geschehen solte, wie sie wol meines Erachtens in der Welt bey dergleichen Subjectis geschehen mag, und also dadurch diese neue Angst und Furcht den Weg zur Schlafloßigkeit und höch- sten Schwächung, ja Beraubung des Verstan- des bahnen mag. Saß ich damahls, oder stund nahe bey einem, so muste ich mir offt den Mund zuhalten, daß ich ihn nicht anspye, wenn er gleich mein Freund war, und ich alle Liebe zu ihm hatte, so daß ich gar nicht wuste, warum ich ihn anspeyen solte. Denn das An- speyen kam mir so deutlich vor, als ob es ge- schähe. Oder ich schlug ihn in Gedancken mit der Hand ins Angesichte, so daß ich die eine Hand mit der andern Hand halten muste, da- mit es nur nicht würcklich geschehen möchte. Vor allem ungewöhnlichen erschrickt man zu solchen Zeiten; allem Ansehen nach, weil die betrübten Affecten, Furcht, Angst und Sor- gen lauter Contractiones nervorum, kleine Convulsiones, Spasmos im Miltz, und andern Gefäßen des Leibes verursachen. Jch konte nicht ohne innerlich Auffahren eine große Ziffer sehen, v. g. eine 6. oder 9; ein Spatium, wo drey oder vier Bücher gestanden, machte mir schon Aengstlichkeit, und konte nicht ruhen, bis der Raum wieder mit Büchern ausgefüllet wurde. Jch bebete vor einem Zeddel, wenn
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nicht ſtaͤrcker werden,
geſchehen ſolte, wie ſie wol meines Erachtens in der Welt bey dergleichen Subjectis geſchehen mag, und alſo dadurch dieſe neue Angſt und Furcht den Weg zur Schlafloßigkeit und hoͤch- ſten Schwaͤchung, ja Beraubung des Verſtan- des bahnen mag. Saß ich damahls, oder ſtund nahe bey einem, ſo muſte ich mir offt den Mund zuhalten, daß ich ihn nicht anſpye, wenn er gleich mein Freund war, und ich alle Liebe zu ihm hatte, ſo daß ich gar nicht wuſte, warum ich ihn anſpeyen ſolte. Denn das An- ſpeyen kam mir ſo deutlich vor, als ob es ge- ſchaͤhe. Oder ich ſchlug ihn in Gedancken mit der Hand ins Angeſichte, ſo daß ich die eine Hand mit der andern Hand halten muſte, da- mit es nur nicht wuͤrcklich geſchehen moͤchte. Vor allem ungewoͤhnlichen erſchrickt man zu ſolchen Zeiten; allem Anſehen nach, weil die betruͤbten Affecten, Furcht, Angſt und Sor- gen lauter Contractiones nervorum, kleine Convulſiones, Spaſmos im Miltz, und andern Gefaͤßen des Leibes verurſachen. Jch konte nicht ohne innerlich Auffahren eine große Ziffer ſehen, v. g. eine 6. oder 9; ein Spatium, wo drey oder vier Buͤcher geſtanden, machte mir ſchon Aengſtlichkeit, und konte nicht ruhen, bis der Raum wieder mit Buͤchern ausgefuͤllet wurde. Jch bebete vor einem Zeddel, wenn
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nicht ſtaͤrcker werden,
geſchehen ſolte, wie ſie wol meines Erachtens
in der Welt bey dergleichen Subjectis geſchehen
mag, und alſo dadurch dieſe neue Angſt und
Furcht den Weg zur Schlafloßigkeit und hoͤch-
ſten Schwaͤchung, ja Beraubung des Verſtan-
des bahnen mag. Saß ich damahls, oder
ſtund nahe bey einem, ſo muſte ich mir offt den
Mund zuhalten, daß ich ihn nicht anſpye,
wenn er gleich mein Freund war, und ich alle
Liebe zu ihm hatte, ſo daß ich gar nicht wuſte,
warum ich ihn anſpeyen ſolte. Denn das An-
ſpeyen kam mir ſo deutlich vor, als ob es ge-
ſchaͤhe. Oder ich ſchlug ihn in Gedancken
mit der Hand ins Angeſichte, ſo daß ich die eine
Hand mit der andern Hand halten muſte, da-
mit es nur nicht wuͤrcklich geſchehen moͤchte.
Vor allem ungewoͤhnlichen erſchrickt man zu
ſolchen Zeiten; allem Anſehen nach, weil die
betruͤbten Affecten, Furcht, Angſt und Sor-
gen lauter Contractiones nervorum, kleine
Convulſiones, Spaſmos im Miltz, und andern
Gefaͤßen des Leibes verurſachen. Jch konte
nicht ohne innerlich Auffahren eine große Ziffer
ſehen, v. g. eine 6. oder 9; ein Spatium, wo
drey oder vier Buͤcher geſtanden, machte mir
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/283>, abgerufen am 22.11.2024.
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