verzagt wäre, ergrieff auch im Zorn die Axt, und machte den Anfang die Repositoria umzu- reissen.
Jch zog also ein, wohin ich solte. Die erste Nacht kunte ich in meinem neuen Logis nicht ein Auge zuthun; denn eine Con Recto- rin, eine Wittwe, so über mir wohnte, und welche sich auch, da ich einzog, bey mir entschul- digte, wegen des Verdachts, als ob sie allerhand Leute bey sich ein- und ausgehen ließe, brachte die Nacht mit Scheuren ihrer Stube und Kammer zu, so daß das Wasser durch die Decke in meine Kammer, und auf mein Bette lieff. Jn der andern Nacht entdeckte ich Wantzen, die alleine fähig waren, mich, wer weiß, wohin zu jagen. Weil ich nun schon drey Nächte nicht geschlafen hatte, so kriegte ich die gewöhnlichen Zufälle von schwachem Haupte, und fiel in große Versuchung. Jch vermuthete starck, daß mein ungesunder Leib an solchem zaghafftem Wesen, da ich bey iedem geringen Dinge unter die Erde sincken wolte, zu- gleich Ursache seyn müste; ließ deshalben in der Messe zur Ader, da denn mein Blut wie die schwärtzte Dinte aussahe, so daß der Balbier, der mir die Ader ließ, selbst darüber erschrecken muste; worauf ich auch zugleich eine große Veränderung und Linderung im Leibe, und auch im Gemüthe verspührte. Nun rückte die Zeit
heran,
wegen kuͤnfftiger Wohnung
verzagt waͤre, ergrieff auch im Zorn die Axt, und machte den Anfang die Repoſitoria umzu- reiſſen.
Jch zog alſo ein, wohin ich ſolte. Die erſte Nacht kunte ich in meinem neuen Logis nicht ein Auge zuthun; denn eine Con Recto- rin, eine Wittwe, ſo uͤber mir wohnte, und welche ſich auch, da ich einzog, bey mir entſchul- digte, wegen des Verdachts, als ob ſie allerhand Leute bey ſich ein- und ausgehen ließe, brachte die Nacht mit Scheuren ihrer Stube und Kammer zu, ſo daß das Waſſer durch die Decke in meine Kammer, und auf mein Bette lieff. Jn der andern Nacht entdeckte ich Wantzen, die alleine faͤhig waren, mich, wer weiß, wohin zu jagen. Weil ich nun ſchon drey Naͤchte nicht geſchlafen hatte, ſo kriegte ich die gewoͤhnlichen Zufaͤlle von ſchwachem Haupte, und fiel in große Verſuchung. Jch vermuthete ſtarck, daß mein ungeſunder Leib an ſolchem zaghafftem Weſen, da ich bey iedem geringen Dinge unter die Erde ſincken wolte, zu- gleich Urſache ſeyn muͤſte; ließ deshalben in der Meſſe zur Ader, da denn mein Blut wie die ſchwaͤrtzte Dinte ausſahe, ſo daß der Balbier, der mir die Ader ließ, ſelbſt daruͤber erſchrecken muſte; worauf ich auch zugleich eine große Veraͤnderung und Linderung im Leibe, und auch im Gemuͤthe verſpuͤhrte. Nun ruͤckte die Zeit
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[514/0560]
wegen kuͤnfftiger Wohnung
verzagt waͤre, ergrieff auch im Zorn die Axt,
und machte den Anfang die Repoſitoria umzu-
reiſſen.
Jch zog alſo ein, wohin ich ſolte. Die
erſte Nacht kunte ich in meinem neuen Logis
nicht ein Auge zuthun; denn eine Con Recto-
rin, eine Wittwe, ſo uͤber mir wohnte, und
welche ſich auch, da ich einzog, bey mir entſchul-
digte, wegen des Verdachts, als ob ſie allerhand
Leute bey ſich ein- und ausgehen ließe, brachte die
Nacht mit Scheuren ihrer Stube und Kammer
zu, ſo daß das Waſſer durch die Decke in meine
Kammer, und auf mein Bette lieff. Jn der
andern Nacht entdeckte ich Wantzen, die alleine
faͤhig waren, mich, wer weiß, wohin zu jagen.
Weil ich nun ſchon drey Naͤchte nicht geſchlafen
hatte, ſo kriegte ich die gewoͤhnlichen Zufaͤlle von
ſchwachem Haupte, und fiel in große Verſuchung.
Jch vermuthete ſtarck, daß mein ungeſunder Leib
an ſolchem zaghafftem Weſen, da ich bey iedem
geringen Dinge unter die Erde ſincken wolte, zu-
gleich Urſache ſeyn muͤſte; ließ deshalben in der
Meſſe zur Ader, da denn mein Blut wie die
ſchwaͤrtzte Dinte ausſahe, ſo daß der Balbier,
der mir die Ader ließ, ſelbſt daruͤber erſchrecken
muſte; worauf ich auch zugleich eine große
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im Gemuͤthe verſpuͤhrte. Nun ruͤckte die Zeit
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/560>, abgerufen am 25.11.2024.
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