Diese Dinge, die ich bisher erzehlet, be- gegneten mir, so ich mich noch recht besinne, schier auf eine Zeit, oder kurtz auf einander; und, damit ja alle solche Versuchungen bey mir, wo nicht auf den höchsten, doch auf einen hohen Grad getrieben würden, so wäre mein eigener Famulus, den ich stets um mich hatte, und den ich stets brauchen muste, bald durch einen ge- wissen Zufall und Umgang mit einem Fanatico seines Verstandes beraubet worden, welches mir auf einige Tage schreckliche Noth verur- sachte, weil ich nicht wuste, wie er zu solchem Ubel käme. Es fieng derselbe an 1714 zu Anfang des Sommers gantz seltsam und tieff- sinnig auszusehen: redete wunderbare Dinge, in welche ich mich nicht finden kunte. Er gab vor, es solte in kurtzem eine Zeit kommen, da solte ich durch ihn noch zu einem reichen Manne in der Welt werden. Er that, und studirte nichts mehr, die Bücher ließ er liegen, gieng alle Tage aus, und kam des Abends wieder: vorgebende, er brauche nun kein Studirens mehr. Jn der Nacht hatte er keine Ruhe, und redete viel Dinge im Traum, die ich nicht verstund, als der ich ihn wegen meiner Ein- samkeit ordentlicher Weise bey mir in der Kam-
mer
ſo gleichen Zufaͤllen unterworffen,
Anno 1714.
Dieſe Dinge, die ich bisher erzehlet, be- gegneten mir, ſo ich mich noch recht beſinne, ſchier auf eine Zeit, oder kurtz auf einander; und, damit ja alle ſolche Verſuchungen bey mir, wo nicht auf den hoͤchſten, doch auf einen hohen Grad getrieben wuͤrden, ſo waͤre mein eigener Famulus, den ich ſtets um mich hatte, und den ich ſtets brauchen muſte, bald durch einen ge- wiſſen Zufall und Umgang mit einem Fanatico ſeines Verſtandes beraubet worden, welches mir auf einige Tage ſchreckliche Noth verur- ſachte, weil ich nicht wuſte, wie er zu ſolchem Ubel kaͤme. Es fieng derſelbe an 1714 zu Anfang des Sommers gantz ſeltſam und tieff- ſinnig auszuſehen: redete wunderbare Dinge, in welche ich mich nicht finden kunte. Er gab vor, es ſolte in kurtzem eine Zeit kommen, da ſolte ich durch ihn noch zu einem reichen Manne in der Welt werden. Er that, und ſtudirte nichts mehr, die Buͤcher ließ er liegen, gieng alle Tage aus, und kam des Abends wieder: vorgebende, er brauche nun kein Studirens mehr. Jn der Nacht hatte er keine Ruhe, und redete viel Dinge im Traum, die ich nicht verſtund, als der ich ihn wegen meiner Ein- ſamkeit ordentlicher Weiſe bey mir in der Kam-
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ſo gleichen Zufaͤllen unterworffen,
Anno 1714.
Dieſe Dinge, die ich bisher erzehlet, be-
gegneten mir, ſo ich mich noch recht beſinne,
ſchier auf eine Zeit, oder kurtz auf einander;
und, damit ja alle ſolche Verſuchungen bey mir,
wo nicht auf den hoͤchſten, doch auf einen hohen
Grad getrieben wuͤrden, ſo waͤre mein eigener
Famulus, den ich ſtets um mich hatte, und den
ich ſtets brauchen muſte, bald durch einen ge-
wiſſen Zufall und Umgang mit einem Fanatico
ſeines Verſtandes beraubet worden, welches
mir auf einige Tage ſchreckliche Noth verur-
ſachte, weil ich nicht wuſte, wie er zu ſolchem
Ubel kaͤme. Es fieng derſelbe an 1714 zu
Anfang des Sommers gantz ſeltſam und tieff-
ſinnig auszuſehen: redete wunderbare Dinge,
in welche ich mich nicht finden kunte. Er gab
vor, es ſolte in kurtzem eine Zeit kommen, da
ſolte ich durch ihn noch zu einem reichen Manne
in der Welt werden. Er that, und ſtudirte
nichts mehr, die Buͤcher ließ er liegen, gieng
alle Tage aus, und kam des Abends wieder:
vorgebende, er brauche nun kein Studirens
mehr. Jn der Nacht hatte er keine Ruhe,
und redete viel Dinge im Traum, die ich nicht
verſtund, als der ich ihn wegen meiner Ein-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/633>, abgerufen am 23.11.2024.
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