gen Ende kommen möchte; ich sage, wenn ich diß bedencke, so kan ich nicht anders glauben, als daß ich dazumal auch ein Prophet gewesen, und mein Heulen und Weinen in der Welt durch un- gewöhnliches Schreyen in der ersten Kindheit vorher verkündiget habe.
Es hat nicht wohl anders seyn können, als daß ich ein dickes und schwartzes Blut, verstopffte Viscera, Spasmos und Contractiones Nervorum, ein zusammen gepreßtes Hertze, oder überhaupt eine kränckliche verderbte übele Leibes-Disposi- tion aus Mutter-Leibe habe bringen müssen. Denn in dem Jahre, da meine Mutter mich un- ter ihrem Hertzen trug, setzte der Einfall der Schweden in Pommern gantz Schlesien, und die meisten Jnwohner in Furcht und Schrecken, als die noch gar wohl wusten, was vor Noth und Jammer sie im 30. jährigen Kriege ausgestanden, und daß die Schweden nicht sowol die Schlüssel zu den verschlossenen Kirchen, als vielmehr die Schlüssel zu den Kühe- und Pferde-Ställen ge- bracht hätten. Jn den Vorstädten, und auf den Dörffern bey Breßlau herum hatten dazumal die armen Leute vielmal das Essen zu Mittage auf dem Tische müssen stehen laßen, und davon lauf- fen, und auf den Böden unter die Heu-Schober und Stroh-Schütten sich verstecken, und dabey zugleich in Todes-Angst stecken müssen, wenn die
streiffen-
mit lauter Weinen
gen Ende kommen moͤchte; ich ſage, wenn ich diß bedencke, ſo kan ich nicht anders glauben, als daß ich dazumal auch ein Prophet geweſen, und mein Heulen und Weinen in der Welt durch un- gewoͤhnliches Schreyen in der erſten Kindheit vorher verkuͤndiget habe.
Es hat nicht wohl anders ſeyn koͤnnen, als daß ich ein dickes und ſchwartzes Blut, verſtopffte Viſcera, Spaſmos und Contractiones Nervorum, ein zuſammen gepreßtes Hertze, oder uͤberhaupt eine kraͤnckliche verderbte uͤbele Leibes-Diſpoſi- tion aus Mutter-Leibe habe bringen muͤſſen. Denn in dem Jahre, da meine Mutter mich un- ter ihrem Hertzen trug, ſetzte der Einfall der Schweden in Pommern gantz Schleſien, und die meiſten Jnwohner in Furcht und Schrecken, als die noch gar wohl wuſten, was vor Noth und Jammer ſie im 30. jaͤhrigen Kriege ausgeſtanden, und daß die Schweden nicht ſowol die Schluͤſſel zu den verſchloſſenen Kirchen, als vielmehr die Schluͤſſel zu den Kuͤhe- und Pferde-Staͤllen ge- bracht haͤtten. Jn den Vorſtaͤdten, und auf den Doͤrffern bey Breßlau herum hatten dazumal die armen Leute vielmal das Eſſen zu Mittage auf dem Tiſche muͤſſen ſtehen laßen, und davon lauf- fen, und auf den Boͤden unter die Heu-Schober und Stroh-Schuͤtten ſich verſtecken, und dabey zugleich in Todes-Angſt ſtecken muͤſſen, wenn die
ſtreiffen-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0061"n="15"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">mit lauter Weinen</hi></fw><lb/>
gen Ende kommen moͤchte; ich ſage, wenn ich<lb/>
diß bedencke, ſo kan ich nicht anders glauben, als<lb/>
daß ich dazumal auch ein Prophet geweſen, und<lb/>
mein Heulen und Weinen in der Welt durch un-<lb/>
gewoͤhnliches Schreyen in der erſten Kindheit<lb/>
vorher verkuͤndiget habe.</p><lb/><p>Es hat nicht wohl anders ſeyn koͤnnen, als<lb/>
daß ich ein dickes und ſchwartzes Blut, verſtopffte<lb/><hirendition="#aq">Viſcera, Spaſmos</hi> und <hirendition="#aq">Contractiones Nervorum,</hi><lb/>
ein zuſammen gepreßtes Hertze, oder uͤberhaupt<lb/>
eine kraͤnckliche verderbte uͤbele Leibes-<hirendition="#aq">Diſpoſi-<lb/>
tion</hi> aus Mutter-Leibe habe bringen muͤſſen.<lb/>
Denn in dem Jahre, da meine Mutter mich un-<lb/>
ter ihrem Hertzen trug, ſetzte der Einfall der<lb/>
Schweden in Pommern gantz Schleſien, und die<lb/>
meiſten Jnwohner in Furcht und Schrecken, als<lb/>
die noch gar wohl wuſten, was vor Noth und<lb/>
Jammer ſie im 30. jaͤhrigen Kriege ausgeſtanden,<lb/>
und daß die Schweden nicht ſowol die Schluͤſſel<lb/>
zu den verſchloſſenen Kirchen, als vielmehr die<lb/>
Schluͤſſel zu den Kuͤhe- und Pferde-Staͤllen ge-<lb/>
bracht haͤtten. Jn den Vorſtaͤdten, und auf den<lb/>
Doͤrffern bey Breßlau herum hatten dazumal die<lb/>
armen Leute vielmal das Eſſen zu Mittage auf<lb/>
dem Tiſche muͤſſen ſtehen laßen, und davon lauf-<lb/>
fen, und auf den Boͤden unter die Heu-Schober<lb/>
und Stroh-Schuͤtten ſich verſtecken, und dabey<lb/>
zugleich in Todes-Angſt ſtecken muͤſſen, wenn die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſtreiffen-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[15/0061]
mit lauter Weinen
gen Ende kommen moͤchte; ich ſage, wenn ich
diß bedencke, ſo kan ich nicht anders glauben, als
daß ich dazumal auch ein Prophet geweſen, und
mein Heulen und Weinen in der Welt durch un-
gewoͤhnliches Schreyen in der erſten Kindheit
vorher verkuͤndiget habe.
Es hat nicht wohl anders ſeyn koͤnnen, als
daß ich ein dickes und ſchwartzes Blut, verſtopffte
Viſcera, Spaſmos und Contractiones Nervorum,
ein zuſammen gepreßtes Hertze, oder uͤberhaupt
eine kraͤnckliche verderbte uͤbele Leibes-Diſpoſi-
tion aus Mutter-Leibe habe bringen muͤſſen.
Denn in dem Jahre, da meine Mutter mich un-
ter ihrem Hertzen trug, ſetzte der Einfall der
Schweden in Pommern gantz Schleſien, und die
meiſten Jnwohner in Furcht und Schrecken, als
die noch gar wohl wuſten, was vor Noth und
Jammer ſie im 30. jaͤhrigen Kriege ausgeſtanden,
und daß die Schweden nicht ſowol die Schluͤſſel
zu den verſchloſſenen Kirchen, als vielmehr die
Schluͤſſel zu den Kuͤhe- und Pferde-Staͤllen ge-
bracht haͤtten. Jn den Vorſtaͤdten, und auf den
Doͤrffern bey Breßlau herum hatten dazumal die
armen Leute vielmal das Eſſen zu Mittage auf
dem Tiſche muͤſſen ſtehen laßen, und davon lauf-
fen, und auf den Boͤden unter die Heu-Schober
und Stroh-Schuͤtten ſich verſtecken, und dabey
zugleich in Todes-Angſt ſtecken muͤſſen, wenn die
ſtreiffen-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/61>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.