Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

nach Wittenberg,
die Eilffte Stunde war, und ich wuste, daß er
sich diese Stunde sprechen ließe, so ließ ich mich
bey ihm melden. Jch kam ihm zu gelegener
Zeit, und discurirte beynahe eine gantze Stunde
mit ihm. Erzehlte ihm die Avanturen in
Breßlau mit Inspector Neumannen, und wie
er nun durch Keppels Mangel der Klugheit ein
scharffer Anti Spenerianer geworden. Er hörte
mir mit großem Vergnügen zu; und, da ihm eben
einfiel, daß nahe bey Sorau eine Dorff-Pfarr
vacant wäre, wozu er ein Subjectum vorschlagen
solte, so offerirte er mir solche, mit dem Bedeu-
ten, daferne ich dieselbe anzunehmen gesonnen,
so solte ich nur zu Herr Justino Toelnern gehen,
und sagen, daß ich mit ihm gesprochen, und auf
sein Geheiß zu ihm käme. Jch gieng zu ihm,
habe aber mein Tage keinen wunderlichern Mann
gesehen. Jch war ihm viel zu munter, und sahe ihm
viel zu fröhlich aus, als daß er mich hätte zum Pre-
digt-Amt vor tüchtig halten sollen. Die Peruque,
die ich trug, war nicht nur zu groß, sondern hatte
auch noch zu viel Poudre, und es fehlte nicht
viel, so wären wir bald über dem Disput von
Mittel-Dingen mit einander in Zanck gerathen.
Jch war nicht klug, und listig genug gewesen, und
hätte gantz einen andern Air annehmen, und
ohngefehr wie der Tartuffe bey dem Moliere
gantz langsam reden sollen. So aber schien ich

ihm

nach Wittenberg,
die Eilffte Stunde war, und ich wuſte, daß er
ſich dieſe Stunde ſprechen ließe, ſo ließ ich mich
bey ihm melden. Jch kam ihm zu gelegener
Zeit, und diſcurirte beynahe eine gantze Stunde
mit ihm. Erzehlte ihm die Avanturen in
Breßlau mit Inſpector Neumannen, und wie
er nun durch Keppels Mangel der Klugheit ein
ſcharffer Anti Spenerianer geworden. Er hoͤrte
mir mit großem Vergnuͤgen zu; und, da ihm eben
einfiel, daß nahe bey Sorau eine Dorff-Pfarr
vacant waͤre, wozu er ein Subjectum vorſchlagen
ſolte, ſo offerirte er mir ſolche, mit dem Bedeu-
ten, daferne ich dieſelbe anzunehmen geſonnen,
ſo ſolte ich nur zu Herr Juſtino Tœlnern gehen,
und ſagen, daß ich mit ihm geſprochen, und auf
ſein Geheiß zu ihm kaͤme. Jch gieng zu ihm,
habe aber mein Tage keinen wunderlichern Mann
geſehen. Jch war ihm viel zu munter, und ſahe ihm
viel zu froͤhlich aus, als daß er mich haͤtte zum Pre-
digt-Amt vor tuͤchtig halten ſollen. Die Peruque,
die ich trug, war nicht nur zu groß, ſondern hatte
auch noch zu viel Poudre, und es fehlte nicht
viel, ſo waͤren wir bald uͤber dem Diſput von
Mittel-Dingen mit einander in Zanck gerathen.
Jch war nicht klug, und liſtig genug geweſen, und
haͤtte gantz einen andern Air annehmen, und
ohngefehr wie der Tartuffe bey dem Moliere
gantz langſam reden ſollen. So aber ſchien ich

ihm
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0494" n="448"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">nach Wittenberg,</hi></fw><lb/>
die Eilffte Stunde war, und ich wu&#x017F;te, daß er<lb/>
&#x017F;ich die&#x017F;e Stunde &#x017F;prechen ließe, &#x017F;o ließ ich mich<lb/>
bey ihm melden. Jch kam ihm zu gelegener<lb/>
Zeit, und <hi rendition="#aq">di&#x017F;curi</hi>rte beynahe eine gantze Stunde<lb/>
mit ihm. Erzehlte ihm die <hi rendition="#aq">Avantu</hi>ren in<lb/>
Breßlau mit <hi rendition="#aq">In&#x017F;pector</hi> Neumannen, und wie<lb/>
er nun durch Keppels Mangel der Klugheit ein<lb/>
&#x017F;charffer <hi rendition="#aq">Anti Spenerian</hi>er geworden. Er ho&#x0364;rte<lb/>
mir mit großem Vergnu&#x0364;gen zu; und, da ihm eben<lb/>
einfiel, daß nahe bey Sorau eine Dorff-Pfarr<lb/><hi rendition="#aq">vacant</hi> wa&#x0364;re, wozu er ein <hi rendition="#aq">Subjectum</hi> vor&#x017F;chlagen<lb/>
&#x017F;olte, &#x017F;o <hi rendition="#aq">offeri</hi>rte er mir &#x017F;olche, mit dem Bedeu-<lb/>
ten, daferne ich die&#x017F;elbe anzunehmen ge&#x017F;onnen,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;olte ich nur zu Herr <hi rendition="#aq">Ju&#x017F;tino T&#x0153;lnern</hi> gehen,<lb/>
und &#x017F;agen, daß ich mit ihm ge&#x017F;prochen, und auf<lb/>
&#x017F;ein Geheiß zu ihm ka&#x0364;me. Jch gieng zu ihm,<lb/>
habe aber mein Tage keinen wunderlichern Mann<lb/>
ge&#x017F;ehen. Jch war ihm viel zu munter, und &#x017F;ahe ihm<lb/>
viel zu fro&#x0364;hlich aus, als daß er mich ha&#x0364;tte zum Pre-<lb/>
digt-Amt vor tu&#x0364;chtig halten &#x017F;ollen. Die <hi rendition="#aq">Peruque,</hi><lb/>
die ich trug, war nicht nur zu groß, &#x017F;ondern hatte<lb/>
auch noch zu viel <hi rendition="#aq">Poudre,</hi> und es fehlte nicht<lb/>
viel, &#x017F;o wa&#x0364;ren wir bald u&#x0364;ber dem <hi rendition="#aq">Di&#x017F;put</hi> von<lb/>
Mittel-Dingen mit einander in Zanck gerathen.<lb/>
Jch war nicht klug, und li&#x017F;tig genug gewe&#x017F;en, und<lb/>
ha&#x0364;tte gantz einen andern <hi rendition="#aq">Air</hi> annehmen, und<lb/>
ohngefehr wie der <hi rendition="#aq">Tartuffe</hi> bey dem <hi rendition="#aq">Moliere</hi><lb/>
gantz lang&#x017F;am reden &#x017F;ollen. So aber &#x017F;chien ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihm</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[448/0494] nach Wittenberg, die Eilffte Stunde war, und ich wuſte, daß er ſich dieſe Stunde ſprechen ließe, ſo ließ ich mich bey ihm melden. Jch kam ihm zu gelegener Zeit, und diſcurirte beynahe eine gantze Stunde mit ihm. Erzehlte ihm die Avanturen in Breßlau mit Inſpector Neumannen, und wie er nun durch Keppels Mangel der Klugheit ein ſcharffer Anti Spenerianer geworden. Er hoͤrte mir mit großem Vergnuͤgen zu; und, da ihm eben einfiel, daß nahe bey Sorau eine Dorff-Pfarr vacant waͤre, wozu er ein Subjectum vorſchlagen ſolte, ſo offerirte er mir ſolche, mit dem Bedeu- ten, daferne ich dieſelbe anzunehmen geſonnen, ſo ſolte ich nur zu Herr Juſtino Tœlnern gehen, und ſagen, daß ich mit ihm geſprochen, und auf ſein Geheiß zu ihm kaͤme. Jch gieng zu ihm, habe aber mein Tage keinen wunderlichern Mann geſehen. Jch war ihm viel zu munter, und ſahe ihm viel zu froͤhlich aus, als daß er mich haͤtte zum Pre- digt-Amt vor tuͤchtig halten ſollen. Die Peruque, die ich trug, war nicht nur zu groß, ſondern hatte auch noch zu viel Poudre, und es fehlte nicht viel, ſo waͤren wir bald uͤber dem Diſput von Mittel-Dingen mit einander in Zanck gerathen. Jch war nicht klug, und liſtig genug geweſen, und haͤtte gantz einen andern Air annehmen, und ohngefehr wie der Tartuffe bey dem Moliere gantz langſam reden ſollen. So aber ſchien ich ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/494
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/494>, abgerufen am 22.11.2024.