mir es gefallen, weil seine Kunst so probat seyn solte. Allein, wie er gerne manchmahl einen Tummel sich soff, noch der Gewohnheit solcher Leute, die den Kopff voller Grillen, und ein böse Gewissen haben, und sich solche gerne ver- treiben wollen; so hatte er just zu allem Un- glück dazumahl ein wenig zu viel zu sich genom- men, alß sie ihn zu meiner Schwester holeten. Er legte selbst Hand an, und verwaltete das Amt einer Heb-Amme; da es aber nicht bald ange- hen wolte, so brauchte er Gewalt, und that et- was, so daß man den Sohn, den meine Schwe- ster zur Welt brachte, wohl hätte Perez heissen mögen. Die Laesion war so groß, die er ge- macht hatte, daß das arme Weib noch vor Ende der 6. Wochen sterben muste. Das Kind war von ungewöhnlicher Größe, und Stärcke, und mochte meine Schwester wohl den Fehler be- gangen haben, den manchmahl andere schwan- gere Weiber auch begehen; die, um sich zu stärcken, ihnen allzu gütlich thun, und das Kind zu sehr in Mutter-Leibe mästen. Es war sonst ein fromm Weib, ein wenig zum Zorne geneigt, aber doch schwer, und langsam dazu zu bringen. Kurtz vor ihrer Niederkunfft, da sie alleine zu Hause, kommt ein besoffener Kerl, und will Ein Schock Kraut-Köpffe kauffen. Sie merckt nicht, daß er truncken; und, da er ihr die besten
Kraut-
D d 2
ſo in Sechs-Wochen ſtirbet:
mir es gefallen, weil ſeine Kunſt ſo probat ſeyn ſolte. Allein, wie er gerne manchmahl einen Tummel ſich ſoff, noch der Gewohnheit ſolcher Leute, die den Kopff voller Grillen, und ein boͤſe Gewiſſen haben, und ſich ſolche gerne ver- treiben wollen; ſo hatte er juſt zu allem Un- gluͤck dazumahl ein wenig zu viel zu ſich genom- men, alß ſie ihn zu meiner Schweſter holeten. Er legte ſelbſt Hand an, und verwaltete das Amt einer Heb-Amme; da es aber nicht bald ange- hen wolte, ſo brauchte er Gewalt, und that et- was, ſo daß man den Sohn, den meine Schwe- ſter zur Welt brachte, wohl haͤtte Perez heiſſen moͤgen. Die Læſion war ſo groß, die er ge- macht hatte, daß das arme Weib noch vor Ende der 6. Wochen ſterben muſte. Das Kind war von ungewoͤhnlicher Groͤße, und Staͤrcke, und mochte meine Schweſter wohl den Fehler be- gangen haben, den manchmahl andere ſchwan- gere Weiber auch begehen; die, um ſich zu ſtaͤrcken, ihnen allzu guͤtlich thun, und das Kind zu ſehr in Mutter-Leibe maͤſten. Es war ſonſt ein fromm Weib, ein wenig zum Zorne geneigt, aber doch ſchwer, und langſam dazu zu bringen. Kurtz vor ihrer Niederkunfft, da ſie alleine zu Hauſe, kommt ein beſoffener Kerl, und will Ein Schock Kraut-Koͤpffe kauffen. Sie merckt nicht, daß er truncken; und, da er ihr die beſten
Kraut-
D d 2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0465"n="419"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">ſo in Sechs-Wochen ſtirbet:</hi></fw><lb/>
mir es gefallen, weil ſeine Kunſt ſo <hirendition="#aq">probat</hi>ſeyn<lb/>ſolte. Allein, wie er gerne manchmahl einen<lb/>
Tummel ſich ſoff, noch der Gewohnheit ſolcher<lb/>
Leute, die den Kopff voller Grillen, und ein<lb/>
boͤſe Gewiſſen haben, und ſich ſolche gerne ver-<lb/>
treiben wollen; ſo hatte er <hirendition="#aq">juſt</hi> zu allem Un-<lb/>
gluͤck dazumahl ein wenig zu viel zu ſich genom-<lb/>
men, alß ſie ihn zu meiner Schweſter holeten.<lb/>
Er legte ſelbſt Hand an, und verwaltete das Amt<lb/>
einer Heb-Amme; da es aber nicht bald ange-<lb/>
hen wolte, ſo brauchte er Gewalt, und that et-<lb/>
was, ſo daß man den Sohn, den meine Schwe-<lb/>ſter zur Welt brachte, wohl haͤtte <hirendition="#aq">Perez</hi> heiſſen<lb/>
moͤgen. Die <hirendition="#aq">Læſion</hi> war ſo groß, die er ge-<lb/>
macht hatte, daß das arme Weib noch vor Ende<lb/>
der 6. Wochen ſterben muſte. Das Kind<lb/>
war von ungewoͤhnlicher Groͤße, und Staͤrcke,<lb/>
und mochte meine Schweſter wohl den Fehler be-<lb/>
gangen haben, den manchmahl andere ſchwan-<lb/>
gere Weiber auch begehen; die, um ſich zu<lb/>ſtaͤrcken, ihnen allzu guͤtlich thun, und das Kind<lb/>
zu ſehr in Mutter-Leibe maͤſten. Es war ſonſt<lb/>
ein fromm Weib, ein wenig zum Zorne geneigt,<lb/>
aber doch ſchwer, und langſam dazu zu bringen.<lb/>
Kurtz vor ihrer Niederkunfft, da ſie alleine zu<lb/>
Hauſe, kommt ein beſoffener Kerl, und will<lb/>
Ein Schock Kraut-Koͤpffe kauffen. Sie merckt<lb/>
nicht, daß er truncken; und, da er ihr die beſten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D d 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Kraut-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[419/0465]
ſo in Sechs-Wochen ſtirbet:
mir es gefallen, weil ſeine Kunſt ſo probat ſeyn
ſolte. Allein, wie er gerne manchmahl einen
Tummel ſich ſoff, noch der Gewohnheit ſolcher
Leute, die den Kopff voller Grillen, und ein
boͤſe Gewiſſen haben, und ſich ſolche gerne ver-
treiben wollen; ſo hatte er juſt zu allem Un-
gluͤck dazumahl ein wenig zu viel zu ſich genom-
men, alß ſie ihn zu meiner Schweſter holeten.
Er legte ſelbſt Hand an, und verwaltete das Amt
einer Heb-Amme; da es aber nicht bald ange-
hen wolte, ſo brauchte er Gewalt, und that et-
was, ſo daß man den Sohn, den meine Schwe-
ſter zur Welt brachte, wohl haͤtte Perez heiſſen
moͤgen. Die Læſion war ſo groß, die er ge-
macht hatte, daß das arme Weib noch vor Ende
der 6. Wochen ſterben muſte. Das Kind
war von ungewoͤhnlicher Groͤße, und Staͤrcke,
und mochte meine Schweſter wohl den Fehler be-
gangen haben, den manchmahl andere ſchwan-
gere Weiber auch begehen; die, um ſich zu
ſtaͤrcken, ihnen allzu guͤtlich thun, und das Kind
zu ſehr in Mutter-Leibe maͤſten. Es war ſonſt
ein fromm Weib, ein wenig zum Zorne geneigt,
aber doch ſchwer, und langſam dazu zu bringen.
Kurtz vor ihrer Niederkunfft, da ſie alleine zu
Hauſe, kommt ein beſoffener Kerl, und will
Ein Schock Kraut-Koͤpffe kauffen. Sie merckt
nicht, daß er truncken; und, da er ihr die beſten
Kraut-
D d 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/465>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.