und solches nicht von allen gesaget hatte, er mir auch dazumahl schon An. 1705. in seinem Hause zu- gestand, daß ich, wie er sinnreich redete, da ich den Spieß zu weit geworffen, her- nach denselben wieder zurücke holen wollen; (eine artliche Art der Schmähungen, wenn man einem seine nöthige Restriction einer Pro- positionis universalis affirmativae nicht gelten laßen, sondern sie ihm dennoch zur Last legen will;) so wolte er mir doch nun beymessen, ich hätte die Sache auf der Cantzel universal ge- macht, und gesagt: es könne und müsse ein ieder Christ die Zeit, und die Stunde (wie er boßhafftiger weise dazu setzte) wissen, wenn er bekehret worden. Jch producirte zu meiner Vertheidigung eine Passage aus Licentiat Wer- ners Himmels-Weg, der viel universeller in dieser Sache geredet, und geschrieben, und man habe ihm doch keine Ketzerey daraus ge- macht, vielweniger ihn deßhalber vor Gerichte geladen. Aber ich fand kein Gehör. Nicht drey Worte konte ich in Ruhe reden, daß nicht bald dieser Prediger, bald der andere Prediger aus den Assessoribus mir in die Rede fiel, so daß auch der Herr Praeses, der zu proponiren angefangen hatte, darüber sein Mißvergnügen bezeugete. Was müssen doch Politici bey solchen Fällen dencken, wenn sie dergleichen
Unart,
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wegen ſeiner Predigten geſtellet,
und ſolches nicht von allen geſaget hatte, er mir auch dazumahl ſchon An. 1705. in ſeinem Hauſe zu- geſtand, daß ich, wie er ſinnreich redete, da ich den Spieß zu weit geworffen, her- nach denſelben wieder zuruͤcke holen wollen; (eine artliche Art der Schmaͤhungen, wenn man einem ſeine noͤthige Reſtriction einer Pro- poſitionis univerſalis affirmativæ nicht gelten laßen, ſondern ſie ihm dennoch zur Laſt legen will;) ſo wolte er mir doch nun beymeſſen, ich haͤtte die Sache auf der Cantzel univerſal ge- macht, und geſagt: es koͤnne und muͤſſe ein ieder Chriſt die Zeit, und die Stunde (wie er boßhafftiger weiſe dazu ſetzte) wiſſen, wenn er bekehret worden. Jch producirte zu meiner Vertheidigung eine Paſſage aus Licentiat Wer- ners Himmels-Weg, der viel univerſeller in dieſer Sache geredet, und geſchrieben, und man habe ihm doch keine Ketzerey daraus ge- macht, vielweniger ihn deßhalber vor Gerichte geladen. Aber ich fand kein Gehoͤr. Nicht drey Worte konte ich in Ruhe reden, daß nicht bald dieſer Prediger, bald der andere Prediger aus den Aſſeſſoribus mir in die Rede fiel, ſo daß auch der Herr Præſes, der zu proponiren angefangen hatte, daruͤber ſein Mißvergnuͤgen bezeugete. Was muͤſſen doch Politici bey ſolchen Faͤllen dencken, wenn ſie dergleichen
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wegen ſeiner Predigten geſtellet,
und ſolches nicht von allen geſaget hatte, er mir
auch dazumahl ſchon An. 1705. in ſeinem Hauſe zu-
geſtand, daß ich, wie er ſinnreich redete, da
ich den Spieß zu weit geworffen, her-
nach denſelben wieder zuruͤcke holen wollen;
(eine artliche Art der Schmaͤhungen, wenn
man einem ſeine noͤthige Reſtriction einer Pro-
poſitionis univerſalis affirmativæ nicht gelten
laßen, ſondern ſie ihm dennoch zur Laſt legen
will;) ſo wolte er mir doch nun beymeſſen,
ich haͤtte die Sache auf der Cantzel univerſal ge-
macht, und geſagt: es koͤnne und muͤſſe ein
ieder Chriſt die Zeit, und die Stunde (wie er
boßhafftiger weiſe dazu ſetzte) wiſſen, wenn er
bekehret worden. Jch producirte zu meiner
Vertheidigung eine Paſſage aus Licentiat Wer-
ners Himmels-Weg, der viel univerſeller in
dieſer Sache geredet, und geſchrieben, und
man habe ihm doch keine Ketzerey daraus ge-
macht, vielweniger ihn deßhalber vor Gerichte
geladen. Aber ich fand kein Gehoͤr. Nicht
drey Worte konte ich in Ruhe reden, daß nicht
bald dieſer Prediger, bald der andere Prediger
aus den Aſſeſſoribus mir in die Rede fiel, ſo
daß auch der Herr Præſes, der zu proponiren
angefangen hatte, daruͤber ſein Mißvergnuͤgen
bezeugete. Was muͤſſen doch Politici bey
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/471>, abgerufen am 22.11.2024.
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