mand im Umgange nicht trauen wolte, so sagte ich noch dazu im Schertz: Jhr habt mit ei- nem Menschen zu thun, der nun in allem ge- rade zugehet, ob mir wol im Hertzen gar an- ders, und wegen meines Zustandes offters bange genug war. Der Motus tonicus war in allen Gliedern weg, Beine, und Arme, und alles wurde am Leibe schlapp; und was mich am meisten bekümmerte, war das zuse- hende Abnehmen am Leibe. Es kamen Adern herfür, wo ich in meinem Leibe noch kei- ne gesehen hatte. Von denen Adern, wel- che ietzt auf meinen Händen unzehlig sind, war noch keine einzige zu spühren. Jch war vor- hin fett, völlig im Gesichte, in Armen, und im gantzen Leibe gewesen, und nun fieng ich an täglich zu sterben, und bey lebendigem Leibe zu verwesen. Mein Geld, so ich durch die Col- legia gesammlet, kriegte auch die Schwind- sucht, und nahm zusehens ab, weil ich alle Col- legia aufgeben muste. Die Lunge war so schwach, und das Reden wurde mir so sauer, so daß, wenn ich nur einen von ferne kommen sahe, der mit mir reden wolte, mir die Lunge schon wehe zu thun anfieng: beynahe wie die Gichtbrüchtigen, die schon zu schreyen anfan- gen, ehe man sie noch anrühret, so offt sie vor- her sehen, daß man sie anrühren werde.
Die
die ihn abmatten,
mand im Umgange nicht trauen wolte, ſo ſagte ich noch dazu im Schertz: Jhr habt mit ei- nem Menſchen zu thun, der nun in allem ge- rade zugehet, ob mir wol im Hertzen gar an- ders, und wegen meines Zuſtandes offters bange genug war. Der Motus tonicus war in allen Gliedern weg, Beine, und Arme, und alles wurde am Leibe ſchlapp; und was mich am meiſten bekuͤmmerte, war das zuſe- hende Abnehmen am Leibe. Es kamen Adern herfuͤr, wo ich in meinem Leibe noch kei- ne geſehen hatte. Von denen Adern, wel- che ietzt auf meinen Haͤnden unzehlig ſind, war noch keine einzige zu ſpuͤhren. Jch war vor- hin fett, voͤllig im Geſichte, in Armen, und im gantzen Leibe geweſen, und nun fieng ich an taͤglich zu ſterben, und bey lebendigem Leibe zu verweſen. Mein Geld, ſo ich durch die Col- legia geſammlet, kriegte auch die Schwind- ſucht, und nahm zuſehens ab, weil ich alle Col- legia aufgeben muſte. Die Lunge war ſo ſchwach, und das Reden wurde mir ſo ſauer, ſo daß, wenn ich nur einen von ferne kommen ſahe, der mit mir reden wolte, mir die Lunge ſchon wehe zu thun anfieng: beynahe wie die Gichtbruͤchtigen, die ſchon zu ſchreyen anfan- gen, ehe man ſie noch anruͤhret, ſo offt ſie vor- her ſehen, daß man ſie anruͤhren werde.
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die ihn abmatten,
mand im Umgange nicht trauen wolte, ſo ſagte
ich noch dazu im Schertz: Jhr habt mit ei-
nem Menſchen zu thun, der nun in allem ge-
rade zugehet, ob mir wol im Hertzen gar an-
ders, und wegen meines Zuſtandes offters
bange genug war. Der Motus tonicus war
in allen Gliedern weg, Beine, und Arme,
und alles wurde am Leibe ſchlapp; und was
mich am meiſten bekuͤmmerte, war das zuſe-
hende Abnehmen am Leibe. Es kamen
Adern herfuͤr, wo ich in meinem Leibe noch kei-
ne geſehen hatte. Von denen Adern, wel-
che ietzt auf meinen Haͤnden unzehlig ſind, war
noch keine einzige zu ſpuͤhren. Jch war vor-
hin fett, voͤllig im Geſichte, in Armen, und im
gantzen Leibe geweſen, und nun fieng ich an
taͤglich zu ſterben, und bey lebendigem Leibe zu
verweſen. Mein Geld, ſo ich durch die Col-
legia geſammlet, kriegte auch die Schwind-
ſucht, und nahm zuſehens ab, weil ich alle Col-
legia aufgeben muſte. Die Lunge war ſo
ſchwach, und das Reden wurde mir ſo ſauer,
ſo daß, wenn ich nur einen von ferne kommen
ſahe, der mit mir reden wolte, mir die Lunge
ſchon wehe zu thun anfieng: beynahe wie die
Gichtbruͤchtigen, die ſchon zu ſchreyen anfan-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/514>, abgerufen am 22.11.2024.
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