diejenigen unweißlich und unverantwortlich an mir gehandelt, die mich zuerst vor einen solchen Thor ausgeschryen, als ob ich mir kranck zu seyn nur einbildete, es mögen dieselben nun gewesen seyn, wer sie wollen.
Und gesetzt, es wäre nur eine bloße Einbil- dung bey mir gewesen; so ist es ja eine recht un- vernünfftige und unchristliche Sache, einen sol- chen armen Menschen, der an bloßer Einbildung kranck ist, als einen Narren auszulachen, und ihn zum Gauckel-Spiel vor den Leuten darzu- stellen. Wilst du ein Medicus, oder ein Phi- losophus seyn, so curire doch lieber einen solchen armen Menschen von seiner Gemüths-Kranck- heit. Wer sich einbildet, daß er kranck ist, der statuiret und schliesset, daß er kranck sey. Da er aber keine Bestie, sondern ein vernünfftiger Mensch ist, so kan er solches unmöglich anders schließen, als er muß medios terminos und ra- tiones zum Grunde haben, aus welchen er die Conclusion ziehet, daß er kranck sey. Wohl- an! so zeige ihm denn, daß seine Rationes null und nichtig sind, und gar nicht beweisen, was sie beweisen sollen. Denn damit ist einem sol- chen armen Menschen nicht geholffen, daß du zu ihm sagest, er bilde sich nur ein, er wäre kranck: und wenn du tausend Eyde dazu schwürest, da- durch würdest du ihn nicht von seinem irrigen
Wahn
da doch Merckmaale genung
diejenigen unweißlich und unverantwortlich an mir gehandelt, die mich zuerſt vor einen ſolchen Thor ausgeſchryen, als ob ich mir kranck zu ſeyn nur einbildete, es moͤgen dieſelben nun geweſen ſeyn, wer ſie wollen.
Und geſetzt, es waͤre nur eine bloße Einbil- dung bey mir geweſen; ſo iſt es ja eine recht un- vernuͤnfftige und unchriſtliche Sache, einen ſol- chen armen Menſchen, der an bloßer Einbildung kranck iſt, als einen Narren auszulachen, und ihn zum Gauckel-Spiel vor den Leuten darzu- ſtellen. Wilſt du ein Medicus, oder ein Phi- loſophus ſeyn, ſo curire doch lieber einen ſolchen armen Menſchen von ſeiner Gemuͤths-Kranck- heit. Wer ſich einbildet, daß er kranck iſt, der ſtatuiret und ſchlieſſet, daß er kranck ſey. Da er aber keine Beſtie, ſondern ein vernuͤnfftiger Menſch iſt, ſo kan er ſolches unmoͤglich anders ſchließen, als er muß medios terminos und ra- tiones zum Grunde haben, aus welchen er die Concluſion ziehet, daß er kranck ſey. Wohl- an! ſo zeige ihm denn, daß ſeine Rationes null und nichtig ſind, und gar nicht beweiſen, was ſie beweiſen ſollen. Denn damit iſt einem ſol- chen armen Menſchen nicht geholffen, daß du zu ihm ſageſt, er bilde ſich nur ein, er waͤre kranck: und wenn du tauſend Eyde dazu ſchwuͤreſt, da- durch wuͤrdeſt du ihn nicht von ſeinem irrigen
Wahn
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0524"n="478"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">da doch Merckmaale genung</hi></fw><lb/>
diejenigen unweißlich und unverantwortlich an<lb/>
mir gehandelt, die mich zuerſt vor einen ſolchen<lb/>
Thor ausgeſchryen, als ob ich mir kranck zu ſeyn<lb/>
nur einbildete, es moͤgen dieſelben nun geweſen<lb/>ſeyn, wer ſie wollen.</p><lb/><p>Und geſetzt, es waͤre nur eine bloße Einbil-<lb/>
dung bey mir geweſen; ſo iſt es ja eine recht un-<lb/>
vernuͤnfftige und unchriſtliche Sache, einen ſol-<lb/>
chen armen Menſchen, der an bloßer Einbildung<lb/>
kranck iſt, als einen Narren auszulachen, und<lb/>
ihn zum Gauckel-Spiel vor den Leuten darzu-<lb/>ſtellen. Wilſt du ein <hirendition="#aq">Medicus,</hi> oder ein <hirendition="#aq">Phi-<lb/>
loſophus</hi>ſeyn, ſo <hirendition="#aq">curi</hi>re doch lieber einen ſolchen<lb/>
armen Menſchen von ſeiner Gemuͤths-Kranck-<lb/>
heit. Wer ſich einbildet, daß er kranck iſt,<lb/>
der <hirendition="#aq">ſtatui</hi>ret und ſchlieſſet, daß er kranck ſey. Da<lb/>
er aber keine <hirendition="#aq">Beſtie,</hi>ſondern ein vernuͤnfftiger<lb/>
Menſch iſt, ſo kan er ſolches unmoͤglich anders<lb/>ſchließen, als er muß <hirendition="#aq">medios terminos</hi> und <hirendition="#aq">ra-<lb/>
tiones</hi> zum Grunde haben, aus welchen er die<lb/><hirendition="#aq">Concluſion</hi> ziehet, daß er kranck ſey. Wohl-<lb/>
an! ſo zeige ihm denn, daß ſeine <hirendition="#aq">Rationes null</hi><lb/>
und nichtig ſind, und gar nicht beweiſen, was<lb/>ſie beweiſen ſollen. Denn damit iſt einem ſol-<lb/>
chen armen Menſchen nicht geholffen, daß du zu<lb/>
ihm ſageſt, er bilde ſich nur ein, er waͤre kranck:<lb/>
und wenn du tauſend Eyde dazu ſchwuͤreſt, da-<lb/>
durch wuͤrdeſt du ihn nicht von ſeinem irrigen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Wahn</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[478/0524]
da doch Merckmaale genung
diejenigen unweißlich und unverantwortlich an
mir gehandelt, die mich zuerſt vor einen ſolchen
Thor ausgeſchryen, als ob ich mir kranck zu ſeyn
nur einbildete, es moͤgen dieſelben nun geweſen
ſeyn, wer ſie wollen.
Und geſetzt, es waͤre nur eine bloße Einbil-
dung bey mir geweſen; ſo iſt es ja eine recht un-
vernuͤnfftige und unchriſtliche Sache, einen ſol-
chen armen Menſchen, der an bloßer Einbildung
kranck iſt, als einen Narren auszulachen, und
ihn zum Gauckel-Spiel vor den Leuten darzu-
ſtellen. Wilſt du ein Medicus, oder ein Phi-
loſophus ſeyn, ſo curire doch lieber einen ſolchen
armen Menſchen von ſeiner Gemuͤths-Kranck-
heit. Wer ſich einbildet, daß er kranck iſt,
der ſtatuiret und ſchlieſſet, daß er kranck ſey. Da
er aber keine Beſtie, ſondern ein vernuͤnfftiger
Menſch iſt, ſo kan er ſolches unmoͤglich anders
ſchließen, als er muß medios terminos und ra-
tiones zum Grunde haben, aus welchen er die
Concluſion ziehet, daß er kranck ſey. Wohl-
an! ſo zeige ihm denn, daß ſeine Rationes null
und nichtig ſind, und gar nicht beweiſen, was
ſie beweiſen ſollen. Denn damit iſt einem ſol-
chen armen Menſchen nicht geholffen, daß du zu
ihm ſageſt, er bilde ſich nur ein, er waͤre kranck:
und wenn du tauſend Eyde dazu ſchwuͤreſt, da-
durch wuͤrdeſt du ihn nicht von ſeinem irrigen
Wahn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/524>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.