war des jüngern Herrn D. Drechslers seine Frau Liebste, welche mich, wo ich nicht irre, Anno 1727. zu sich kommen ließ. Jch meynte, ich würde sie etwan wider das Schrecken des Todes, und der Höllen trösten, und aufrichten sollen; so aber befand ich gantz ein anders. Sie waren selbst schon mit so viel himmlischen Trost, und Versicherung von ihrer Seligkeit erfüllet, dergleichen ich mein Lebtage an keinem Sterbenden wahrgenommen, auch selbst noch nie- mahls zu einem so hohen Grade des Vor- schmacks des Himmels, und der ewigen Selig- keit gelanget bin. Sie redeten alle beyde auf einerley Weise. Sie hätten mich nicht zu sich kommen laßen, sprachen sie, irgend et- wan Trost auf ihrem Sterbe-Bette von mir zu begehren, sie wären damit in ihrem Hertzen überschwenglich erfüllet: sie hätten nur ge- wünscht vor ihrem Ende noch den zu sehen, und zu sprechen, der so offt in Predigten ihr Hertz und Seele mit himmlischer Freude erquicket, und zu ihrem Wachsthum im Christenthum, und Standhafftigkeit im Leiden, und Trübsaa- len so ein großes beygetragen. Sie wusten mir nicht genug davor Danck zu sagen, und wünschten mir so viel Gutes, als dergleichen Hertzen in solchen Umständen zu wünschen nur fähig sind.
Bey
L l
welche Liebe, und Hochachtung
war des juͤngern Herrn D. Drechslers ſeine Frau Liebſte, welche mich, wo ich nicht irre, Anno 1727. zu ſich kommen ließ. Jch meynte, ich wuͤrde ſie etwan wider das Schrecken des Todes, und der Hoͤllen troͤſten, und aufrichten ſollen; ſo aber befand ich gantz ein anders. Sie waren ſelbſt ſchon mit ſo viel himmliſchen Troſt, und Verſicherung von ihrer Seligkeit erfuͤllet, dergleichen ich mein Lebtage an keinem Sterbenden wahrgenommen, auch ſelbſt noch nie- mahls zu einem ſo hohen Grade des Vor- ſchmacks des Himmels, und der ewigen Selig- keit gelanget bin. Sie redeten alle beyde auf einerley Weiſe. Sie haͤtten mich nicht zu ſich kommen laßen, ſprachen ſie, irgend et- wan Troſt auf ihrem Sterbe-Bette von mir zu begehren, ſie waͤren damit in ihrem Hertzen uͤberſchwenglich erfuͤllet: ſie haͤtten nur ge- wuͤnſcht vor ihrem Ende noch den zu ſehen, und zu ſprechen, der ſo offt in Predigten ihr Hertz und Seele mit himmliſcher Freude erquicket, und zu ihrem Wachsthum im Chriſtenthum, und Standhafftigkeit im Leiden, und Truͤbſaa- len ſo ein großes beygetragen. Sie wuſten mir nicht genug davor Danck zu ſagen, und wuͤnſchten mir ſo viel Gutes, als dergleichen Hertzen in ſolchen Umſtaͤnden zu wuͤnſchen nur faͤhig ſind.
Bey
L l
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0575"n="529"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">welche Liebe, und Hochachtung</hi></fw><lb/>
war des juͤngern Herrn <hirendition="#aq">D.</hi> Drechslers ſeine<lb/>
Frau Liebſte, welche mich, wo ich nicht irre,<lb/><hirendition="#aq">Anno</hi> 1727. zu ſich kommen ließ. Jch meynte,<lb/>
ich wuͤrde ſie etwan wider das Schrecken des<lb/>
Todes, und der Hoͤllen troͤſten, und aufrichten<lb/>ſollen; ſo aber befand ich gantz ein anders.<lb/>
Sie waren ſelbſt ſchon mit ſo viel himmliſchen<lb/>
Troſt, und Verſicherung von ihrer Seligkeit<lb/>
erfuͤllet, dergleichen ich mein Lebtage an keinem<lb/>
Sterbenden wahrgenommen, auch ſelbſt noch nie-<lb/>
mahls zu einem ſo hohen Grade des Vor-<lb/>ſchmacks des Himmels, und der ewigen Selig-<lb/>
keit gelanget bin. Sie redeten alle beyde<lb/>
auf einerley Weiſe. Sie haͤtten mich nicht<lb/>
zu ſich kommen laßen, ſprachen ſie, irgend et-<lb/>
wan Troſt auf ihrem Sterbe-Bette von mir<lb/>
zu begehren, ſie waͤren damit in ihrem Hertzen<lb/>
uͤberſchwenglich erfuͤllet: ſie haͤtten nur ge-<lb/>
wuͤnſcht vor ihrem Ende noch den zu ſehen, und<lb/>
zu ſprechen, der ſo offt in Predigten ihr Hertz<lb/>
und Seele mit himmliſcher Freude erquicket,<lb/>
und zu ihrem Wachsthum im Chriſtenthum,<lb/>
und Standhafftigkeit im Leiden, und Truͤbſaa-<lb/>
len ſo ein großes beygetragen. Sie wuſten<lb/>
mir nicht genug davor Danck zu ſagen, und<lb/>
wuͤnſchten mir ſo viel Gutes, als dergleichen<lb/>
Hertzen in ſolchen Umſtaͤnden zu wuͤnſchen nur<lb/>
faͤhig ſind.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">L l</fw><fwplace="bottom"type="catch">Bey</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[529/0575]
welche Liebe, und Hochachtung
war des juͤngern Herrn D. Drechslers ſeine
Frau Liebſte, welche mich, wo ich nicht irre,
Anno 1727. zu ſich kommen ließ. Jch meynte,
ich wuͤrde ſie etwan wider das Schrecken des
Todes, und der Hoͤllen troͤſten, und aufrichten
ſollen; ſo aber befand ich gantz ein anders.
Sie waren ſelbſt ſchon mit ſo viel himmliſchen
Troſt, und Verſicherung von ihrer Seligkeit
erfuͤllet, dergleichen ich mein Lebtage an keinem
Sterbenden wahrgenommen, auch ſelbſt noch nie-
mahls zu einem ſo hohen Grade des Vor-
ſchmacks des Himmels, und der ewigen Selig-
keit gelanget bin. Sie redeten alle beyde
auf einerley Weiſe. Sie haͤtten mich nicht
zu ſich kommen laßen, ſprachen ſie, irgend et-
wan Troſt auf ihrem Sterbe-Bette von mir
zu begehren, ſie waͤren damit in ihrem Hertzen
uͤberſchwenglich erfuͤllet: ſie haͤtten nur ge-
wuͤnſcht vor ihrem Ende noch den zu ſehen, und
zu ſprechen, der ſo offt in Predigten ihr Hertz
und Seele mit himmliſcher Freude erquicket,
und zu ihrem Wachsthum im Chriſtenthum,
und Standhafftigkeit im Leiden, und Truͤbſaa-
len ſo ein großes beygetragen. Sie wuſten
mir nicht genug davor Danck zu ſagen, und
wuͤnſchten mir ſo viel Gutes, als dergleichen
Hertzen in ſolchen Umſtaͤnden zu wuͤnſchen nur
faͤhig ſind.
Bey
L l
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/575>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.