der, umgehe, und zancke. Aber ie mehr ich mir vornahm gütig zu seyn, ie ärger fieng ich von Zorn an zu toben, sobald sie mir etwas vorhiel- ten, und etwan iemand mich bey ihnen fälschlich verleumdet und angegeben hatte. Und was soll ich sagen von der allzugroßen Schärfe gegen die armen Kinder, die man mir in Conditionen auf meine Seele gebunden hatte, zu welcher mich offt der Jach-Zorn gereitzet, und wodurch ich denselben mehr geschadet, als genutzet? Ach was hat mir dieser Affect in meinem Leben vor Mühe gemacht, und mich vor Thränen gekostet! Jch hatte erbarmende Liebe zu meinen Discipeln, und es jammerte mich, daß ich nicht gelinder seyn konte. Arm war ich, und wuste nicht wohin, und vom informiren muste ich leben, und hatte doch nicht die nöthige Sanfftmuth, die zu einem Informatore erfordert wird. Diese Bestie, der Jach-Zorn, hat in mir zu wüten auch nicht eher aufgehöret, bis GOtt endlich einen Affect mit dem andern vertrieben, und durch schreckliche Furcht und Melancholey dem Zorn ein Ende ge- macht, oder denselben doch sehr geschwächet; und bis ich die Wurtzel der unmäßigen Affecten im Leibe gefunden, und durch Medicamente dem feurigen und hitzigen Geblüte des Leibes wider- standen habe.
Der
G 4
wider die er zu ſtreiten gehabt,
der, umgehe, und zancke. Aber ie mehr ich mir vornahm guͤtig zu ſeyn, ie aͤrger fieng ich von Zorn an zu toben, ſobald ſie mir etwas vorhiel- ten, und etwan iemand mich bey ihnen faͤlſchlich verleumdet und angegeben hatte. Und was ſoll ich ſagen von der allzugroßen Schaͤrfe gegen die armen Kinder, die man mir in Conditionen auf meine Seele gebunden hatte, zu welcher mich offt der Jach-Zorn gereitzet, und wodurch ich denſelben mehr geſchadet, als genutzet? Ach was hat mir dieſer Affect in meinem Leben vor Muͤhe gemacht, und mich vor Thraͤnen gekoſtet! Jch hatte erbarmende Liebe zu meinen Diſcipeln, und es jammerte mich, daß ich nicht gelinder ſeyn konte. Arm war ich, und wuſte nicht wohin, und vom informiren muſte ich leben, und hatte doch nicht die noͤthige Sanfftmuth, die zu einem Informatore erfordert wird. Dieſe Beſtie, der Jach-Zorn, hat in mir zu wuͤten auch nicht eher aufgehoͤret, bis GOtt endlich einen Affect mit dem andern vertrieben, und durch ſchreckliche Furcht und Melancholey dem Zorn ein Ende ge- macht, oder denſelben doch ſehr geſchwaͤchet; und bis ich die Wurtzel der unmaͤßigen Affecten im Leibe gefunden, und durch Medicamente dem feurigen und hitzigen Gebluͤte des Leibes wider- ſtanden habe.
Der
G 4
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wider die er zu ſtreiten gehabt,
der, umgehe, und zancke. Aber ie mehr ich mir
vornahm guͤtig zu ſeyn, ie aͤrger fieng ich von
Zorn an zu toben, ſobald ſie mir etwas vorhiel-
ten, und etwan iemand mich bey ihnen faͤlſchlich
verleumdet und angegeben hatte. Und was ſoll
ich ſagen von der allzugroßen Schaͤrfe gegen die
armen Kinder, die man mir in Conditionen auf
meine Seele gebunden hatte, zu welcher mich
offt der Jach-Zorn gereitzet, und wodurch ich
denſelben mehr geſchadet, als genutzet? Ach was
hat mir dieſer Affect in meinem Leben vor Muͤhe
gemacht, und mich vor Thraͤnen gekoſtet! Jch
hatte erbarmende Liebe zu meinen Diſcipeln, und
es jammerte mich, daß ich nicht gelinder ſeyn
konte. Arm war ich, und wuſte nicht wohin,
und vom informiren muſte ich leben, und hatte
doch nicht die noͤthige Sanfftmuth, die zu einem
Informatore erfordert wird. Dieſe Beſtie,
der Jach-Zorn, hat in mir zu wuͤten auch nicht eher
aufgehoͤret, bis GOtt endlich einen Affect mit
dem andern vertrieben, und durch ſchreckliche
Furcht und Melancholey dem Zorn ein Ende ge-
macht, oder denſelben doch ſehr geſchwaͤchet;
und bis ich die Wurtzel der unmaͤßigen Affecten
im Leibe gefunden, und durch Medicamente dem
feurigen und hitzigen Gebluͤte des Leibes wider-
ſtanden habe.
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/149>, abgerufen am 22.11.2024.
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