zu benehmen; sie bestund aber darauf, und meynte, ihr Hertze sage ihr solches. Sie war schwanger, und hatte etwan noch 2. Mo- nate bis zu ihrer Entbindung: ein Weib von 36. Jahren, die bey 12. Jahren her schon einige Kinder glücklich zur Welt gebracht. Jch hatte sie unter meinen Schwestern am liebsten, und hat mich darnach sehr geschmertzt, alß es so gieng, wie sie gesaget, und sie mir durch den Tod, der 10. Wochen darauf erfolgte, und sehr merckwürdige Umstände hatte, genommen wur- de, wie ich unten erzehlen will. Alß ich in die Stadt kam, so war der Bürgermeister von Rawitsch zwar nicht zugegen, es vergiengen aber kaum etliche Tage, so vernahm ich, daß er angekommen, und daß ihn die Noth nach Breßlau getrieben. Er war ein kluger Mann, und wenn er merckte, daß eine Mosco- witische streiffende Parthey kommen solte, so ent- wich er, damit alsdann die Brandschatzung und Contribution, wenn die Hohen des Raths und der Stadt nicht zu Hause, erträglich wäre. Das verstund der Pöbel aber nicht, sondern schmähete und lästerte auf ihn, als ob er sie im Stiche ließe, und so offt Gefahr vorhanden, Reißaus gäbe. Er erzehlte mir solches, da ich ihm die erste Visite machte, und sagte, er wolle einmahl bey solchen Fällen zu Hause bleiben,
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Kombt nach Hauſe,
zu benehmen; ſie beſtund aber darauf, und meynte, ihr Hertze ſage ihr ſolches. Sie war ſchwanger, und hatte etwan noch 2. Mo- nate bis zu ihrer Entbindung: ein Weib von 36. Jahren, die bey 12. Jahren her ſchon einige Kinder gluͤcklich zur Welt gebracht. Jch hatte ſie unter meinen Schweſtern am liebſten, und hat mich darnach ſehr geſchmertzt, alß es ſo gieng, wie ſie geſaget, und ſie mir durch den Tod, der 10. Wochen darauf erfolgte, und ſehr merckwuͤrdige Umſtaͤnde hatte, genommen wur- de, wie ich unten erzehlen will. Alß ich in die Stadt kam, ſo war der Buͤrgermeiſter von Rawitſch zwar nicht zugegen, es vergiengen aber kaum etliche Tage, ſo vernahm ich, daß er angekommen, und daß ihn die Noth nach Breßlau getrieben. Er war ein kluger Mann, und wenn er merckte, daß eine Moſco- witiſche ſtreiffende Parthey kommen ſolte, ſo ent- wich er, damit alsdann die Brandſchatzung und Contribution, wenn die Hohen des Raths und der Stadt nicht zu Hauſe, ertraͤglich waͤre. Das verſtund der Poͤbel aber nicht, ſondern ſchmaͤhete und laͤſterte auf ihn, als ob er ſie im Stiche ließe, und ſo offt Gefahr vorhanden, Reißaus gaͤbe. Er erzehlte mir ſolches, da ich ihm die erſte Viſite machte, und ſagte, er wolle einmahl bey ſolchen Faͤllen zu Hauſe bleiben,
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Kombt nach Hauſe,
zu benehmen; ſie beſtund aber darauf, und
meynte, ihr Hertze ſage ihr ſolches. Sie
war ſchwanger, und hatte etwan noch 2. Mo-
nate bis zu ihrer Entbindung: ein Weib von
36. Jahren, die bey 12. Jahren her ſchon einige
Kinder gluͤcklich zur Welt gebracht. Jch
hatte ſie unter meinen Schweſtern am liebſten,
und hat mich darnach ſehr geſchmertzt, alß es
ſo gieng, wie ſie geſaget, und ſie mir durch den
Tod, der 10. Wochen darauf erfolgte, und ſehr
merckwuͤrdige Umſtaͤnde hatte, genommen wur-
de, wie ich unten erzehlen will. Alß ich in
die Stadt kam, ſo war der Buͤrgermeiſter von
Rawitſch zwar nicht zugegen, es vergiengen
aber kaum etliche Tage, ſo vernahm ich, daß
er angekommen, und daß ihn die Noth nach
Breßlau getrieben. Er war ein kluger
Mann, und wenn er merckte, daß eine Moſco-
witiſche ſtreiffende Parthey kommen ſolte, ſo ent-
wich er, damit alsdann die Brandſchatzung und
Contribution, wenn die Hohen des Raths und
der Stadt nicht zu Hauſe, ertraͤglich waͤre.
Das verſtund der Poͤbel aber nicht, ſondern
ſchmaͤhete und laͤſterte auf ihn, als ob er ſie im
Stiche ließe, und ſo offt Gefahr vorhanden,
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/453>, abgerufen am 22.11.2024.
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