müssen gewesen seyn, die mir zu einer solchen Last worden; du kanst ja leicht von dir selbst schließen, was vor Sünden und lasterhafften Gewohnheiten die Jugend unterworffen ist. Jch wolte dir es auch gerne sagen, und frage wenig darnach, wer und welcherley ich in der Jugend gewesen bin, und was die Leute davon urtheilen möchten; aber wenn die Welt-Menschen hören, daß auch ein Prediger in der Jugend eben nicht allemahl der frömmste gewesen, sondern diese und jene Sünde begangen, welche sie auch an sich, oder zu der sie doch große Neigung haben; o dencken sie, bist du dem allen ungeachtet, gleichwol da- durch nicht um alle deine irrdische Glückseligkeit kommen, und ist noch ein Mann aus dir wor- den, der der Welt, und seinem Nechsten noch dienen kan; so werd auch ich mir kein Gewißen machen dürffen, solche zu begehen, oder in den- selben zu verharren. Gereicht also eine solche Specificirung den Welt-Kindern insgemein zu großem Aergerniß, und ist besser, daß solche ver- schwiegen, als weitläufftig beschrieben werden. Vielleicht machst du daraus gar keine, oder nur- kleine Sünden, welche ich in der Jugend bey mir vor sehr groß an[ge]sehen. Hiob war ein gottsfürchtiger Mann; und ich weiß, du wirst ihm doch nicht Himmel-schreyende Sünden, oder Sodoms-Missethaten, so er als ein Jüngling
began-
G 3
Erzehlt einige
muͤſſen geweſen ſeyn, die mir zu einer ſolchen Laſt worden; du kanſt ja leicht von dir ſelbſt ſchließen, was vor Suͤnden und laſterhafften Gewohnheiten die Jugend unterworffen iſt. Jch wolte dir es auch gerne ſagen, und frage wenig darnach, wer und welcherley ich in der Jugend geweſen bin, und was die Leute davon urtheilen moͤchten; aber wenn die Welt-Menſchen hoͤren, daß auch ein Prediger in der Jugend eben nicht allemahl der froͤmmſte geweſen, ſondern dieſe und jene Suͤnde begangen, welche ſie auch an ſich, oder zu der ſie doch große Neigung haben; o dencken ſie, biſt du dem allen ungeachtet, gleichwol da- durch nicht um alle deine irrdiſche Gluͤckſeligkeit kommen, und iſt noch ein Mann aus dir wor- den, der der Welt, und ſeinem Nechſten noch dienen kan; ſo werd auch ich mir kein Gewißen machen duͤrffen, ſolche zu begehen, oder in den- ſelben zu verharren. Gereicht alſo eine ſolche Specificirung den Welt-Kindern insgemein zu großem Aergerniß, und iſt beſſer, daß ſolche ver- ſchwiegen, als weitlaͤufftig beſchrieben werden. Vielleicht machſt du daraus gar keine, oder nur- kleine Suͤnden, welche ich in der Jugend bey mir vor ſehr groß an[ge]ſehen. Hiob war ein gottsfuͤrchtiger Mann; und ich weiß, du wirſt ihm doch nicht Himmel-ſchreyende Suͤnden, oder Sodoms-Miſſethaten, ſo er als ein Juͤngling
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Erzehlt einige
muͤſſen geweſen ſeyn, die mir zu einer ſolchen Laſt
worden; du kanſt ja leicht von dir ſelbſt ſchließen,
was vor Suͤnden und laſterhafften Gewohnheiten
die Jugend unterworffen iſt. Jch wolte dir es
auch gerne ſagen, und frage wenig darnach,
wer und welcherley ich in der Jugend geweſen
bin, und was die Leute davon urtheilen moͤchten;
aber wenn die Welt-Menſchen hoͤren, daß auch
ein Prediger in der Jugend eben nicht allemahl
der froͤmmſte geweſen, ſondern dieſe und jene
Suͤnde begangen, welche ſie auch an ſich, oder
zu der ſie doch große Neigung haben; o dencken
ſie, biſt du dem allen ungeachtet, gleichwol da-
durch nicht um alle deine irrdiſche Gluͤckſeligkeit
kommen, und iſt noch ein Mann aus dir wor-
den, der der Welt, und ſeinem Nechſten noch
dienen kan; ſo werd auch ich mir kein Gewißen
machen duͤrffen, ſolche zu begehen, oder in den-
ſelben zu verharren. Gereicht alſo eine ſolche
Specificirung den Welt-Kindern insgemein zu
großem Aergerniß, und iſt beſſer, daß ſolche ver-
ſchwiegen, als weitlaͤufftig beſchrieben werden.
Vielleicht machſt du daraus gar keine, oder nur-
kleine Suͤnden, welche ich in der Jugend bey
mir vor ſehr groß angeſehen. Hiob war ein
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/147>, abgerufen am 22.11.2024.
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