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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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wollen los werden:
die man auf sich selbst macht, doch nicht klug
werden kan, sondern nur Leben, Gesundheit,
Kranckheit und Tod in GOttes Hände stellen,
und sich ihm in Demuth und Gelassenheit unter-
werffen muß. Es ist vielmahl ein geringes
Ding, woran die schrecklichsten Ubel und Kranck-
heiten hangen, und auch ein gering Artzney-
Mittel, das sie vertreiben kan. Der Caffee
ist ein geringes Geträncke, und doch hat er mich
An 1717. weil ich ihn vorher gar nicht nach Mit-
tage getruncken, zur Vesper-Zeit aber solchen zu
trincken nach Gewohnheit anderer Leute ange-
fangen, von einer großen Plage befreyet, wie ich
solches besser unten beschreiben werde. Allein
eben dieses Geträncke, weil damit von mir stets
angehalten wurde, hat zu einer andern Zeit eben
diese Plage wiederum erneuert, so daß dieselbe
anders nicht, als durch Unterlassung dieses Ge-
tränckes geschwächet, und getilget werden kunte;
wiewol man in solchen Fällen den natürlichen
Mitteln nicht alles alleine, sondern auch den
geistlichen Artzney-Mitteln das ihrige zuschrei-
ben muß.

Bey solcher schrecklichen Kranckheit aber, so
zum Selbst-Morde treibet, auf welche ich wie-
der komme, ist der Patient wohl der glückseligste,
der, wenn er auch noch so viel Furcht hat, daß
er sich selbst tödten werde, doch auch Glauben,

und

wollen los werden:
die man auf ſich ſelbſt macht, doch nicht klug
werden kan, ſondern nur Leben, Geſundheit,
Kranckheit und Tod in GOttes Haͤnde ſtellen,
und ſich ihm in Demuth und Gelaſſenheit unter-
werffen muß. Es iſt vielmahl ein geringes
Ding, woran die ſchrecklichſten Ubel und Kranck-
heiten hangen, und auch ein gering Artzney-
Mittel, das ſie vertreiben kan. Der Caffée
iſt ein geringes Getraͤncke, und doch hat er mich
An 1717. weil ich ihn vorher gar nicht nach Mit-
tage getruncken, zur Veſper-Zeit aber ſolchen zu
trincken nach Gewohnheit anderer Leute ange-
fangen, von einer großen Plage befreyet, wie ich
ſolches beſſer unten beſchreiben werde. Allein
eben dieſes Getraͤncke, weil damit von mir ſtets
angehalten wurde, hat zu einer andern Zeit eben
dieſe Plage wiederum erneuert, ſo daß dieſelbe
anders nicht, als durch Unterlaſſung dieſes Ge-
traͤnckes geſchwaͤchet, und getilget werden kunte;
wiewol man in ſolchen Faͤllen den natuͤrlichen
Mitteln nicht alles alleine, ſondern auch den
geiſtlichen Artzney-Mitteln das ihrige zuſchrei-
ben muß.

Bey ſolcher ſchrecklichen Kranckheit aber, ſo
zum Selbſt-Morde treibet, auf welche ich wie-
der komme, iſt der Patient wohl der gluͤckſeligſte,
der, wenn er auch noch ſo viel Furcht hat, daß
er ſich ſelbſt toͤdten werde, doch auch Glauben,

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[358/0404] wollen los werden: die man auf ſich ſelbſt macht, doch nicht klug werden kan, ſondern nur Leben, Geſundheit, Kranckheit und Tod in GOttes Haͤnde ſtellen, und ſich ihm in Demuth und Gelaſſenheit unter- werffen muß. Es iſt vielmahl ein geringes Ding, woran die ſchrecklichſten Ubel und Kranck- heiten hangen, und auch ein gering Artzney- Mittel, das ſie vertreiben kan. Der Caffée iſt ein geringes Getraͤncke, und doch hat er mich An 1717. weil ich ihn vorher gar nicht nach Mit- tage getruncken, zur Veſper-Zeit aber ſolchen zu trincken nach Gewohnheit anderer Leute ange- fangen, von einer großen Plage befreyet, wie ich ſolches beſſer unten beſchreiben werde. Allein eben dieſes Getraͤncke, weil damit von mir ſtets angehalten wurde, hat zu einer andern Zeit eben dieſe Plage wiederum erneuert, ſo daß dieſelbe anders nicht, als durch Unterlaſſung dieſes Ge- traͤnckes geſchwaͤchet, und getilget werden kunte; wiewol man in ſolchen Faͤllen den natuͤrlichen Mitteln nicht alles alleine, ſondern auch den geiſtlichen Artzney-Mitteln das ihrige zuſchrei- ben muß. Bey ſolcher ſchrecklichen Kranckheit aber, ſo zum Selbſt-Morde treibet, auf welche ich wie- der komme, iſt der Patient wohl der gluͤckſeligſte, der, wenn er auch noch ſo viel Furcht hat, daß er ſich ſelbſt toͤdten werde, doch auch Glauben, und

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/404>, abgerufen am 22.11.2024.