male und Ausbrüche von Melancholie die gantze Zeit meines Lebens bey mir wahrgenommen, gleich- wol wenig, oder gar nicht zum Geitz, der sonst von den Sitten-Lehrern vor einen unzertrennlichen Gefährten der Melancholie ausgegeben wird, geneigt, sondern vielmehr iederzeit, vielleicht mei- stens aus Sanguinischer und natürlicher Weich- hertzigkeit den Armen Gutes zu thun, bereitwillig, und in meinen Mitteln und Gütern, so mir GOtt gegeben, bey aller Sparsamkeit, die mir ange- hangen, doch auch offters sehr verschwenderisch gewesen. Dem sey nun, wie ihm wolle, so wür- dest du irren, woferne du mich pro pure melan- cholico halten woltest. Denn so schwartz auch immer meine Galle, und so verstopfft auch in den meisten Zeiten mein Mesenterium und Miltz, und so kalt und trocken mein Geblüte mag gewesen seyn; so wissen doch diejenigen, so mich kennen, mehr als zu wohl, daß an den bekannten Virtuti- bus Homileticis, so nach Aristotelis Morale die Conversation und Umgang mit andern Men- schen lieblich und angenehm machen, bey mir nie- mals ein Mangel gewesen, und daß ich in Freud und Schertz, und lustigen Einfällen, iederzeit eher zu viel, als zu wenig gethan; ich will nicht geden- cken, daßman mir einst so gar Schuld geben wollen, als ob ich meine Zuhörer zum Lachen zu bewegen
gesucht
A 3
eigne Lebens-Beſchreibung.
male und Ausbruͤche von Melancholie die gantze Zeit meines Lebens bey mir wahrgenommen, gleich- wol wenig, oder gar nicht zum Geitz, der ſonſt von den Sitten-Lehrern vor einen unzertrennlichen Gefaͤhrten der Melancholie ausgegeben wird, geneigt, ſondern vielmehr iederzeit, vielleicht mei- ſtens aus Sanguiniſcher und natuͤrlicher Weich- hertzigkeit den Armen Gutes zu thun, bereitwillig, und in meinen Mitteln und Guͤtern, ſo mir GOtt gegeben, bey aller Sparſamkeit, die mir ange- hangen, doch auch offters ſehr verſchwenderiſch geweſen. Dem ſey nun, wie ihm wolle, ſo wuͤr- deſt du irren, woferne du mich pro pure melan- cholico halten wolteſt. Denn ſo ſchwartz auch immer meine Galle, und ſo verſtopfft auch in den meiſten Zeiten mein Meſenterium und Miltz, und ſo kalt und trocken mein Gebluͤte mag geweſen ſeyn; ſo wiſſen doch diejenigen, ſo mich kennen, mehr als zu wohl, daß an den bekannten Virtuti- bus Homileticis, ſo nach Ariſtotelis Morale die Converſation und Umgang mit andern Men- ſchen lieblich und angenehm machen, bey mir nie- mals ein Mangel geweſen, und daß ich in Freud und Schertz, und luſtigen Einfaͤllen, iederzeit eher zu viel, als zu wenig gethan; ich will nicht geden- cken, daßman mir einſt ſo gar Schuld geben wollen, als ob ich meine Zuhoͤrer zum Lachen zu bewegen
geſucht
A 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0051"n="5"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">eigne Lebens-Beſchreibung.</hi></fw><lb/>
male und Ausbruͤche von <hirendition="#aq">Melancholie</hi> die gantze<lb/>
Zeit meines Lebens bey mir wahrgenommen, gleich-<lb/>
wol wenig, oder gar nicht zum Geitz, der ſonſt<lb/>
von den Sitten-Lehrern vor einen unzertrennlichen<lb/>
Gefaͤhrten der <hirendition="#aq">Melancholie</hi> ausgegeben wird,<lb/>
geneigt, ſondern vielmehr iederzeit, vielleicht mei-<lb/>ſtens aus <hirendition="#aq">Sanguini</hi>ſcher und natuͤrlicher Weich-<lb/>
hertzigkeit den Armen Gutes zu thun, bereitwillig,<lb/>
und in meinen Mitteln und Guͤtern, ſo mir GOtt<lb/>
gegeben, bey aller Sparſamkeit, die mir ange-<lb/>
hangen, doch auch offters ſehr verſchwenderiſch<lb/>
geweſen. Dem ſey nun, wie ihm wolle, ſo wuͤr-<lb/>
deſt du irren, woferne du mich <hirendition="#aq">pro pure melan-<lb/>
cholico</hi> halten wolteſt. Denn ſo ſchwartz auch<lb/>
immer meine Galle, und ſo verſtopfft auch in den<lb/>
meiſten Zeiten mein <hirendition="#aq">Meſenterium</hi> und Miltz, und<lb/>ſo kalt und trocken mein Gebluͤte mag geweſen<lb/>ſeyn; ſo wiſſen doch diejenigen, ſo mich kennen,<lb/>
mehr als zu wohl, daß an den bekannten <hirendition="#aq">Virtuti-<lb/>
bus Homileticis,</hi>ſo nach <hirendition="#aq">Ariſtotelis Moral</hi>e die<lb/><hirendition="#aq">Converſation</hi> und Umgang mit andern Men-<lb/>ſchen lieblich und angenehm machen, bey mir nie-<lb/>
mals ein Mangel geweſen, und daß ich in Freud<lb/>
und Schertz, und luſtigen Einfaͤllen, iederzeit eher<lb/>
zu viel, als zu wenig gethan; ich will nicht geden-<lb/>
cken, daßman mir einſt ſo gar Schuld geben wollen,<lb/>
als ob ich meine Zuhoͤrer zum Lachen zu bewegen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">geſucht</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[5/0051]
eigne Lebens-Beſchreibung.
male und Ausbruͤche von Melancholie die gantze
Zeit meines Lebens bey mir wahrgenommen, gleich-
wol wenig, oder gar nicht zum Geitz, der ſonſt
von den Sitten-Lehrern vor einen unzertrennlichen
Gefaͤhrten der Melancholie ausgegeben wird,
geneigt, ſondern vielmehr iederzeit, vielleicht mei-
ſtens aus Sanguiniſcher und natuͤrlicher Weich-
hertzigkeit den Armen Gutes zu thun, bereitwillig,
und in meinen Mitteln und Guͤtern, ſo mir GOtt
gegeben, bey aller Sparſamkeit, die mir ange-
hangen, doch auch offters ſehr verſchwenderiſch
geweſen. Dem ſey nun, wie ihm wolle, ſo wuͤr-
deſt du irren, woferne du mich pro pure melan-
cholico halten wolteſt. Denn ſo ſchwartz auch
immer meine Galle, und ſo verſtopfft auch in den
meiſten Zeiten mein Meſenterium und Miltz, und
ſo kalt und trocken mein Gebluͤte mag geweſen
ſeyn; ſo wiſſen doch diejenigen, ſo mich kennen,
mehr als zu wohl, daß an den bekannten Virtuti-
bus Homileticis, ſo nach Ariſtotelis Morale die
Converſation und Umgang mit andern Men-
ſchen lieblich und angenehm machen, bey mir nie-
mals ein Mangel geweſen, und daß ich in Freud
und Schertz, und luſtigen Einfaͤllen, iederzeit eher
zu viel, als zu wenig gethan; ich will nicht geden-
cken, daßman mir einſt ſo gar Schuld geben wollen,
als ob ich meine Zuhoͤrer zum Lachen zu bewegen
geſucht
A 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/51>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.