Eben dergleichen, und zwar noch in einem höhern Maaße ist mir im 19. Jahre meines Al- ters mit den Worten begegnet, so aus dem be- kannten Sterbe-Liede, Jch habe meine Sache GOtt heimgestellt, genommen: Meinen lie- ben GOTT von Angesicht, werde ich an- schauen, dran zweiffle ich nicht; dessen ich besser unten mit mehrerm gedencken will. Ob ich schon dazumal, was das erstere Lied anbetrifft, nur im 6sten Jahre meines Alters ohngefehr war; so waren mir nicht nur aus diesem langen Liede schon einige Verse bekannt, sondern ich konte auch schon als ein Knabe gantze geistliche Lieder aus- wendig. Denn das muß ich meinen Eltern zum Ruhme nachsagen, daß sie GOttes Wort reich- lich unter uns wohnen ließen, und mit täglichem beten und singen unser Haus einer Kirchen ähn- lich machten. Wir sungen des Morgens, ehe wir in die Arbeit giengen, des Mittags nach Ti- sche, insonderheit des Sonntags, des Abends, ehe wir zu Bette giengen; am allermeisten des Win- ters, wenn die Abende lang sind. Jch muste auch des Abends, so bald ich fertig lesen kunte, meinen Eltern und Geschwistern aus der Bibel, oder aus einem andern geistlichen Buche, v. g. aus einem Martyr-Buche, oder auch wol aus einem historischen Buche etwas vorlesen. Hatte ich in die Schule etwas auswendig zu lernen,
oder
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in einer aͤngſtlichen Nacht
Eben dergleichen, und zwar noch in einem hoͤhern Maaße iſt mir im 19. Jahre meines Al- ters mit den Worten begegnet, ſo aus dem be- kannten Sterbe-Liede, Jch habe meine Sache GOtt heimgeſtellt, genommen: Meinen lie- ben GOTT von Angeſicht, werde ich an- ſchauen, dran zweiffle ich nicht; deſſen ich beſſer unten mit mehrerm gedencken will. Ob ich ſchon dazumal, was das erſtere Lied anbetrifft, nur im 6ſten Jahre meines Alters ohngefehr war; ſo waren mir nicht nur aus dieſem langen Liede ſchon einige Verſe bekannt, ſondern ich konte auch ſchon als ein Knabe gantze geiſtliche Lieder aus- wendig. Denn das muß ich meinen Eltern zum Ruhme nachſagen, daß ſie GOttes Wort reich- lich unter uns wohnen ließen, und mit taͤglichem beten und ſingen unſer Haus einer Kirchen aͤhn- lich machten. Wir ſungen des Morgens, ehe wir in die Arbeit giengen, des Mittags nach Ti- ſche, inſonderheit des Sonntags, des Abends, ehe wir zu Bette giengen; am allermeiſten des Win- ters, wenn die Abende lang ſind. Jch muſte auch des Abends, ſo bald ich fertig leſen kunte, meinen Eltern und Geſchwiſtern aus der Bibel, oder aus einem andern geiſtlichen Buche, v. g. aus einem Martyr-Buche, oder auch wol aus einem hiſtoriſchen Buche etwas vorleſen. Hatte ich in die Schule etwas auswendig zu lernen,
oder
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[21/0067]
in einer aͤngſtlichen Nacht
Eben dergleichen, und zwar noch in einem
hoͤhern Maaße iſt mir im 19. Jahre meines Al-
ters mit den Worten begegnet, ſo aus dem be-
kannten Sterbe-Liede, Jch habe meine Sache
GOtt heimgeſtellt, genommen: Meinen lie-
ben GOTT von Angeſicht, werde ich an-
ſchauen, dran zweiffle ich nicht; deſſen ich
beſſer unten mit mehrerm gedencken will. Ob
ich ſchon dazumal, was das erſtere Lied anbetrifft,
nur im 6ſten Jahre meines Alters ohngefehr war;
ſo waren mir nicht nur aus dieſem langen Liede
ſchon einige Verſe bekannt, ſondern ich konte auch
ſchon als ein Knabe gantze geiſtliche Lieder aus-
wendig. Denn das muß ich meinen Eltern zum
Ruhme nachſagen, daß ſie GOttes Wort reich-
lich unter uns wohnen ließen, und mit taͤglichem
beten und ſingen unſer Haus einer Kirchen aͤhn-
lich machten. Wir ſungen des Morgens, ehe
wir in die Arbeit giengen, des Mittags nach Ti-
ſche, inſonderheit des Sonntags, des Abends, ehe
wir zu Bette giengen; am allermeiſten des Win-
ters, wenn die Abende lang ſind. Jch muſte
auch des Abends, ſo bald ich fertig leſen kunte,
meinen Eltern und Geſchwiſtern aus der Bibel,
oder aus einem andern geiſtlichen Buche, v. g.
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ich in die Schule etwas auswendig zu lernen,
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/67>, abgerufen am 21.11.2024.
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