Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

daß schwache Gemüther,
voll gallichten Schleims, und, gleichwie sie
schwanger war, dabey allerhand Verstopffun-
gen haben. Sie klagte mir, sie wäre zu lau-
ter Zorn geneigt, und wäre niemand, der ihr was
thäte. Unter andern kriegte sie ein Zorn-
Bild, als ob sie ihre Kinder anfiele, und sie er-
bärmlich zurichtete. Mein GOTT, sprach
sie zu mir, die Kinder sind so fromm, und so
stille wie die Heimmichen, und wie arme
Schäfgen; sie thun mir nichts zuwider,
und ich kan mich doch kaum erhalten, daß
ich sie nicht anfalle.
Sie bath um GOttes
willen, man möchte sie nicht alleine lassen; und
wo mir recht ist, so war sie auch schon einmahl
über die armen Kinder gerathen, entweder aus
Ubereilung, oder aus Beraubung ihres Ver-
standes, wohin solche starcke Imagination offters
endlich ausschlägt, war aber bey Zeiten noch von
Leuten, die darzu kamen, von den Kindern ab-
gerissen worden. Jch habe mich mein Lebtage
nicht genug verwundern können, wie gewisse
Menschen noch ihre Freude haben, und ihr
Possen-Spiel treiben können mit Leuten, so när-
risch, und des Verstandes beraubet sind. Was
mich anbelangt, so muß ich solchen Kindischen
Leuten, so irre im Haupte, aus dem Wege
gehen, so weit ich kan; und, wenn ich das
Unglück ja habe, daß ich ihr unvernünfftiges

Thun,

daß ſchwache Gemuͤther,
voll gallichten Schleims, und, gleichwie ſie
ſchwanger war, dabey allerhand Verſtopffun-
gen haben. Sie klagte mir, ſie waͤre zu lau-
ter Zorn geneigt, und waͤre niemand, der ihr was
thaͤte. Unter andern kriegte ſie ein Zorn-
Bild, als ob ſie ihre Kinder anfiele, und ſie er-
baͤrmlich zurichtete. Mein GOTT, ſprach
ſie zu mir, die Kinder ſind ſo fromm, und ſo
ſtille wie die Heimmichen, und wie arme
Schaͤfgen; ſie thun mir nichts zuwider,
und ich kan mich doch kaum erhalten, daß
ich ſie nicht anfalle.
Sie bath um GOttes
willen, man moͤchte ſie nicht alleine laſſen; und
wo mir recht iſt, ſo war ſie auch ſchon einmahl
uͤber die armen Kinder gerathen, entweder aus
Ubereilung, oder aus Beraubung ihres Ver-
ſtandes, wohin ſolche ſtarcke Imagination offters
endlich ausſchlaͤgt, war aber bey Zeiten noch von
Leuten, die darzu kamen, von den Kindern ab-
geriſſen worden. Jch habe mich mein Lebtage
nicht genug verwundern koͤnnen, wie gewiſſe
Menſchen noch ihre Freude haben, und ihr
Poſſen-Spiel treiben koͤnnen mit Leuten, ſo naͤr-
riſch, und des Verſtandes beraubet ſind. Was
mich anbelangt, ſo muß ich ſolchen Kindiſchen
Leuten, ſo irre im Haupte, aus dem Wege
gehen, ſo weit ich kan; und, wenn ich das
Ungluͤck ja habe, daß ich ihr unvernuͤnfftiges

Thun,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0364" n="318"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">daß &#x017F;chwache Gemu&#x0364;ther,</hi></fw><lb/>
voll gallichten Schleims, und, gleichwie &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chwanger war, dabey allerhand Ver&#x017F;topffun-<lb/>
gen haben. Sie klagte mir, &#x017F;ie wa&#x0364;re zu lau-<lb/>
ter Zorn geneigt, und wa&#x0364;re niemand, der ihr was<lb/>
tha&#x0364;te. Unter andern kriegte &#x017F;ie ein Zorn-<lb/>
Bild, als ob &#x017F;ie ihre Kinder anfiele, und &#x017F;ie er-<lb/>
ba&#x0364;rmlich zurichtete. <hi rendition="#fr">Mein GOTT,</hi> &#x017F;prach<lb/>
&#x017F;ie zu mir, <hi rendition="#fr">die Kinder &#x017F;ind &#x017F;o fromm, und &#x017F;o<lb/>
&#x017F;tille wie die Heimmichen, und wie arme<lb/>
Scha&#x0364;fgen; &#x017F;ie thun mir nichts zuwider,<lb/>
und ich kan mich doch kaum erhalten, daß<lb/>
ich &#x017F;ie nicht anfalle.</hi> Sie bath um GOttes<lb/>
willen, man mo&#x0364;chte &#x017F;ie nicht alleine la&#x017F;&#x017F;en; und<lb/>
wo mir recht i&#x017F;t, &#x017F;o war &#x017F;ie auch &#x017F;chon einmahl<lb/>
u&#x0364;ber die armen Kinder gerathen, entweder aus<lb/>
Ubereilung, oder aus Beraubung ihres Ver-<lb/>
&#x017F;tandes, wohin &#x017F;olche &#x017F;tarcke <hi rendition="#aq">Imagination</hi> offters<lb/>
endlich aus&#x017F;chla&#x0364;gt, war aber bey Zeiten noch von<lb/>
Leuten, die darzu kamen, von den Kindern ab-<lb/>
geri&#x017F;&#x017F;en worden. Jch habe mich mein Lebtage<lb/>
nicht genug verwundern ko&#x0364;nnen, wie gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Men&#x017F;chen noch ihre Freude haben, und ihr<lb/>
Po&#x017F;&#x017F;en-Spiel treiben ko&#x0364;nnen mit Leuten, &#x017F;o na&#x0364;r-<lb/>
ri&#x017F;ch, und des Ver&#x017F;tandes beraubet &#x017F;ind. Was<lb/>
mich anbelangt, &#x017F;o muß ich &#x017F;olchen Kindi&#x017F;chen<lb/>
Leuten, &#x017F;o irre im Haupte, aus dem Wege<lb/>
gehen, &#x017F;o weit ich kan; und, wenn ich das<lb/>
Unglu&#x0364;ck ja habe, daß ich ihr unvernu&#x0364;nfftiges<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Thun,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[318/0364] daß ſchwache Gemuͤther, voll gallichten Schleims, und, gleichwie ſie ſchwanger war, dabey allerhand Verſtopffun- gen haben. Sie klagte mir, ſie waͤre zu lau- ter Zorn geneigt, und waͤre niemand, der ihr was thaͤte. Unter andern kriegte ſie ein Zorn- Bild, als ob ſie ihre Kinder anfiele, und ſie er- baͤrmlich zurichtete. Mein GOTT, ſprach ſie zu mir, die Kinder ſind ſo fromm, und ſo ſtille wie die Heimmichen, und wie arme Schaͤfgen; ſie thun mir nichts zuwider, und ich kan mich doch kaum erhalten, daß ich ſie nicht anfalle. Sie bath um GOttes willen, man moͤchte ſie nicht alleine laſſen; und wo mir recht iſt, ſo war ſie auch ſchon einmahl uͤber die armen Kinder gerathen, entweder aus Ubereilung, oder aus Beraubung ihres Ver- ſtandes, wohin ſolche ſtarcke Imagination offters endlich ausſchlaͤgt, war aber bey Zeiten noch von Leuten, die darzu kamen, von den Kindern ab- geriſſen worden. Jch habe mich mein Lebtage nicht genug verwundern koͤnnen, wie gewiſſe Menſchen noch ihre Freude haben, und ihr Poſſen-Spiel treiben koͤnnen mit Leuten, ſo naͤr- riſch, und des Verſtandes beraubet ſind. Was mich anbelangt, ſo muß ich ſolchen Kindiſchen Leuten, ſo irre im Haupte, aus dem Wege gehen, ſo weit ich kan; und, wenn ich das Ungluͤck ja habe, daß ich ihr unvernuͤnfftiges Thun,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/364
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/364>, abgerufen am 03.07.2024.