Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

Gedancken gepeiniget:
daß ich mir offt den Mund mit der Hand zu-
halten muste, damit mich das lebendige Bild
nicht verleitete, die Lästerung auszusprechen.
O eine große Pein vor meine Seele, wer kan
solche mit Worten ausdrucken! Weil ich viel-
mahl gehört, daß dieses die Verdammten in der
Hölle einstens thun würden; so fieng ich an
mich schrecklich zu fürchten, daß dieses nicht
Vorboten der völligen Verzweiffelung, und der
ewigen Höllen-Pein seyn möchten. Die
Theologi reden hier, und da in ihren Schrifften
zwar auch von GOttes-lästerlichen Gedancken;
aber wie ich angemercket, so gedencken sie nur ins-
gemein einer niedrigen Staffel derselben, da et-
wan manchmahl bey einem gläubigen Christen
die Gedancken aufsteigen: GOTT handelt
wol mit dir zu scharff und zu strenge, er
muß wol deine Noth und Gebet nicht se-
hen noch hören: solte denn CHristus wahr-
hafftig wahrer GOtt, wie der Vater, seyn;

und dergleichen Gedancken mehr, welche ihm
gewisse Wahrheiten von GOtt, seinem Wesen
und Eigenschafften verdächtig machen wollen.
Das ist aber alles noch leidlich, und wie nichts
zu achten, gegen den hohen Grad, den ich da-
zumahl von dergleichen Gedancken empfunden.
Es kamen die Pfingst-Feyertage herzu. Jn
Feyertagen, und um dieselben, sind die Anfech-

tungen

Gedancken gepeiniget:
daß ich mir offt den Mund mit der Hand zu-
halten muſte, damit mich das lebendige Bild
nicht verleitete, die Laͤſterung auszuſprechen.
O eine große Pein vor meine Seele, wer kan
ſolche mit Worten ausdrucken! Weil ich viel-
mahl gehoͤrt, daß dieſes die Verdammten in der
Hoͤlle einſtens thun wuͤrden; ſo fieng ich an
mich ſchrecklich zu fuͤrchten, daß dieſes nicht
Vorboten der voͤlligen Verzweiffelung, und der
ewigen Hoͤllen-Pein ſeyn moͤchten. Die
Theologi reden hier, und da in ihren Schrifften
zwar auch von GOttes-laͤſterlichen Gedancken;
aber wie ich angemercket, ſo gedencken ſie nur ins-
gemein einer niedrigen Staffel derſelben, da et-
wan manchmahl bey einem glaͤubigen Chriſten
die Gedancken aufſteigen: GOTT handelt
wol mit dir zu ſcharff und zu ſtrenge, er
muß wol deine Noth und Gebet nicht ſe-
hen noch hoͤren: ſolte denn CHriſtus wahr-
hafftig wahrer GOtt, wie der Vater, ſeyn;

und dergleichen Gedancken mehr, welche ihm
gewiſſe Wahrheiten von GOtt, ſeinem Weſen
und Eigenſchafften verdaͤchtig machen wollen.
Das iſt aber alles noch leidlich, und wie nichts
zu achten, gegen den hohen Grad, den ich da-
zumahl von dergleichen Gedancken empfunden.
Es kamen die Pfingſt-Feyertage herzu. Jn
Feyertagen, und um dieſelben, ſind die Anfech-

tungen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0288" n="242"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gedancken gepeiniget:</hi></fw><lb/>
daß ich mir offt den Mund mit der Hand zu-<lb/>
halten mu&#x017F;te, damit mich das lebendige Bild<lb/>
nicht verleitete, die La&#x0364;&#x017F;terung auszu&#x017F;prechen.<lb/>
O eine große Pein vor meine Seele, wer kan<lb/>
&#x017F;olche mit Worten ausdrucken! Weil ich viel-<lb/>
mahl geho&#x0364;rt, daß die&#x017F;es die Verdammten in der<lb/>
Ho&#x0364;lle ein&#x017F;tens thun wu&#x0364;rden; &#x017F;o fieng ich an<lb/>
mich &#x017F;chrecklich zu fu&#x0364;rchten, daß die&#x017F;es nicht<lb/>
Vorboten der vo&#x0364;lligen Verzweiffelung, und der<lb/>
ewigen Ho&#x0364;llen-Pein &#x017F;eyn mo&#x0364;chten. Die<lb/><hi rendition="#aq">Theologi</hi> reden hier, und da in ihren Schrifften<lb/>
zwar auch von GOttes-la&#x0364;&#x017F;terlichen Gedancken;<lb/>
aber wie ich angemercket, &#x017F;o gedencken &#x017F;ie nur ins-<lb/>
gemein einer niedrigen Staffel der&#x017F;elben, da et-<lb/>
wan manchmahl bey einem gla&#x0364;ubigen Chri&#x017F;ten<lb/>
die Gedancken auf&#x017F;teigen: <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">GOTT</hi> handelt<lb/>
wol mit dir zu &#x017F;charff und zu &#x017F;trenge, er<lb/>
muß wol deine Noth und Gebet nicht &#x017F;e-<lb/>
hen noch ho&#x0364;ren: &#x017F;olte denn CHri&#x017F;tus wahr-<lb/>
hafftig wahrer GOtt, wie der Vater, &#x017F;eyn;</hi><lb/>
und dergleichen Gedancken mehr, welche ihm<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;e Wahrheiten von GOtt, &#x017F;einem We&#x017F;en<lb/>
und Eigen&#x017F;chafften verda&#x0364;chtig machen wollen.<lb/>
Das i&#x017F;t aber alles noch leidlich, und wie nichts<lb/>
zu achten, gegen den hohen Grad, den ich da-<lb/>
zumahl von dergleichen Gedancken empfunden.<lb/>
Es kamen die Pfing&#x017F;t-Feyertage herzu. Jn<lb/>
Feyertagen, und um die&#x017F;elben, &#x017F;ind die Anfech-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tungen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0288] Gedancken gepeiniget: daß ich mir offt den Mund mit der Hand zu- halten muſte, damit mich das lebendige Bild nicht verleitete, die Laͤſterung auszuſprechen. O eine große Pein vor meine Seele, wer kan ſolche mit Worten ausdrucken! Weil ich viel- mahl gehoͤrt, daß dieſes die Verdammten in der Hoͤlle einſtens thun wuͤrden; ſo fieng ich an mich ſchrecklich zu fuͤrchten, daß dieſes nicht Vorboten der voͤlligen Verzweiffelung, und der ewigen Hoͤllen-Pein ſeyn moͤchten. Die Theologi reden hier, und da in ihren Schrifften zwar auch von GOttes-laͤſterlichen Gedancken; aber wie ich angemercket, ſo gedencken ſie nur ins- gemein einer niedrigen Staffel derſelben, da et- wan manchmahl bey einem glaͤubigen Chriſten die Gedancken aufſteigen: GOTT handelt wol mit dir zu ſcharff und zu ſtrenge, er muß wol deine Noth und Gebet nicht ſe- hen noch hoͤren: ſolte denn CHriſtus wahr- hafftig wahrer GOtt, wie der Vater, ſeyn; und dergleichen Gedancken mehr, welche ihm gewiſſe Wahrheiten von GOtt, ſeinem Weſen und Eigenſchafften verdaͤchtig machen wollen. Das iſt aber alles noch leidlich, und wie nichts zu achten, gegen den hohen Grad, den ich da- zumahl von dergleichen Gedancken empfunden. Es kamen die Pfingſt-Feyertage herzu. Jn Feyertagen, und um dieſelben, ſind die Anfech- tungen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/288
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/288>, abgerufen am 22.11.2024.