Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

verliehrt einen guten Freund,
Verlust dieses Herrn Hartmanns. Er hatte
etwas an sich, um welches willen man ihn nur
allzu gerne um sich hatte. Der Amor com-
placentiae,
der bey einem guten Freunde sich
befindet, hat eine große Krafft, einem das
Hertze zu nehmen. Man ist selten, ja nie-
mahls zufrieden, wo man nur von einem gelie-
bet wird amore concupiscentiae, und um des
Nutzens willen, dergleichen Liebe die sogenann-
ten Sauff-Freunde haben; man verlanget
auch amorem complacentiae, und will gerne
von seinem Freunde, wenn schon eben nicht
hoch, doch werth geachtet, und in dem, was
man redet, oder thut, approbiret werden.
Es ist solches auch nicht allemahl bald Ambi-
tion,
und als ein Hochmuth, sondern als ein
solches Vergnügen, das sich noch wol entschul-
digen läst, anzusehen, so offt man wahrnimmt,
daß auch unsere geringe Gaben und Perfectio-
nes
von dem andern recht geschätzet, und mit
Wohlgefallen erkannt werden. Das konte
dieser Hartmann; wiewohl ich nicht weiß, ob
es ihm allemahl vom Hertzen gegangen, und
ob nicht viel Verstellung mit untergelauffen.
Doch wie es in der Welt herzugehen pfleget,
wer nicht ohne einen guten Freund leben kan,
findet bey Verlust des einen leicht einen andern;
und wenn er einen auch nicht sogleich findet, so

hat

verliehrt einen guten Freund,
Verluſt dieſes Herrn Hartmanns. Er hatte
etwas an ſich, um welches willen man ihn nur
allzu gerne um ſich hatte. Der Amor com-
placentiæ,
der bey einem guten Freunde ſich
befindet, hat eine große Krafft, einem das
Hertze zu nehmen. Man iſt ſelten, ja nie-
mahls zufrieden, wo man nur von einem gelie-
bet wird amore concupiſcentiæ, und um des
Nutzens willen, dergleichen Liebe die ſogenann-
ten Sauff-Freunde haben; man verlanget
auch amorem complacentiæ, und will gerne
von ſeinem Freunde, wenn ſchon eben nicht
hoch, doch werth geachtet, und in dem, was
man redet, oder thut, approbiret werden.
Es iſt ſolches auch nicht allemahl bald Ambi-
tion,
und als ein Hochmuth, ſondern als ein
ſolches Vergnuͤgen, das ſich noch wol entſchul-
digen laͤſt, anzuſehen, ſo offt man wahrnimmt,
daß auch unſere geringe Gaben und Perfectio-
nes
von dem andern recht geſchaͤtzet, und mit
Wohlgefallen erkannt werden. Das konte
dieſer Hartmann; wiewohl ich nicht weiß, ob
es ihm allemahl vom Hertzen gegangen, und
ob nicht viel Verſtellung mit untergelauffen.
Doch wie es in der Welt herzugehen pfleget,
wer nicht ohne einen guten Freund leben kan,
findet bey Verluſt des einen leicht einen andern;
und wenn er einen auch nicht ſogleich findet, ſo

hat
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0484" n="438"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">verliehrt einen guten Freund,</hi></fw><lb/>
Verlu&#x017F;t die&#x017F;es Herrn Hartmanns. Er hatte<lb/>
etwas an &#x017F;ich, um welches willen man ihn nur<lb/>
allzu gerne um &#x017F;ich hatte. Der <hi rendition="#aq">Amor com-<lb/>
placentiæ,</hi> der bey einem guten Freunde &#x017F;ich<lb/>
befindet, hat eine große Krafft, einem das<lb/>
Hertze zu nehmen. Man i&#x017F;t &#x017F;elten, ja nie-<lb/>
mahls zufrieden, wo man nur von einem gelie-<lb/>
bet wird <hi rendition="#aq">amore concupi&#x017F;centiæ,</hi> und um des<lb/>
Nutzens willen, dergleichen Liebe die &#x017F;ogenann-<lb/>
ten Sauff-Freunde haben; man verlanget<lb/>
auch <hi rendition="#aq">amorem complacentiæ,</hi> und will gerne<lb/>
von &#x017F;einem Freunde, wenn &#x017F;chon eben nicht<lb/>
hoch, doch werth geachtet, und in dem, was<lb/>
man redet, oder thut, <hi rendition="#aq">approbi</hi>ret werden.<lb/>
Es i&#x017F;t &#x017F;olches auch nicht allemahl bald <hi rendition="#aq">Ambi-<lb/>
tion,</hi> und als ein Hochmuth, &#x017F;ondern als ein<lb/>
&#x017F;olches Vergnu&#x0364;gen, das &#x017F;ich noch wol ent&#x017F;chul-<lb/>
digen la&#x0364;&#x017F;t, anzu&#x017F;ehen, &#x017F;o offt man wahrnimmt,<lb/>
daß auch un&#x017F;ere geringe Gaben und <hi rendition="#aq">Perfectio-<lb/>
nes</hi> von dem andern recht ge&#x017F;cha&#x0364;tzet, und mit<lb/>
Wohlgefallen erkannt werden. Das konte<lb/>
die&#x017F;er Hartmann; wiewohl ich nicht weiß, ob<lb/>
es ihm allemahl vom Hertzen gegangen, und<lb/>
ob nicht viel Ver&#x017F;tellung mit untergelauffen.<lb/>
Doch wie es in der Welt herzugehen pfleget,<lb/>
wer nicht ohne einen guten Freund leben kan,<lb/>
findet bey Verlu&#x017F;t des einen leicht einen andern;<lb/>
und wenn er einen auch nicht &#x017F;ogleich findet, &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hat</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[438/0484] verliehrt einen guten Freund, Verluſt dieſes Herrn Hartmanns. Er hatte etwas an ſich, um welches willen man ihn nur allzu gerne um ſich hatte. Der Amor com- placentiæ, der bey einem guten Freunde ſich befindet, hat eine große Krafft, einem das Hertze zu nehmen. Man iſt ſelten, ja nie- mahls zufrieden, wo man nur von einem gelie- bet wird amore concupiſcentiæ, und um des Nutzens willen, dergleichen Liebe die ſogenann- ten Sauff-Freunde haben; man verlanget auch amorem complacentiæ, und will gerne von ſeinem Freunde, wenn ſchon eben nicht hoch, doch werth geachtet, und in dem, was man redet, oder thut, approbiret werden. Es iſt ſolches auch nicht allemahl bald Ambi- tion, und als ein Hochmuth, ſondern als ein ſolches Vergnuͤgen, das ſich noch wol entſchul- digen laͤſt, anzuſehen, ſo offt man wahrnimmt, daß auch unſere geringe Gaben und Perfectio- nes von dem andern recht geſchaͤtzet, und mit Wohlgefallen erkannt werden. Das konte dieſer Hartmann; wiewohl ich nicht weiß, ob es ihm allemahl vom Hertzen gegangen, und ob nicht viel Verſtellung mit untergelauffen. Doch wie es in der Welt herzugehen pfleget, wer nicht ohne einen guten Freund leben kan, findet bey Verluſt des einen leicht einen andern; und wenn er einen auch nicht ſogleich findet, ſo hat

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/484
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/484>, abgerufen am 22.11.2024.