was GOtt mit uns vornimmt, ſolchen<lb/>
Urſachen zuſchreiben, denen wir ſie nicht zuſchrei-<lb/>
ben ſolten. Und vielleicht war auch wohl bey<lb/>
mir diß ein Fehler und uͤbereiltes Urtheil, daß<lb/>
ich <hirendition="#aq">Anno</hi> 1726. und 1727. und kurtz zuvor, ehe ich<lb/>
dieſen <hirendition="#aq">Tractat</hi>ſchrieb, bey meiner ſchier gaͤntzlich<lb/>
wieder erlangten Geſundheit, die geiſtliche Duͤrre<lb/>
in meiner Seele, wenn ich dieſes Wort den <hirendition="#aq">My-<lb/>ſticis</hi> abborgen darff, und den Mangel der An-<lb/>
dacht, und der guten geiſtlichen Bewegungen,<lb/>
die mein Hertze ſonſt iederzeit haͤuffig empfunden,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">welcher</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[654/0700]
veranlaßete, den er
Ja ich war ſo ſehr eingenommen mit der
Einbildung, als ob ich Gewiſſens halber ſolches
zu thun verbunden waͤre, daß ich auch die er-
ſchrecklichen Plagen, ſo ich in den vorhergehenden
Jahren, inſonderheit 1717. ausgeſtanden, meinem
Stilleſitzen und Stilleſchweigen zuſchrieb, und
daß ich aus Menſchen-Furcht bishero ſolche noͤ-
thige Wahrheiten, und Einrichtung unſerer
Chriſtlichen Lehr-Puncte unterdruͤcket haͤtte.
So ſehr wir Menſchen verbunden ſind, dahin zu
trachten, daß wir nicht unter die Zahl dererjeni-
gen gerathen, von welchen David den Ausſpruch
einſt that, daß ſie nicht ſchaueten auf die
Wercke des HErrn, und nicht achteten auf
das Werck ſeiner Haͤnde; ſo verſehen wir
es freylich ſehr offt darinnen, daß wir uns im Ur-
theilen uͤbereilen, und unſere Ubel und Truͤbſaa-
len, und was GOtt mit uns vornimmt, ſolchen
Urſachen zuſchreiben, denen wir ſie nicht zuſchrei-
ben ſolten. Und vielleicht war auch wohl bey
mir diß ein Fehler und uͤbereiltes Urtheil, daß
ich Anno 1726. und 1727. und kurtz zuvor, ehe ich
dieſen Tractat ſchrieb, bey meiner ſchier gaͤntzlich
wieder erlangten Geſundheit, die geiſtliche Duͤrre
in meiner Seele, wenn ich dieſes Wort den My-
ſticis abborgen darff, und den Mangel der An-
dacht, und der guten geiſtlichen Bewegungen,
die mein Hertze ſonſt iederzeit haͤuffig empfunden,
welcher
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/700>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.