nicht vertragen, sondern die Beine, wie wir zu reden pflegen, auf die Achseln nehmen, und lauf- fen und springen muste, so geschwinde als ich kunte, ärger als 12. Jahr zuvor in Mucke, da ich bald im Feuer umkommen wäre. Sonntags drauf, welches der 10. Sonntag nach Trinitatis war, war ebenfalls eine ungewöhnliche Hitze, und hatte im Predigen starck geschwitzet. Mein Breyhan war des Abends säuerlich, und, da ich mich kaum niedergeleget hatte, so nahm der Durchfall seinen Anfang, und währete ohne Auf hören die gantze Nacht bis Morgens um 5. Uhr. Jch war so matt, daß ich auf allen vieren kriechen muste, mein Gesinde zu wecken. Weil die Feuchtigkeiten mir alle entgangen wa- ren, so bekam ich nicht nur an Händen, Fingern, und Füssen, und an allen Theilen des Leibes den Krampff, sondern auch unsäglichen Durst. Bier wolte ich nicht trincken, und Thee Wasser muste erst gekocht werden. Es wurde solches aber noch zu rechter Zeit fertig; daferne ich aber eine Minute länger hätte warten müssen, so hätte ich solchen nicht mehr zu mir nehmen können. Denn die Mattigkeit hatte mir den Mund schon zugeschlossen, so daß ihn meine Magd schier mit Gewalt öffnen, und den Thee Anfangs Löffel- weise in den Hals schütten muste. Jch kunte auf dem Bette keine Hand noch Fuß mehr be-
wegen,
Anno 1719. gehindert;
nicht vertragen, ſondern die Beine, wie wir zu reden pflegen, auf die Achſeln nehmen, und lauf- fen und ſpringen muſte, ſo geſchwinde als ich kunte, aͤrger als 12. Jahr zuvor in Mucke, da ich bald im Feuer umkommen waͤre. Sonntags drauf, welches der 10. Sonntag nach Trinitatis war, war ebenfalls eine ungewoͤhnliche Hitze, und hatte im Predigen ſtarck geſchwitzet. Mein Breyhan war des Abends ſaͤuerlich, und, da ich mich kaum niedergeleget hatte, ſo nahm der Durchfall ſeinen Anfang, und waͤhrete ohne Auf hoͤren die gantze Nacht bis Morgens um 5. Uhr. Jch war ſo matt, daß ich auf allen vieren kriechen muſte, mein Geſinde zu wecken. Weil die Feuchtigkeiten mir alle entgangen wa- ren, ſo bekam ich nicht nur an Haͤnden, Fingern, und Fuͤſſen, und an allen Theilen des Leibes den Krampff, ſondern auch unſaͤglichen Durſt. Bier wolte ich nicht trincken, und Thée Waſſer muſte erſt gekocht werden. Es wurde ſolches aber noch zu rechter Zeit fertig; daferne ich aber eine Minute laͤnger haͤtte warten muͤſſen, ſo haͤtte ich ſolchen nicht mehr zu mir nehmen koͤnnen. Denn die Mattigkeit hatte mir den Mund ſchon zugeſchloſſen, ſo daß ihn meine Magd ſchier mit Gewalt oͤffnen, und den Thée Anfangs Loͤffel- weiſe in den Hals ſchuͤtten muſte. Jch kunte auf dem Bette keine Hand noch Fuß mehr be-
wegen,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0622"n="576"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">Anno</hi> 1719. gehindert;</hi></fw><lb/>
nicht vertragen, ſondern die Beine, wie wir zu<lb/>
reden pflegen, auf die Achſeln nehmen, und lauf-<lb/>
fen und ſpringen muſte, ſo geſchwinde als ich<lb/>
kunte, aͤrger als 12. Jahr zuvor in Mucke, da<lb/>
ich bald im Feuer umkommen waͤre. Sonntags<lb/>
drauf, welches der 10. Sonntag nach <hirendition="#aq">Trinitatis</hi><lb/>
war, war ebenfalls eine ungewoͤhnliche Hitze,<lb/>
und hatte im Predigen ſtarck geſchwitzet. Mein<lb/>
Breyhan war des Abends ſaͤuerlich, und, da<lb/>
ich mich kaum niedergeleget hatte, ſo nahm der<lb/>
Durchfall ſeinen Anfang, und waͤhrete ohne<lb/>
Auf hoͤren die gantze Nacht bis Morgens um<lb/>
5. Uhr. Jch war ſo matt, daß ich auf allen<lb/>
vieren kriechen muſte, mein Geſinde zu wecken.<lb/>
Weil die Feuchtigkeiten mir alle entgangen wa-<lb/>
ren, ſo bekam ich nicht nur an Haͤnden, Fingern,<lb/>
und Fuͤſſen, und an allen Theilen des Leibes den<lb/>
Krampff, ſondern auch unſaͤglichen Durſt.<lb/>
Bier wolte ich nicht trincken, und <hirendition="#aq">Thée</hi> Waſſer<lb/>
muſte erſt gekocht werden. Es wurde ſolches<lb/>
aber noch zu rechter Zeit fertig; daferne ich aber<lb/>
eine <hirendition="#aq">Minute</hi> laͤnger haͤtte warten muͤſſen, ſo haͤtte<lb/>
ich ſolchen nicht mehr zu mir nehmen koͤnnen.<lb/>
Denn die Mattigkeit hatte mir den Mund ſchon<lb/>
zugeſchloſſen, ſo daß ihn meine Magd ſchier mit<lb/>
Gewalt oͤffnen, und den <hirendition="#aq">Thée</hi> Anfangs Loͤffel-<lb/>
weiſe in den Hals ſchuͤtten muſte. Jch kunte<lb/>
auf dem Bette keine Hand noch Fuß mehr be-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wegen,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[576/0622]
Anno 1719. gehindert;
nicht vertragen, ſondern die Beine, wie wir zu
reden pflegen, auf die Achſeln nehmen, und lauf-
fen und ſpringen muſte, ſo geſchwinde als ich
kunte, aͤrger als 12. Jahr zuvor in Mucke, da
ich bald im Feuer umkommen waͤre. Sonntags
drauf, welches der 10. Sonntag nach Trinitatis
war, war ebenfalls eine ungewoͤhnliche Hitze,
und hatte im Predigen ſtarck geſchwitzet. Mein
Breyhan war des Abends ſaͤuerlich, und, da
ich mich kaum niedergeleget hatte, ſo nahm der
Durchfall ſeinen Anfang, und waͤhrete ohne
Auf hoͤren die gantze Nacht bis Morgens um
5. Uhr. Jch war ſo matt, daß ich auf allen
vieren kriechen muſte, mein Geſinde zu wecken.
Weil die Feuchtigkeiten mir alle entgangen wa-
ren, ſo bekam ich nicht nur an Haͤnden, Fingern,
und Fuͤſſen, und an allen Theilen des Leibes den
Krampff, ſondern auch unſaͤglichen Durſt.
Bier wolte ich nicht trincken, und Thée Waſſer
muſte erſt gekocht werden. Es wurde ſolches
aber noch zu rechter Zeit fertig; daferne ich aber
eine Minute laͤnger haͤtte warten muͤſſen, ſo haͤtte
ich ſolchen nicht mehr zu mir nehmen koͤnnen.
Denn die Mattigkeit hatte mir den Mund ſchon
zugeſchloſſen, ſo daß ihn meine Magd ſchier mit
Gewalt oͤffnen, und den Thée Anfangs Loͤffel-
weiſe in den Hals ſchuͤtten muſte. Jch kunte
auf dem Bette keine Hand noch Fuß mehr be-
wegen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/622>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.