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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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Erfahrung, worüber er

Jch hatte meine Reflexion darüber.
Wenn GOTT wolte, dachte ich, so könte er
leicht Materie, und äußerliche Objecta finden,
alle Gliedmaßen unsers Leibes, sie möchten ste-
hen, wo sie wolten, auf eine solche Weise zu
bewegen, daß die gröste Wollust daraus entste-
hen müste. Die Wollust kommt in dieser
Welt dem Schmertze nicht gleich, den wir
Menschen in Gliedern offters fühlen. Ein
Hühner-Auge ist ein geringe Ding, und was
kan das nicht vor Pein machen, wenn es zu
toben anfänget. Was soll ich von Zahn-
Schmertzen sagen, welche ich offt in so großem
Maaße gehabt, daß ich nicht davor schlafen,
noch des Tages etwas darvor verrichten kön-
nen. Habe ich aber iemahls in Zähen, oder
an Zähnen solche Wollust empfunden, die dem
Schmertze gleich gewesen, so ich in denselben
ausgestanden? Solte aber dasjenige Theil des
Leibes, so des Schmertzens fähig, nicht durch
eine andere Bewegung eben so gut eines glei-
chen Grades der Wollust fähig seyn? Es
scheinet, daß GOTT weise Ursachen gehabt,
daß er die Wollüste des Leibes nicht so groß und
so viel, als die Schmertzen desselben in der
Welt gemacht, weil die Menschen sonst ihr
Hertz noch hundert mahl mehr, als ietzund ge-
schiehet, an die Welt, und an die Erquickun-

gen,
Erfahrung, woruͤber er

Jch hatte meine Reflexion daruͤber.
Wenn GOTT wolte, dachte ich, ſo koͤnte er
leicht Materie, und aͤußerliche Objecta finden,
alle Gliedmaßen unſers Leibes, ſie moͤchten ſte-
hen, wo ſie wolten, auf eine ſolche Weiſe zu
bewegen, daß die groͤſte Wolluſt daraus entſte-
hen muͤſte. Die Wolluſt kommt in dieſer
Welt dem Schmertze nicht gleich, den wir
Menſchen in Gliedern offters fuͤhlen. Ein
Huͤhner-Auge iſt ein geringe Ding, und was
kan das nicht vor Pein machen, wenn es zu
toben anfaͤnget. Was ſoll ich von Zahn-
Schmertzen ſagen, welche ich offt in ſo großem
Maaße gehabt, daß ich nicht davor ſchlafen,
noch des Tages etwas darvor verrichten koͤn-
nen. Habe ich aber iemahls in Zaͤhen, oder
an Zaͤhnen ſolche Wolluſt empfunden, die dem
Schmertze gleich geweſen, ſo ich in denſelben
ausgeſtanden? Solte aber dasjenige Theil des
Leibes, ſo des Schmertzens faͤhig, nicht durch
eine andere Bewegung eben ſo gut eines glei-
chen Grades der Wolluſt faͤhig ſeyn? Es
ſcheinet, daß GOTT weiſe Urſachen gehabt,
daß er die Wolluͤſte des Leibes nicht ſo groß und
ſo viel, als die Schmertzen deſſelben in der
Welt gemacht, weil die Menſchen ſonſt ihr
Hertz noch hundert mahl mehr, als ietzund ge-
ſchiehet, an die Welt, und an die Erquickun-

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[429/0475] Erfahrung, woruͤber er Jch hatte meine Reflexion daruͤber. Wenn GOTT wolte, dachte ich, ſo koͤnte er leicht Materie, und aͤußerliche Objecta finden, alle Gliedmaßen unſers Leibes, ſie moͤchten ſte- hen, wo ſie wolten, auf eine ſolche Weiſe zu bewegen, daß die groͤſte Wolluſt daraus entſte- hen muͤſte. Die Wolluſt kommt in dieſer Welt dem Schmertze nicht gleich, den wir Menſchen in Gliedern offters fuͤhlen. Ein Huͤhner-Auge iſt ein geringe Ding, und was kan das nicht vor Pein machen, wenn es zu toben anfaͤnget. Was ſoll ich von Zahn- Schmertzen ſagen, welche ich offt in ſo großem Maaße gehabt, daß ich nicht davor ſchlafen, noch des Tages etwas darvor verrichten koͤn- nen. Habe ich aber iemahls in Zaͤhen, oder an Zaͤhnen ſolche Wolluſt empfunden, die dem Schmertze gleich geweſen, ſo ich in denſelben ausgeſtanden? Solte aber dasjenige Theil des Leibes, ſo des Schmertzens faͤhig, nicht durch eine andere Bewegung eben ſo gut eines glei- chen Grades der Wolluſt faͤhig ſeyn? Es ſcheinet, daß GOTT weiſe Urſachen gehabt, daß er die Wolluͤſte des Leibes nicht ſo groß und ſo viel, als die Schmertzen deſſelben in der Welt gemacht, weil die Menſchen ſonſt ihr Hertz noch hundert mahl mehr, als ietzund ge- ſchiehet, an die Welt, und an die Erquickun- gen,

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/475>, abgerufen am 22.11.2024.