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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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und geht irre
verlohren uns aber wegen Menge des Volcks,
von einander. Und da ich dencke, ich will
den Kutscher wieder einholen, so gehe ich zum
unrechten Thore hinaus, oder lencke mich doch
zu sehr zur rechten Hand, und gerathe auf Fel-
sen, und einen steinichten Weg, den die Herren
Bautzner besser, als ich, wissen werden. Kein
Mensch war da, weder zu hören, noch zu se-
hen, der mich auf die Land-Straße, so nach
Camentz, oder Leipzig gehet, hingewiesen hätte.
Von Mittag an bis 5. Uhr des Abends gehe
ich in der Jrre in lauter kaltem Winde, und gar-
stigem April-Wetter, bald im Regen, bald
in Graupeln, so daß ich meynte, ich müste des
Todes seyn, und auf dem Felde liegen bleiben.
Und da ich endlich auf den rechten Weg ge-
langte, so traff ich einen großen Fracht-Wagen
an, der aber so beladen, daß ich nur kümmer-
lich hinten aufhucken, und nur stehen kunte,
und bis um 8. Uhr stehen, und neben her lauf-
fen muste, bis wir dahin kamen, wo unser
Kutscher sein Nacht-Lager zu halten verspro-
chen, der eine halbe Stunde später, als ich,
ankam, und eine gute Zeit auf mich vor Bau-
tzen gewartet hatte.

Doch dieses war nicht nur vor mich eine
große Prüfung, (denn wie ich in dieser Verir-
rung zu GOtt geruffen, weiß ich am besten)

sondern

und geht irre
verlohren uns aber wegen Menge des Volcks,
von einander. Und da ich dencke, ich will
den Kutſcher wieder einholen, ſo gehe ich zum
unrechten Thore hinaus, oder lencke mich doch
zu ſehr zur rechten Hand, und gerathe auf Fel-
ſen, und einen ſteinichten Weg, den die Herren
Bautzner beſſer, als ich, wiſſen werden. Kein
Menſch war da, weder zu hoͤren, noch zu ſe-
hen, der mich auf die Land-Straße, ſo nach
Camentz, oder Leipzig gehet, hingewieſen haͤtte.
Von Mittag an bis 5. Uhr des Abends gehe
ich in der Jrre in lauter kaltem Winde, und gar-
ſtigem April-Wetter, bald im Regen, bald
in Graupeln, ſo daß ich meynte, ich muͤſte des
Todes ſeyn, und auf dem Felde liegen bleiben.
Und da ich endlich auf den rechten Weg ge-
langte, ſo traff ich einen großen Fracht-Wagen
an, der aber ſo beladen, daß ich nur kuͤmmer-
lich hinten aufhucken, und nur ſtehen kunte,
und bis um 8. Uhr ſtehen, und neben her lauf-
fen muſte, bis wir dahin kamen, wo unſer
Kutſcher ſein Nacht-Lager zu halten verſpro-
chen, der eine halbe Stunde ſpaͤter, als ich,
ankam, und eine gute Zeit auf mich vor Bau-
tzen gewartet hatte.

Doch dieſes war nicht nur vor mich eine
große Pruͤfung, (denn wie ich in dieſer Verir-
rung zu GOtt geruffen, weiß ich am beſten)

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[152/0198] und geht irre verlohren uns aber wegen Menge des Volcks, von einander. Und da ich dencke, ich will den Kutſcher wieder einholen, ſo gehe ich zum unrechten Thore hinaus, oder lencke mich doch zu ſehr zur rechten Hand, und gerathe auf Fel- ſen, und einen ſteinichten Weg, den die Herren Bautzner beſſer, als ich, wiſſen werden. Kein Menſch war da, weder zu hoͤren, noch zu ſe- hen, der mich auf die Land-Straße, ſo nach Camentz, oder Leipzig gehet, hingewieſen haͤtte. Von Mittag an bis 5. Uhr des Abends gehe ich in der Jrre in lauter kaltem Winde, und gar- ſtigem April-Wetter, bald im Regen, bald in Graupeln, ſo daß ich meynte, ich muͤſte des Todes ſeyn, und auf dem Felde liegen bleiben. Und da ich endlich auf den rechten Weg ge- langte, ſo traff ich einen großen Fracht-Wagen an, der aber ſo beladen, daß ich nur kuͤmmer- lich hinten aufhucken, und nur ſtehen kunte, und bis um 8. Uhr ſtehen, und neben her lauf- fen muſte, bis wir dahin kamen, wo unſer Kutſcher ſein Nacht-Lager zu halten verſpro- chen, der eine halbe Stunde ſpaͤter, als ich, ankam, und eine gute Zeit auf mich vor Bau- tzen gewartet hatte. Doch dieſes war nicht nur vor mich eine große Pruͤfung, (denn wie ich in dieſer Verir- rung zu GOtt geruffen, weiß ich am beſten) ſondern

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/198>, abgerufen am 24.11.2024.