Jch rieth ihm, er solte nur schnelle zur Sache schreiten, und niemanden etwas sagen; denn, weil unter tausend Menschen nicht ein einziger, dem dergleichen jämmerliche Plage bekannt wäre, so würde sich alles ihm widersetzen, und ihm es ein ieder auszureden suchen, den er um Rath fragen würde. Wenn die Sache nur erst geschehen, so wolte ich hernach die Sache schon bey den Patronis helffen entschuldigen, daß er deßhalben seines Catecheten-Dienstes nicht verlustig würde. Allein er entdeckte die Sa- che einem Prediger, der nicht mehr am Leben, der zwar an seiner Beförderung großen Antheil gehabt, der aber von solcher Leibes-Plage und Anfechtung nichts wuste, so viel andere wich- tige Dinge GOtt ihn auch sonst erfahren laßen. Er suchte ihm solches mit gantzer Gewalt aus- zureden, und schlug ihm das Gebet, als ein Mittel wider solche Gedancken und Reitzungen vor, welches denselben aber eben so deuchte, als wenn man einen Hungrigen, und Durstigen bereden wolte, daß man Hunger, und Durst mit dem Gebet vertreiben könte; sintemahl kein Ey dem andern so ähnlich, als die Be- gierde zu secerniren, und zu egeriren, als die Begierde zu ingeriren, und zu essen, und zu trincken. Wollen einige sagen, daß sie desi- derium secernendi durch diese und jene geistliche
Mittel
Catecheten gerathen,
Jch rieth ihm, er ſolte nur ſchnelle zur Sache ſchreiten, und niemanden etwas ſagen; denn, weil unter tauſend Menſchen nicht ein einziger, dem dergleichen jaͤmmerliche Plage bekannt waͤre, ſo wuͤrde ſich alles ihm widerſetzen, und ihm es ein ieder auszureden ſuchen, den er um Rath fragen wuͤrde. Wenn die Sache nur erſt geſchehen, ſo wolte ich hernach die Sache ſchon bey den Patronis helffen entſchuldigen, daß er deßhalben ſeines Catecheten-Dienſtes nicht verluſtig wuͤrde. Allein er entdeckte die Sa- che einem Prediger, der nicht mehr am Leben, der zwar an ſeiner Befoͤrderung großen Antheil gehabt, der aber von ſolcher Leibes-Plage und Anfechtung nichts wuſte, ſo viel andere wich- tige Dinge GOtt ihn auch ſonſt erfahren laßen. Er ſuchte ihm ſolches mit gantzer Gewalt aus- zureden, und ſchlug ihm das Gebet, als ein Mittel wider ſolche Gedancken und Reitzungen vor, welches denſelben aber eben ſo deuchte, als wenn man einen Hungrigen, und Durſtigen bereden wolte, daß man Hunger, und Durſt mit dem Gebet vertreiben koͤnte; ſintemahl kein Ey dem andern ſo aͤhnlich, als die Be- gierde zu ſecerniren, und zu egeriren, als die Begierde zu ingeriren, und zu eſſen, und zu trincken. Wollen einige ſagen, daß ſie deſi- derium ſecernendi durch dieſe und jene geiſtliche
Mittel
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0644"n="598"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">Catechet</hi>en gerathen,</hi></fw><lb/>
Jch rieth ihm, er ſolte nur ſchnelle zur Sache<lb/>ſchreiten, und niemanden etwas ſagen; denn,<lb/>
weil unter tauſend Menſchen nicht ein einziger,<lb/>
dem dergleichen jaͤmmerliche Plage bekannt<lb/>
waͤre, ſo wuͤrde ſich alles ihm widerſetzen, und<lb/>
ihm es ein ieder auszureden ſuchen, den er um<lb/>
Rath fragen wuͤrde. Wenn die Sache nur<lb/>
erſt geſchehen, ſo wolte ich hernach die Sache<lb/>ſchon bey den <hirendition="#aq">Patronis</hi> helffen entſchuldigen, daß<lb/>
er deßhalben ſeines <hirendition="#aq">Catechet</hi>en-Dienſtes nicht<lb/>
verluſtig wuͤrde. Allein er entdeckte die Sa-<lb/>
che einem Prediger, der nicht mehr am Leben,<lb/>
der zwar an ſeiner Befoͤrderung großen Antheil<lb/>
gehabt, der aber von ſolcher Leibes-Plage und<lb/>
Anfechtung nichts wuſte, ſo viel andere wich-<lb/>
tige Dinge GOtt ihn auch ſonſt erfahren laßen.<lb/>
Er ſuchte ihm ſolches mit gantzer Gewalt aus-<lb/>
zureden, und ſchlug ihm das Gebet, als ein<lb/>
Mittel wider ſolche Gedancken und Reitzungen<lb/>
vor, welches denſelben aber eben ſo deuchte,<lb/>
als wenn man einen Hungrigen, und Durſtigen<lb/>
bereden wolte, daß man Hunger, und Durſt<lb/>
mit dem Gebet vertreiben koͤnte; ſintemahl<lb/>
kein Ey dem andern ſo aͤhnlich, als die Be-<lb/>
gierde zu <hirendition="#aq">ſecerni</hi>ren, und zu <hirendition="#aq">egeri</hi>ren, als die<lb/>
Begierde zu <hirendition="#aq">ingeri</hi>ren, und zu eſſen, und zu<lb/>
trincken. Wollen einige ſagen, daß ſie <hirendition="#aq">deſi-<lb/>
derium ſecernendi</hi> durch dieſe und jene geiſtliche<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Mittel</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[598/0644]
Catecheten gerathen,
Jch rieth ihm, er ſolte nur ſchnelle zur Sache
ſchreiten, und niemanden etwas ſagen; denn,
weil unter tauſend Menſchen nicht ein einziger,
dem dergleichen jaͤmmerliche Plage bekannt
waͤre, ſo wuͤrde ſich alles ihm widerſetzen, und
ihm es ein ieder auszureden ſuchen, den er um
Rath fragen wuͤrde. Wenn die Sache nur
erſt geſchehen, ſo wolte ich hernach die Sache
ſchon bey den Patronis helffen entſchuldigen, daß
er deßhalben ſeines Catecheten-Dienſtes nicht
verluſtig wuͤrde. Allein er entdeckte die Sa-
che einem Prediger, der nicht mehr am Leben,
der zwar an ſeiner Befoͤrderung großen Antheil
gehabt, der aber von ſolcher Leibes-Plage und
Anfechtung nichts wuſte, ſo viel andere wich-
tige Dinge GOtt ihn auch ſonſt erfahren laßen.
Er ſuchte ihm ſolches mit gantzer Gewalt aus-
zureden, und ſchlug ihm das Gebet, als ein
Mittel wider ſolche Gedancken und Reitzungen
vor, welches denſelben aber eben ſo deuchte,
als wenn man einen Hungrigen, und Durſtigen
bereden wolte, daß man Hunger, und Durſt
mit dem Gebet vertreiben koͤnte; ſintemahl
kein Ey dem andern ſo aͤhnlich, als die Be-
gierde zu ſecerniren, und zu egeriren, als die
Begierde zu ingeriren, und zu eſſen, und zu
trincken. Wollen einige ſagen, daß ſie deſi-
derium ſecernendi durch dieſe und jene geiſtliche
Mittel
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/644>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.