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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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und dasjenige thun,
woraus denn auch, wie leicht zu erachten, lau-
ter falsche Urtheile, und Schlüße entstehen.
Jch weiß, wie einem Menschen ist, der auf die
letzte, wenn er vor allem aus Furcht zittert und
bebet, auf die letzte nicht mehr weiß, wo er das
Licht hinsetzen soll, und meynt, daß es ins
Bette müsse gesetzt, und zugedeckt werden, und
vielleicht solches thun würde, wenn er nicht wie-
der zu sich selbst käme. Vor zehen Jahren
war das Gedächtniß auf eine kurtze Zeit bey
mir so schwach, daß, da ich des Morgens er-
wachte, und es doch lichte in der Kammer war,
ich weder mich, noch meine Kammer kannte,
und nicht wuste, wer ich wäre, wo ich her-
käme, und was ich da machte. Ja, da ich
zu einer andern Zeit in tieffen Gedancken einen
guten Freund des Abends besuchen wolte, und
schon in seinem Hause auf der andern Treppe
war, so konte ich mich auf eine kurtze Weile
nicht besinnen, wo ich wäre, und in was vor
einem Hause ich wäre, und zu wem ich ge-
hen wolte.

Fällt nun der Verstand bey dergleichen
Menschen weg, die mit der Furcht des Selbst-
Mords, und täglichen Bildern davon gemar-
tert werden, so daß bey ihnen nichts, als die
Einbildungs-Krafft übrig bleibet, die, wie wir
oben gehöret, den Leib figuriret nach dem Bilde,

das

und dasjenige thun,
woraus denn auch, wie leicht zu erachten, lau-
ter falſche Urtheile, und Schluͤße entſtehen.
Jch weiß, wie einem Menſchen iſt, der auf die
letzte, wenn er vor allem aus Furcht zittert und
bebet, auf die letzte nicht mehr weiß, wo er das
Licht hinſetzen ſoll, und meynt, daß es ins
Bette muͤſſe geſetzt, und zugedeckt werden, und
vielleicht ſolches thun wuͤrde, wenn er nicht wie-
der zu ſich ſelbſt kaͤme. Vor zehen Jahren
war das Gedaͤchtniß auf eine kurtze Zeit bey
mir ſo ſchwach, daß, da ich des Morgens er-
wachte, und es doch lichte in der Kammer war,
ich weder mich, noch meine Kammer kannte,
und nicht wuſte, wer ich waͤre, wo ich her-
kaͤme, und was ich da machte. Ja, da ich
zu einer andern Zeit in tieffen Gedancken einen
guten Freund des Abends beſuchen wolte, und
ſchon in ſeinem Hauſe auf der andern Treppe
war, ſo konte ich mich auf eine kurtze Weile
nicht beſinnen, wo ich waͤre, und in was vor
einem Hauſe ich waͤre, und zu wem ich ge-
hen wolte.

Faͤllt nun der Verſtand bey dergleichen
Menſchen weg, die mit der Furcht des Selbſt-
Mords, und taͤglichen Bildern davon gemar-
tert werden, ſo daß bey ihnen nichts, als die
Einbildungs-Krafft uͤbrig bleibet, die, wie wir
oben gehoͤret, den Leib figuriret nach dem Bilde,

das
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[330/0376] und dasjenige thun, woraus denn auch, wie leicht zu erachten, lau- ter falſche Urtheile, und Schluͤße entſtehen. Jch weiß, wie einem Menſchen iſt, der auf die letzte, wenn er vor allem aus Furcht zittert und bebet, auf die letzte nicht mehr weiß, wo er das Licht hinſetzen ſoll, und meynt, daß es ins Bette muͤſſe geſetzt, und zugedeckt werden, und vielleicht ſolches thun wuͤrde, wenn er nicht wie- der zu ſich ſelbſt kaͤme. Vor zehen Jahren war das Gedaͤchtniß auf eine kurtze Zeit bey mir ſo ſchwach, daß, da ich des Morgens er- wachte, und es doch lichte in der Kammer war, ich weder mich, noch meine Kammer kannte, und nicht wuſte, wer ich waͤre, wo ich her- kaͤme, und was ich da machte. Ja, da ich zu einer andern Zeit in tieffen Gedancken einen guten Freund des Abends beſuchen wolte, und ſchon in ſeinem Hauſe auf der andern Treppe war, ſo konte ich mich auf eine kurtze Weile nicht beſinnen, wo ich waͤre, und in was vor einem Hauſe ich waͤre, und zu wem ich ge- hen wolte. Faͤllt nun der Verſtand bey dergleichen Menſchen weg, die mit der Furcht des Selbſt- Mords, und taͤglichen Bildern davon gemar- tert werden, ſo daß bey ihnen nichts, als die Einbildungs-Krafft uͤbrig bleibet, die, wie wir oben gehoͤret, den Leib figuriret nach dem Bilde, das

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/376>, abgerufen am 22.11.2024.