wären; die, da sie noch in glücklichem Zu- stande war, nicht nur gegen Prediger, sondern auch gegen viel tausend Arme iederzeit höchst gutthätig sich erwiese. Wenn ich zusammen rechnen wolte, was mir dieselbe, wie auch ihre sel. Frau Mutter, die alte Bosin, samt ihrem Herr Sohne, ingleichen der sel. Herr Bau- meister Daniel Winckler, die noch lebende Frau D. Sinnerin, und viel andere schier alle Jahre verehret; so würde eine solche Zahl heraus kommen, daß ich im Hertzen mich grämen wür- de, daß ich sowol in meinem Predigt-Amte, als nach der Zeit, mich nicht mehr solcher Wohlthaten würdiger gemacht habe, als es wol hätte seyn sollen, und dabey diß zu meinem Troste dencken, daß GOTT nicht sowol auf die undanckbare und unwürdige Person, so diese Wohlthaten empfangen, als auf das Hertze derer, so sie gereichet, sehen, und sie davor wie- der in Ewigkeit erquicken werde. Diejenigen hohen Gönner aber, die noch leben, und die auch noch ietzt zuweilen an mich auf gleiche Weise gedencken, und deren GOTT nimmer- mehr vergessen wolle, trage ich Bedencken hier zu nennen, weil ich vermuthe, daß sie um de- rer willen, so eine gantz andere Neigung ge- gen mich, als sie, haben, gerne verborgen seyn wollen.
Doch
L l 4
als da er ſeine erſte
waͤren; die, da ſie noch in gluͤcklichem Zu- ſtande war, nicht nur gegen Prediger, ſondern auch gegen viel tauſend Arme iederzeit hoͤchſt gutthaͤtig ſich erwieſe. Wenn ich zuſammen rechnen wolte, was mir dieſelbe, wie auch ihre ſel. Frau Mutter, die alte Boſin, ſamt ihrem Herr Sohne, ingleichen der ſel. Herr Bau- meiſter Daniel Winckler, die noch lebende Frau D. Sinnerin, und viel andere ſchier alle Jahre verehret; ſo wuͤrde eine ſolche Zahl heraus kommen, daß ich im Hertzen mich graͤmen wuͤr- de, daß ich ſowol in meinem Predigt-Amte, als nach der Zeit, mich nicht mehr ſolcher Wohlthaten wuͤrdiger gemacht habe, als es wol haͤtte ſeyn ſollen, und dabey diß zu meinem Troſte dencken, daß GOTT nicht ſowol auf die undanckbare und unwuͤrdige Perſon, ſo dieſe Wohlthaten empfangen, als auf das Hertze derer, ſo ſie gereichet, ſehen, und ſie davor wie- der in Ewigkeit erquicken werde. Diejenigen hohen Goͤnner aber, die noch leben, und die auch noch ietzt zuweilen an mich auf gleiche Weiſe gedencken, und deren GOTT nimmer- mehr vergeſſen wolle, trage ich Bedencken hier zu nennen, weil ich vermuthe, daß ſie um de- rer willen, ſo eine gantz andere Neigung ge- gen mich, als ſie, haben, gerne verborgen ſeyn wollen.
Doch
L l 4
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0581"n="535"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">als da er ſeine erſte</hi></fw><lb/>
waͤren; die, da ſie noch in gluͤcklichem Zu-<lb/>ſtande war, nicht nur gegen Prediger, ſondern<lb/>
auch gegen viel tauſend Arme iederzeit hoͤchſt<lb/>
gutthaͤtig ſich erwieſe. Wenn ich zuſammen<lb/>
rechnen wolte, was mir dieſelbe, wie auch ihre<lb/>ſel. Frau Mutter, die alte Boſin, ſamt ihrem<lb/>
Herr Sohne, ingleichen der ſel. Herr Bau-<lb/>
meiſter Daniel Winckler, die noch lebende Frau<lb/><hirendition="#aq">D.</hi> Sinnerin, und viel andere ſchier alle Jahre<lb/>
verehret; ſo wuͤrde eine ſolche Zahl heraus<lb/>
kommen, daß ich im Hertzen mich graͤmen wuͤr-<lb/>
de, daß ich ſowol in meinem Predigt-Amte,<lb/>
als nach der Zeit, mich nicht mehr ſolcher<lb/>
Wohlthaten wuͤrdiger gemacht habe, als es wol<lb/>
haͤtte ſeyn ſollen, und dabey diß zu meinem<lb/>
Troſte dencken, daß <hirendition="#g">GOTT</hi> nicht ſowol auf<lb/>
die undanckbare und unwuͤrdige Perſon, ſo dieſe<lb/>
Wohlthaten empfangen, als auf das Hertze<lb/>
derer, ſo ſie gereichet, ſehen, und ſie davor wie-<lb/>
der in Ewigkeit erquicken werde. Diejenigen<lb/>
hohen Goͤnner aber, die noch leben, und die<lb/>
auch noch ietzt zuweilen an mich auf gleiche<lb/>
Weiſe gedencken, und deren <hirendition="#g">GOTT</hi> nimmer-<lb/>
mehr vergeſſen wolle, trage ich Bedencken hier<lb/>
zu nennen, weil ich vermuthe, daß ſie um de-<lb/>
rer willen, ſo eine gantz andere Neigung ge-<lb/>
gen mich, als <hirendition="#fr">ſie,</hi> haben, gerne verborgen ſeyn<lb/>
wollen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">L l 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Doch</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[535/0581]
als da er ſeine erſte
waͤren; die, da ſie noch in gluͤcklichem Zu-
ſtande war, nicht nur gegen Prediger, ſondern
auch gegen viel tauſend Arme iederzeit hoͤchſt
gutthaͤtig ſich erwieſe. Wenn ich zuſammen
rechnen wolte, was mir dieſelbe, wie auch ihre
ſel. Frau Mutter, die alte Boſin, ſamt ihrem
Herr Sohne, ingleichen der ſel. Herr Bau-
meiſter Daniel Winckler, die noch lebende Frau
D. Sinnerin, und viel andere ſchier alle Jahre
verehret; ſo wuͤrde eine ſolche Zahl heraus
kommen, daß ich im Hertzen mich graͤmen wuͤr-
de, daß ich ſowol in meinem Predigt-Amte,
als nach der Zeit, mich nicht mehr ſolcher
Wohlthaten wuͤrdiger gemacht habe, als es wol
haͤtte ſeyn ſollen, und dabey diß zu meinem
Troſte dencken, daß GOTT nicht ſowol auf
die undanckbare und unwuͤrdige Perſon, ſo dieſe
Wohlthaten empfangen, als auf das Hertze
derer, ſo ſie gereichet, ſehen, und ſie davor wie-
der in Ewigkeit erquicken werde. Diejenigen
hohen Goͤnner aber, die noch leben, und die
auch noch ietzt zuweilen an mich auf gleiche
Weiſe gedencken, und deren GOTT nimmer-
mehr vergeſſen wolle, trage ich Bedencken hier
zu nennen, weil ich vermuthe, daß ſie um de-
rer willen, ſo eine gantz andere Neigung ge-
gen mich, als ſie, haben, gerne verborgen ſeyn
wollen.
Doch
L l 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/581>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.