führen, ja alles Jrdische in der Welt mit dem Apostel vor Koth achtet. Jch erhielt zwar auf eine Zeit lang, was ich bat; denn an dem 10. Sonntag nach Trinitatis wurde ich mit dem Guß, und Genuß der Güte und der Gnade GOttes auf eine excessive Weise überschüttet, daß ich auch meynte, diese Neigung solle nun und nimmermehr wieder in mein Hertz kommen, und mich, so lange ich lebte, nach nichts Jr- dischem mehr dürsten, es möchte seyn was es wolte. Allein hatte dieser Teufel eine Weile geschlafen, so wachte er im October mit Mur- ren, Ungeduld, und mit expostulirenden un- willigen Gedancken über GOttes Regierung, und über den zugelaßenen unglücklichen Fall in meiner Jugend wieder auf, gerieth aber dabey in große Seelen- und Gewissens-Angst, eben deßwegen, daß ich wider GOtt ärger, als die Kinder Jsrael gemurret hatte. Und ich hatte genug zu beten, daß GOtt mir die Angst aus meiner Seelen wieder wegnahm, und mein Gemüth durch Vertrauen und Hoffnung wie- der zufrieden stellte. Jch glaube, ich würde noch länger in dieser Noth seyn stecken geblie- ben, wenn nicht eine äußerliche Versuchung dazu gekommen, und die Zeit meiner Voca- tion und Einsetzung ins Predigt-Amt mich
nicht
gereitzet, und deßwegen gezuͤchtiget:
fuͤhren, ja alles Jrdiſche in der Welt mit dem Apoſtel vor Koth achtet. Jch erhielt zwar auf eine Zeit lang, was ich bat; denn an dem 10. Sonntag nach Trinitatis wurde ich mit dem Guß, und Genuß der Guͤte und der Gnade GOttes auf eine exceſſive Weiſe uͤberſchuͤttet, daß ich auch meynte, dieſe Neigung ſolle nun und nimmermehr wieder in mein Hertz kommen, und mich, ſo lange ich lebte, nach nichts Jr- diſchem mehr duͤrſten, es moͤchte ſeyn was es wolte. Allein hatte dieſer Teufel eine Weile geſchlafen, ſo wachte er im October mit Mur- ren, Ungeduld, und mit expoſtulirenden un- willigen Gedancken uͤber GOttes Regierung, und uͤber den zugelaßenen ungluͤcklichen Fall in meiner Jugend wieder auf, gerieth aber dabey in große Seelen- und Gewiſſens-Angſt, eben deßwegen, daß ich wider GOtt aͤrger, als die Kinder Jſrael gemurret hatte. Und ich hatte genug zu beten, daß GOtt mir die Angſt aus meiner Seelen wieder wegnahm, und mein Gemuͤth durch Vertrauen und Hoffnung wie- der zufrieden ſtellte. Jch glaube, ich wuͤrde noch laͤnger in dieſer Noth ſeyn ſtecken geblie- ben, wenn nicht eine aͤußerliche Verſuchung dazu gekommen, und die Zeit meiner Voca- tion und Einſetzung ins Predigt-Amt mich
nicht
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0541"n="495"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">gereitzet, und deßwegen gezuͤchtiget:</hi></fw><lb/>
fuͤhren, ja alles Jrdiſche in der Welt mit dem<lb/>
Apoſtel vor Koth achtet. Jch erhielt zwar<lb/>
auf eine Zeit lang, was ich bat; denn an dem<lb/>
10. Sonntag nach <hirendition="#aq">Trinitatis</hi> wurde ich mit dem<lb/>
Guß, und Genuß der Guͤte und der Gnade<lb/>
GOttes auf eine <hirendition="#aq">exceſſive</hi> Weiſe uͤberſchuͤttet,<lb/>
daß ich auch meynte, dieſe Neigung ſolle nun<lb/>
und nimmermehr wieder in mein Hertz kommen,<lb/>
und mich, ſo lange ich lebte, nach nichts Jr-<lb/>
diſchem mehr duͤrſten, es moͤchte ſeyn was es<lb/>
wolte. Allein hatte dieſer Teufel eine Weile<lb/>
geſchlafen, ſo wachte er im <hirendition="#aq">October</hi> mit Mur-<lb/>
ren, Ungeduld, und mit <hirendition="#aq">expoſtuli</hi>renden un-<lb/>
willigen Gedancken uͤber GOttes Regierung,<lb/>
und uͤber den zugelaßenen ungluͤcklichen Fall in<lb/>
meiner Jugend wieder auf, gerieth aber dabey<lb/>
in große Seelen- und Gewiſſens-Angſt, eben<lb/>
deßwegen, daß ich wider GOtt aͤrger, als die<lb/>
Kinder Jſrael gemurret hatte. Und ich<lb/>
hatte genug zu beten, daß GOtt mir die Angſt<lb/>
aus meiner Seelen wieder wegnahm, und mein<lb/>
Gemuͤth durch Vertrauen und Hoffnung wie-<lb/>
der zufrieden ſtellte. Jch glaube, ich wuͤrde<lb/>
noch laͤnger in dieſer Noth ſeyn ſtecken geblie-<lb/>
ben, wenn nicht eine aͤußerliche Verſuchung<lb/>
dazu gekommen, und die Zeit meiner <hirendition="#aq">Voca-<lb/>
tion</hi> und Einſetzung ins Predigt-Amt mich<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nicht</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[495/0541]
gereitzet, und deßwegen gezuͤchtiget:
fuͤhren, ja alles Jrdiſche in der Welt mit dem
Apoſtel vor Koth achtet. Jch erhielt zwar
auf eine Zeit lang, was ich bat; denn an dem
10. Sonntag nach Trinitatis wurde ich mit dem
Guß, und Genuß der Guͤte und der Gnade
GOttes auf eine exceſſive Weiſe uͤberſchuͤttet,
daß ich auch meynte, dieſe Neigung ſolle nun
und nimmermehr wieder in mein Hertz kommen,
und mich, ſo lange ich lebte, nach nichts Jr-
diſchem mehr duͤrſten, es moͤchte ſeyn was es
wolte. Allein hatte dieſer Teufel eine Weile
geſchlafen, ſo wachte er im October mit Mur-
ren, Ungeduld, und mit expoſtulirenden un-
willigen Gedancken uͤber GOttes Regierung,
und uͤber den zugelaßenen ungluͤcklichen Fall in
meiner Jugend wieder auf, gerieth aber dabey
in große Seelen- und Gewiſſens-Angſt, eben
deßwegen, daß ich wider GOtt aͤrger, als die
Kinder Jſrael gemurret hatte. Und ich
hatte genug zu beten, daß GOtt mir die Angſt
aus meiner Seelen wieder wegnahm, und mein
Gemuͤth durch Vertrauen und Hoffnung wie-
der zufrieden ſtellte. Jch glaube, ich wuͤrde
noch laͤnger in dieſer Noth ſeyn ſtecken geblie-
ben, wenn nicht eine aͤußerliche Verſuchung
dazu gekommen, und die Zeit meiner Voca-
tion und Einſetzung ins Predigt-Amt mich
nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/541>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.