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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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eine Gast-Predigt zu Rawitsch
eine Gast-Predigt in Rawitsch in Pohlen zu
thun. Der Bürgermeister von Rawitsch, der
Herr von Stein, kehrte bey dem Herrn D.
Kaltschmidten ein, wenn er in Breßlau war;
und dieser mein ehemahliger Hospes hatte mich
ihm bey dem damahligen vacanten Diaconat
vorgeschlagen, und bestens recommendiret.
Jch solte mit ehester Post antworten, was ich
zu thun gesonnen, so würde man mir fernere
Ordre zuschicken, und die Zeit bestimmen,
wenn ich kommen, und wenn ich predigen solte.
Wer war froher, als ich, und wer danckte
GOTT mehr vor die wunderbare Schickung,
als ich? Jch schrieb, ich wolte kommen;
weil aber in Leipzig eine Belagerung zu befürch-
ten, und ich in der Stadt gar leicht möchte
eingeschlossen werden, so würde ich nach Halle
gehen, und da fernere Befehle, und specielle
Invitation erwarten. Jch that es, und zohe
gleich nach Halle, da die Trouppen aus Leip-
zig wieder ausmarschirten, und muste andert-
halben Thaler vor 1. Centner Guth nach Halle
zahlen, da man sonst vielleicht nur 6. oder 8. Gr.
zu geben pfleget. Jn Halle sahe man halb
Leipzig auf den Gassen der Stadt; und des
Abends das Leipziger Frauenzimmer, und auch
wol Huren mit unter auf dem Marckte in
großer Menge. Der Satan hatte sie ver-

gessen
C c 3

eine Gaſt-Predigt zu Rawitſch
eine Gaſt-Predigt in Rawitſch in Pohlen zu
thun. Der Buͤrgermeiſter von Rawitſch, der
Herr von Stein, kehrte bey dem Herrn D.
Kaltſchmidten ein, wenn er in Breßlau war;
und dieſer mein ehemahliger Hoſpes hatte mich
ihm bey dem damahligen vacanten Diaconat
vorgeſchlagen, und beſtens recommendiret.
Jch ſolte mit eheſter Poſt antworten, was ich
zu thun geſonnen, ſo wuͤrde man mir fernere
Ordre zuſchicken, und die Zeit beſtimmen,
wenn ich kommen, und wenn ich predigen ſolte.
Wer war froher, als ich, und wer danckte
GOTT mehr vor die wunderbare Schickung,
als ich? Jch ſchrieb, ich wolte kommen;
weil aber in Leipzig eine Belagerung zu befuͤrch-
ten, und ich in der Stadt gar leicht moͤchte
eingeſchloſſen werden, ſo wuͤrde ich nach Halle
gehen, und da fernere Befehle, und ſpecielle
Invitation erwarten. Jch that es, und zohe
gleich nach Halle, da die Trouppen aus Leip-
zig wieder ausmarſchirten, und muſte andert-
halben Thaler vor 1. Centner Guth nach Halle
zahlen, da man ſonſt vielleicht nur 6. oder 8. Gr.
zu geben pfleget. Jn Halle ſahe man halb
Leipzig auf den Gaſſen der Stadt; und des
Abends das Leipziger Frauenzimmer, und auch
wol Huren mit unter auf dem Marckte in
großer Menge. Der Satan hatte ſie ver-

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[405/0451] eine Gaſt-Predigt zu Rawitſch eine Gaſt-Predigt in Rawitſch in Pohlen zu thun. Der Buͤrgermeiſter von Rawitſch, der Herr von Stein, kehrte bey dem Herrn D. Kaltſchmidten ein, wenn er in Breßlau war; und dieſer mein ehemahliger Hoſpes hatte mich ihm bey dem damahligen vacanten Diaconat vorgeſchlagen, und beſtens recommendiret. Jch ſolte mit eheſter Poſt antworten, was ich zu thun geſonnen, ſo wuͤrde man mir fernere Ordre zuſchicken, und die Zeit beſtimmen, wenn ich kommen, und wenn ich predigen ſolte. Wer war froher, als ich, und wer danckte GOTT mehr vor die wunderbare Schickung, als ich? Jch ſchrieb, ich wolte kommen; weil aber in Leipzig eine Belagerung zu befuͤrch- ten, und ich in der Stadt gar leicht moͤchte eingeſchloſſen werden, ſo wuͤrde ich nach Halle gehen, und da fernere Befehle, und ſpecielle Invitation erwarten. Jch that es, und zohe gleich nach Halle, da die Trouppen aus Leip- zig wieder ausmarſchirten, und muſte andert- halben Thaler vor 1. Centner Guth nach Halle zahlen, da man ſonſt vielleicht nur 6. oder 8. Gr. zu geben pfleget. Jn Halle ſahe man halb Leipzig auf den Gaſſen der Stadt; und des Abends das Leipziger Frauenzimmer, und auch wol Huren mit unter auf dem Marckte in großer Menge. Der Satan hatte ſie ver- geſſen C c 3

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/451>, abgerufen am 22.11.2024.