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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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auf die seltsame Furcht
derlegen, was Jac. Blondellus, ein Doctor Medicinae
in London, und neulich die Lettres juives Lett. 151.
wider diese Kräffte der Imagination geschrieben.

Mit diesem Kinde können nun einiger mas-
sen verglichen werden die großen Kinder, oder
alle diejenigen Menschen, welche entweder von
schwacher Natur, so sie aus Mutter-Leibe ge-
bracht, oder wegen schwächlicher und kräncklicher
Leibes-Constitution, die sie sich zugezogen,
schwache Leibes-Gefäße, schwache Nerven und
Fibren haben; wohin gar sonderlich auch diejeni-
gen zu ziehen, so Temperamenti melancholici
sind, als welchen alle Medici schwache Nerven
zuschreiben. Bey solchen schwachen Naturen
drucken sich einmahl alle Bilder im Gehirne,
insonderheit diejenigen, die durch ein erkanntes
großes Ubel erreget werden, tieffer ein; so,
daß sie hernach durch eine lebhaffte und starcke
Imagination sich die Sache schier als gegenwärtig
vorstellen könenn. Ja wenn die Bewegung der
Lebens-Geister im Gehirne zu starck ist, und
die Staffel erreicht, welche sie hat, wenn die
die Ubel und die schrecklichen Dinge gegenwärtig
sind, so müssen diese auch in Wahrheit Dinge ge-
genwärtig sehen, die doch noch nicht, oder nicht
mehr gegenwärtig sind, wie in hitzigen Fiebern
und andern hitzigen Kranckheiten zu geschehen
pfleget; so daß sie in ein Delirium und Wahn-

witz

auf die ſeltſame Furcht
derlegen, was Jac. Blondellus, ein Doctor Medicinæ
in London, und neulich die Lettres juives Lett. 151.
wider dieſe Kraͤffte der Imagination geſchrieben.

Mit dieſem Kinde koͤnnen nun einiger maſ-
ſen verglichen werden die großen Kinder, oder
alle diejenigen Menſchen, welche entweder von
ſchwacher Natur, ſo ſie aus Mutter-Leibe ge-
bracht, oder wegen ſchwaͤchlicher und kraͤncklicher
Leibes-Conſtitution, die ſie ſich zugezogen,
ſchwache Leibes-Gefaͤße, ſchwache Nerven und
Fibren haben; wohin gar ſonderlich auch diejeni-
gen zu ziehen, ſo Temperamenti melancholici
ſind, als welchen alle Medici ſchwache Nerven
zuſchreiben. Bey ſolchen ſchwachen Naturen
drucken ſich einmahl alle Bilder im Gehirne,
inſonderheit diejenigen, die durch ein erkanntes
großes Ubel erreget werden, tieffer ein; ſo,
daß ſie hernach durch eine lebhaffte und ſtarcke
Imagination ſich die Sache ſchier als gegenwaͤrtig
vorſtellen koͤnenn. Ja wenn die Bewegung der
Lebens-Geiſter im Gehirne zu ſtarck iſt, und
die Staffel erreicht, welche ſie hat, wenn die
die Ubel und die ſchrecklichen Dinge gegenwaͤrtig
ſind, ſo muͤſſen dieſe auch in Wahrheit Dinge ge-
genwaͤrtig ſehen, die doch noch nicht, oder nicht
mehr gegenwaͤrtig ſind, wie in hitzigen Fiebern
und andern hitzigen Kranckheiten zu geſchehen
pfleget; ſo daß ſie in ein Delirium und Wahn-

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[284/0330] auf die ſeltſame Furcht derlegen, was Jac. Blondellus, ein Doctor Medicinæ in London, und neulich die Lettres juives Lett. 151. wider dieſe Kraͤffte der Imagination geſchrieben. Mit dieſem Kinde koͤnnen nun einiger maſ- ſen verglichen werden die großen Kinder, oder alle diejenigen Menſchen, welche entweder von ſchwacher Natur, ſo ſie aus Mutter-Leibe ge- bracht, oder wegen ſchwaͤchlicher und kraͤncklicher Leibes-Conſtitution, die ſie ſich zugezogen, ſchwache Leibes-Gefaͤße, ſchwache Nerven und Fibren haben; wohin gar ſonderlich auch diejeni- gen zu ziehen, ſo Temperamenti melancholici ſind, als welchen alle Medici ſchwache Nerven zuſchreiben. Bey ſolchen ſchwachen Naturen drucken ſich einmahl alle Bilder im Gehirne, inſonderheit diejenigen, die durch ein erkanntes großes Ubel erreget werden, tieffer ein; ſo, daß ſie hernach durch eine lebhaffte und ſtarcke Imagination ſich die Sache ſchier als gegenwaͤrtig vorſtellen koͤnenn. Ja wenn die Bewegung der Lebens-Geiſter im Gehirne zu ſtarck iſt, und die Staffel erreicht, welche ſie hat, wenn die die Ubel und die ſchrecklichen Dinge gegenwaͤrtig ſind, ſo muͤſſen dieſe auch in Wahrheit Dinge ge- genwaͤrtig ſehen, die doch noch nicht, oder nicht mehr gegenwaͤrtig ſind, wie in hitzigen Fiebern und andern hitzigen Kranckheiten zu geſchehen pfleget; ſo daß ſie in ein Delirium und Wahn- witz

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/330>, abgerufen am 22.11.2024.