Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.wo doch keine verhanden: cher sich vor ihren Zustand am besten schicke?Wünschen wir mit aufrichtigem Hertzen, daß die Sünder mögen bekehret, und die Bekehr- ten im Guten mögen gestärcket werden; was liegt uns denn dran, ob solcher Endzweck durch uns, oder durch andere, und offters nach un- serer Meynung, durch geringere Prediger, als wir selbst sind, erhalten werde? Man weiß ja wohl, daß offters auch die grösten Sünder durch Predigten eines geringen, und niedrigen Leh- rers von ihren Sünden sind abgezogen, und auf bessere Gedancken gebracht worden. Doch gleichwie die Menschen nicht alle einerley Hu- meurs und Temperaments sind, folgentlich der eine wider diesen, der andere wider einen an- dern noch nicht völlig getödteten Affect zu strei- ten und zu kämpffen hat: so will ich deßwe- gen andere in diesem Stücke nicht zur Unge- bühr richten; indem die Ehre und Hochach- tung anderer Menschen niemahls sonderlich von mir in der Welt geachtet worden, so viel auch natürlicher Eckel vor des andern Verach- tung gegen mich bey mir zu finden gewesen. Mich hat es vielmehr recht hertzlich gejammert, wenn in Compagnien und Gastmahlen, zu de- nen ich in den ersten Jahren meines Predigt- Amts offters eingeladen wurde, diejenigen hö- nisch verlacht, und durchgezogen worden, die meinen
wo doch keine verhanden: cher ſich vor ihren Zuſtand am beſten ſchicke?Wuͤnſchen wir mit aufrichtigem Hertzen, daß die Suͤnder moͤgen bekehret, und die Bekehr- ten im Guten moͤgen geſtaͤrcket werden; was liegt uns denn dran, ob ſolcher Endzweck durch uns, oder durch andere, und offters nach un- ſerer Meynung, durch geringere Prediger, als wir ſelbſt ſind, erhalten werde? Man weiß ja wohl, daß offters auch die groͤſten Suͤnder durch Predigten eines geringen, und niedrigen Leh- rers von ihren Suͤnden ſind abgezogen, und auf beſſere Gedancken gebracht worden. Doch gleichwie die Menſchen nicht alle einerley Hu- meurs und Temperaments ſind, folgentlich der eine wider dieſen, der andere wider einen an- dern noch nicht voͤllig getoͤdteten Affect zu ſtrei- ten und zu kaͤmpffen hat: ſo will ich deßwe- gen andere in dieſem Stuͤcke nicht zur Unge- buͤhr richten; indem die Ehre und Hochach- tung anderer Menſchen niemahls ſonderlich von mir in der Welt geachtet worden, ſo viel auch natuͤrlicher Eckel vor des andern Verach- tung gegen mich bey mir zu finden geweſen. Mich hat es vielmehr recht hertzlich gejammert, wenn in Compagnien und Gaſtmahlen, zu de- nen ich in den erſten Jahren meines Predigt- Amts offters eingeladen wurde, diejenigen hoͤ- niſch verlacht, und durchgezogen worden, die meinen
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wo doch keine verhanden:
cher ſich vor ihren Zuſtand am beſten ſchicke?
Wuͤnſchen wir mit aufrichtigem Hertzen, daß
die Suͤnder moͤgen bekehret, und die Bekehr-
ten im Guten moͤgen geſtaͤrcket werden; was
liegt uns denn dran, ob ſolcher Endzweck durch
uns, oder durch andere, und offters nach un-
ſerer Meynung, durch geringere Prediger, als
wir ſelbſt ſind, erhalten werde? Man weiß
ja wohl, daß offters auch die groͤſten Suͤnder
durch Predigten eines geringen, und niedrigen Leh-
rers von ihren Suͤnden ſind abgezogen, und auf
beſſere Gedancken gebracht worden. Doch
gleichwie die Menſchen nicht alle einerley Hu-
meurs und Temperaments ſind, folgentlich der
eine wider dieſen, der andere wider einen an-
dern noch nicht voͤllig getoͤdteten Affect zu ſtrei-
ten und zu kaͤmpffen hat: ſo will ich deßwe-
gen andere in dieſem Stuͤcke nicht zur Unge-
buͤhr richten; indem die Ehre und Hochach-
tung anderer Menſchen niemahls ſonderlich von
mir in der Welt geachtet worden, ſo viel
auch natuͤrlicher Eckel vor des andern Verach-
tung gegen mich bey mir zu finden geweſen.
Mich hat es vielmehr recht hertzlich gejammert,
wenn in Compagnien und Gaſtmahlen, zu de-
nen ich in den erſten Jahren meines Predigt-
Amts offters eingeladen wurde, diejenigen hoͤ-
niſch verlacht, und durchgezogen worden, die
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