gratia, zu Anfange, und zu Ende des Gottesdien- stes das Lied: Zeuch ein zu deinen Thoren, das erstemahl in Leipzig singen ließ. Weil ich aber wohl wuste, unter was vor Schutz ich da- zumahl stunde, so hatte ich mehr Hertze mich zu verantworten, als das erstemahl, und mich aus einer Maxime, und aus gewissen Absichten böser und ungedultiger anzustellen, als ich im Hertzen war, damit ich ins künfftige dergleichen Uber- fälle nicht zu besorgen hätte, worinnen mich auch meine Gedancken nicht betrogen hatten. Man hatte mir vor diesem in der Philosophischen Morale beygebracht, daß einige Gemüther von einem gewissen Temperamente, welche die Ruhe über alles lieben, und nicht gerne incommodiret seyn wollen, einen andern zu incommodiren am aller- meisten sich abhalten lassen, wofern derselbe gantz anders mit ihnen umgehet, als diejenigen, die aus Kleinmüthigkeit sich allzu sehr bücken, und sub- mittiren, und ihren Mund nicht aufthun, gleich einem Lamme, das auf die Schlacht-Banck gefüh- ret wird. Jch sagte dazumahl unter andern: Ha- ben die, so das Jus Patronatus haben, nicht Macht, neue Lieder in eine Kirche einzuführen, so sind in vielen Orten die Lehrer selbst Ursache, daß ihnen dadurch Eingriff geschehe. Denn da ietzt so gar in Dreßden selbst die schönsten Lieder, welche Gerhardum, und andere unverdächtige
Lehrer
zur Rede geſetzt,
gratia, zu Anfange, und zu Ende des Gottesdien- ſtes das Lied: Zeuch ein zu deinen Thoren, das erſtemahl in Leipzig ſingen ließ. Weil ich aber wohl wuſte, unter was vor Schutz ich da- zumahl ſtunde, ſo hatte ich mehr Hertze mich zu verantworten, als das erſtemahl, und mich aus einer Maxime, und aus gewiſſen Abſichten boͤſer und ungedultiger anzuſtellen, als ich im Hertzen war, damit ich ins kuͤnfftige dergleichen Uber- faͤlle nicht zu beſorgen haͤtte, worinnen mich auch meine Gedancken nicht betrogen hatten. Man hatte mir vor dieſem in der Philoſophiſchen Morale beygebracht, daß einige Gemuͤther von einem gewiſſen Temperamente, welche die Ruhe uͤber alles lieben, und nicht gerne incommodiret ſeyn wollen, einen andern zu incommodiren am aller- meiſten ſich abhalten laſſen, wofern derſelbe gantz anders mit ihnen umgehet, als diejenigen, die aus Kleinmuͤthigkeit ſich allzu ſehr buͤcken, und ſub- mittiren, und ihren Mund nicht aufthun, gleich einem Lamme, das auf die Schlacht-Banck gefuͤh- ret wird. Jch ſagte dazumahl unter andern: Ha- ben die, ſo das Jus Patronatus haben, nicht Macht, neue Lieder in eine Kirche einzufuͤhren, ſo ſind in vielen Orten die Lehrer ſelbſt Urſache, daß ihnen dadurch Eingriff geſchehe. Denn da ietzt ſo gar in Dreßden ſelbſt die ſchoͤnſten Lieder, welche Gerhardum, und andere unverdaͤchtige
Lehrer
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zur Rede geſetzt,
gratia, zu Anfange, und zu Ende des Gottesdien-
ſtes das Lied: Zeuch ein zu deinen Thoren,
das erſtemahl in Leipzig ſingen ließ. Weil ich
aber wohl wuſte, unter was vor Schutz ich da-
zumahl ſtunde, ſo hatte ich mehr Hertze mich zu
verantworten, als das erſtemahl, und mich aus
einer Maxime, und aus gewiſſen Abſichten boͤſer
und ungedultiger anzuſtellen, als ich im Hertzen
war, damit ich ins kuͤnfftige dergleichen Uber-
faͤlle nicht zu beſorgen haͤtte, worinnen mich auch
meine Gedancken nicht betrogen hatten. Man
hatte mir vor dieſem in der Philoſophiſchen Morale
beygebracht, daß einige Gemuͤther von einem
gewiſſen Temperamente, welche die Ruhe uͤber
alles lieben, und nicht gerne incommodiret ſeyn
wollen, einen andern zu incommodiren am aller-
meiſten ſich abhalten laſſen, wofern derſelbe gantz
anders mit ihnen umgehet, als diejenigen, die aus
Kleinmuͤthigkeit ſich allzu ſehr buͤcken, und ſub-
mittiren, und ihren Mund nicht aufthun, gleich
einem Lamme, das auf die Schlacht-Banck gefuͤh-
ret wird. Jch ſagte dazumahl unter andern: Ha-
ben die, ſo das Jus Patronatus haben, nicht
Macht, neue Lieder in eine Kirche einzufuͤhren,
ſo ſind in vielen Orten die Lehrer ſelbſt Urſache,
daß ihnen dadurch Eingriff geſchehe. Denn da
ietzt ſo gar in Dreßden ſelbſt die ſchoͤnſten Lieder,
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/594>, abgerufen am 25.11.2024.
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