allzu große Ausbreitung, daß der Mensch das Gute nicht genießen, noch erlangen kan, das er allzu groß geschätzet, und geurtheilet. Die Exempel derer sind bekannt, die vor Freuden gestorben; da uns doch der Affect der Freude zum Leben gegeben ist; und man kan da leicht gedencken, wie es in solchem Falle in der Seele und im Leibe zugehen müsse. Und ein ehe- mahls allhier berühmter Medicus hat Ursache gehabt, der excessiven Furcht zuzuschreiben, daß zur Zeit der Pest so viel Menschen hinge- rissen werden. Hat unsere Furcht ein allge- meines Objectum, so daß ich den Verlust mei- nes Lebens, und den Untergang meines Leibes überhaupt fürchte, so ziehen sich die Lebens- Geister in Menge nach dem Hertzen zu, das Hertze, als den Brunn des Lebens, zu con- serviren. Wie das Geblüte ist, sind auch die Lebens-Geister. Sind nun zur Zeit der Pest in den menschlichen Cörpern die Säffte höchst verdorben, so daß sie schier eine gifftige Schärffe haben; so zertheilt und ausgebreitet sie anfangs im gantzen Leibe sind, so ziehen sie sich doch durch die Furcht zusammen, und ver- mehren und füllen damit auch nothwendig die Lebens-Geister an, die nach dem Hertzen zu- eilen; was ist es demnach wunder, wenn die Pestilentialische Materie also gehäufft, die
Kranck-
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Eine weitlaͤufftige Demonſtration
allzu große Ausbreitung, daß der Menſch das Gute nicht genießen, noch erlangen kan, das er allzu groß geſchaͤtzet, und geurtheilet. Die Exempel derer ſind bekannt, die vor Freuden geſtorben; da uns doch der Affect der Freude zum Leben gegeben iſt; und man kan da leicht gedencken, wie es in ſolchem Falle in der Seele und im Leibe zugehen muͤſſe. Und ein ehe- mahls allhier beruͤhmter Medicus hat Urſache gehabt, der exceſſiven Furcht zuzuſchreiben, daß zur Zeit der Peſt ſo viel Menſchen hinge- riſſen werden. Hat unſere Furcht ein allge- meines Objectum, ſo daß ich den Verluſt mei- nes Lebens, und den Untergang meines Leibes uͤberhaupt fuͤrchte, ſo ziehen ſich die Lebens- Geiſter in Menge nach dem Hertzen zu, das Hertze, als den Brunn des Lebens, zu con- ſerviren. Wie das Gebluͤte iſt, ſind auch die Lebens-Geiſter. Sind nun zur Zeit der Peſt in den menſchlichen Coͤrpern die Saͤffte hoͤchſt verdorben, ſo daß ſie ſchier eine gifftige Schaͤrffe haben; ſo zertheilt und ausgebreitet ſie anfangs im gantzen Leibe ſind, ſo ziehen ſie ſich doch durch die Furcht zuſammen, und ver- mehren und fuͤllen damit auch nothwendig die Lebens-Geiſter an, die nach dem Hertzen zu- eilen; was iſt es demnach wunder, wenn die Peſtilentialiſche Materie alſo gehaͤufft, die
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Eine weitlaͤufftige Demonſtration
allzu große Ausbreitung, daß der Menſch das
Gute nicht genießen, noch erlangen kan, das
er allzu groß geſchaͤtzet, und geurtheilet. Die
Exempel derer ſind bekannt, die vor Freuden
geſtorben; da uns doch der Affect der Freude
zum Leben gegeben iſt; und man kan da leicht
gedencken, wie es in ſolchem Falle in der Seele
und im Leibe zugehen muͤſſe. Und ein ehe-
mahls allhier beruͤhmter Medicus hat Urſache
gehabt, der exceſſiven Furcht zuzuſchreiben,
daß zur Zeit der Peſt ſo viel Menſchen hinge-
riſſen werden. Hat unſere Furcht ein allge-
meines Objectum, ſo daß ich den Verluſt mei-
nes Lebens, und den Untergang meines Leibes
uͤberhaupt fuͤrchte, ſo ziehen ſich die Lebens-
Geiſter in Menge nach dem Hertzen zu, das
Hertze, als den Brunn des Lebens, zu con-
ſerviren. Wie das Gebluͤte iſt, ſind auch die
Lebens-Geiſter. Sind nun zur Zeit der
Peſt in den menſchlichen Coͤrpern die Saͤffte
hoͤchſt verdorben, ſo daß ſie ſchier eine gifftige
Schaͤrffe haben; ſo zertheilt und ausgebreitet
ſie anfangs im gantzen Leibe ſind, ſo ziehen ſie
ſich doch durch die Furcht zuſammen, und ver-
mehren und fuͤllen damit auch nothwendig die
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/325>, abgerufen am 22.11.2024.
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