Bey solchen großen Ubeln, insonderheit bey dem, was ich 14. Tage vor Ostern Anno 1717. ausgestanden, war ich vielmahl besorgt wegen des zukünfftigen. Da mir GOtt nun schon das andere mahl solche überschwengliche Gnade erzeiget, und denjenigen Tod nicht über mich verhänget, den ich so sehr gefürchtet, sondern mich allemahl davor noch bewahret; so fürch- tete ich mich nun vor nichts so sehr, als daß ich nicht etwan von neuem in Sünde fallen, und GOtt zum Zorne reitzen möchte. Denn weil GOttes Gnade so gar überschwenglich groß über mich gewesen war, so dachte ich, wenn ich nun da und dort etwas von neuem versehen solte, so möchte wohl GOtt endlich des Erbarmens müde werden, und meiner natürlichen Kranckheit ih- ren Lauff laßen, so daß endlich kommen dürffte, was ich so lange befürchtet. Dannenhero bat ich GOtt zu solcher Zeit vielfältig mahl, er möchte mich doch lieber tödten, und eher aus der Welt wegnehmen, als geschehen lassen, daß ich von neuem seinem Willen zuwider lebte, und seiner Gnade mich ver- lustig machte. Jch trieb dieses so offt, und wiederholte diese Bitte so vielfältig mahl, daß mir endlich auch das Hertze darüber zu schlagen,
und
eine Zeit lang an.
Anno 1717. §. 139.
Bey ſolchen großen Ubeln, inſonderheit bey dem, was ich 14. Tage vor Oſtern Anno 1717. ausgeſtanden, war ich vielmahl beſorgt wegen des zukuͤnfftigen. Da mir GOtt nun ſchon das andere mahl ſolche uͤberſchwengliche Gnade erzeiget, und denjenigen Tod nicht uͤber mich verhaͤnget, den ich ſo ſehr gefuͤrchtet, ſondern mich allemahl davor noch bewahret; ſo fuͤrch- tete ich mich nun vor nichts ſo ſehr, als daß ich nicht etwan von neuem in Suͤnde fallen, und GOtt zum Zorne reitzen moͤchte. Denn weil GOttes Gnade ſo gar uͤberſchwenglich groß uͤber mich geweſen war, ſo dachte ich, wenn ich nun da und dort etwas von neuem verſehen ſolte, ſo moͤchte wohl GOtt endlich des Erbarmens muͤde werden, und meiner natuͤrlichen Kranckheit ih- ren Lauff laßen, ſo daß endlich kommen duͤrffte, was ich ſo lange befuͤrchtet. Dannenhero bat ich GOtt zu ſolcher Zeit vielfaͤltig mahl, er moͤchte mich doch lieber toͤdten, und eher aus der Welt wegnehmen, als geſchehen laſſen, daß ich von neuem ſeinem Willen zuwider lebte, und ſeiner Gnade mich ver- luſtig machte. Jch trieb dieſes ſo offt, und wiederholte dieſe Bitte ſo vielfaͤltig mahl, daß mir endlich auch das Hertze daruͤber zu ſchlagen,
und
<TEI><text><body><pbfacs="#f0692"n="646"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">eine Zeit lang an.</hi></fw><lb/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g"><hirendition="#aq">Anno</hi> 1717.</hi></hi><lb/>
§. 139.</head><lb/><p>Bey ſolchen großen Ubeln, inſonderheit bey<lb/>
dem, was ich 14. Tage vor Oſtern <hirendition="#aq">Anno</hi> 1717.<lb/>
ausgeſtanden, war ich vielmahl beſorgt wegen<lb/>
des zukuͤnfftigen. Da mir GOtt nun ſchon<lb/>
das andere mahl ſolche uͤberſchwengliche Gnade<lb/>
erzeiget, und denjenigen Tod nicht uͤber mich<lb/>
verhaͤnget, den ich ſo ſehr gefuͤrchtet, ſondern<lb/>
mich allemahl davor noch bewahret; ſo fuͤrch-<lb/>
tete ich mich nun vor nichts ſo ſehr, als daß ich<lb/>
nicht etwan von neuem in Suͤnde fallen, und<lb/>
GOtt zum Zorne reitzen moͤchte. Denn weil<lb/>
GOttes Gnade ſo gar uͤberſchwenglich groß uͤber<lb/>
mich geweſen war, ſo dachte ich, wenn ich nun<lb/>
da und dort etwas von neuem verſehen ſolte, ſo<lb/>
moͤchte wohl GOtt endlich des Erbarmens muͤde<lb/>
werden, und meiner natuͤrlichen Kranckheit ih-<lb/>
ren Lauff laßen, ſo daß endlich kommen duͤrffte,<lb/>
was ich ſo lange befuͤrchtet. Dannenhero bat<lb/>
ich GOtt zu ſolcher Zeit vielfaͤltig mahl, <hirendition="#fr">er<lb/>
moͤchte mich doch lieber toͤdten, und eher<lb/>
aus der Welt wegnehmen, als geſchehen<lb/>
laſſen, daß ich von neuem ſeinem Willen<lb/>
zuwider lebte, und ſeiner Gnade mich ver-<lb/>
luſtig machte.</hi> Jch trieb dieſes ſo offt, und<lb/>
wiederholte dieſe Bitte ſo vielfaͤltig mahl, daß<lb/>
mir endlich auch das Hertze daruͤber zu ſchlagen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[646/0692]
eine Zeit lang an.
Anno 1717.
§. 139.
Bey ſolchen großen Ubeln, inſonderheit bey
dem, was ich 14. Tage vor Oſtern Anno 1717.
ausgeſtanden, war ich vielmahl beſorgt wegen
des zukuͤnfftigen. Da mir GOtt nun ſchon
das andere mahl ſolche uͤberſchwengliche Gnade
erzeiget, und denjenigen Tod nicht uͤber mich
verhaͤnget, den ich ſo ſehr gefuͤrchtet, ſondern
mich allemahl davor noch bewahret; ſo fuͤrch-
tete ich mich nun vor nichts ſo ſehr, als daß ich
nicht etwan von neuem in Suͤnde fallen, und
GOtt zum Zorne reitzen moͤchte. Denn weil
GOttes Gnade ſo gar uͤberſchwenglich groß uͤber
mich geweſen war, ſo dachte ich, wenn ich nun
da und dort etwas von neuem verſehen ſolte, ſo
moͤchte wohl GOtt endlich des Erbarmens muͤde
werden, und meiner natuͤrlichen Kranckheit ih-
ren Lauff laßen, ſo daß endlich kommen duͤrffte,
was ich ſo lange befuͤrchtet. Dannenhero bat
ich GOtt zu ſolcher Zeit vielfaͤltig mahl, er
moͤchte mich doch lieber toͤdten, und eher
aus der Welt wegnehmen, als geſchehen
laſſen, daß ich von neuem ſeinem Willen
zuwider lebte, und ſeiner Gnade mich ver-
luſtig machte. Jch trieb dieſes ſo offt, und
wiederholte dieſe Bitte ſo vielfaͤltig mahl, daß
mir endlich auch das Hertze daruͤber zu ſchlagen,
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/692>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.