ben und Rechnen unterrichten muste. Jch war derselben nicht ungewogen, wie sie denn gar ein fein Mägdgen war; und vielleicht war es mein Glücke, daß sie nicht nur an Jahren, sondern auch am Verstande mich übertraff, und auch frömmer und tugendhaffter, als ich war.
Anno 1694. §. 24.
An. 1694. im Früh-Jahr wurde mein Zu- stand noch um ein merckliches verbessert. Jch bekam ein völliges Hospitium, Morgend- und Abend-Tisch bey dem Fleischer-Aeltesten, Höl- mann, am Elisabeth-Kirchhoff, der mich vor seine 4. Kinder zum Praeceptor annahm. Es waren ehrliche, und fromme Leute, im Gottes- dienste eiferig, redlich, und gerecht gegen ieder- man, und gegen mich selbst höchst billig und gü- tig. Sie hatten auch selbst unter einander so eine hertzliche Liebe, daß sie ein Kind nach dem andern zeugeten; gleichwol aber, was das cu- rieuseste, so geriethen sie, wo nicht täglich, doch wöchentlich ein und das anderemahl, und gemei- niglich bey Tische in solchen abscheulichen Zanck, daß mir offt dabey recht übel ward, wenn ich nur ihren Zanck mit anhören muste. Jedes klagte mir seine Noth, die es zu haben vermeynte, und machte diese Gewohnheit zu seinem grösten Haus-
Creutz.
und eine Informatur.
ben und Rechnen unterrichten muſte. Jch war derſelben nicht ungewogen, wie ſie denn gar ein fein Maͤgdgen war; und vielleicht war es mein Gluͤcke, daß ſie nicht nur an Jahren, ſondern auch am Verſtande mich uͤbertraff, und auch froͤmmer und tugendhaffter, als ich war.
Anno 1694. §. 24.
An. 1694. im Fruͤh-Jahr wurde mein Zu- ſtand noch um ein merckliches verbeſſert. Jch bekam ein voͤlliges Hoſpitium, Morgend- und Abend-Tiſch bey dem Fleiſcher-Aelteſten, Hoͤl- mann, am Eliſabeth-Kirchhoff, der mich vor ſeine 4. Kinder zum Præceptor annahm. Es waren ehrliche, und fromme Leute, im Gottes- dienſte eiferig, redlich, und gerecht gegen ieder- man, und gegen mich ſelbſt hoͤchſt billig und guͤ- tig. Sie hatten auch ſelbſt unter einander ſo eine hertzliche Liebe, daß ſie ein Kind nach dem andern zeugeten; gleichwol aber, was das cu- rieuſeſte, ſo geriethen ſie, wo nicht taͤglich, doch woͤchentlich ein und das anderemahl, und gemei- niglich bey Tiſche in ſolchen abſcheulichen Zanck, daß mir offt dabey recht uͤbel ward, wenn ich nur ihren Zanck mit anhoͤren muſte. Jedes klagte mir ſeine Noth, die es zu haben vermeynte, und machte dieſe Gewohnheit zu ſeinem groͤſten Haus-
Creutz.
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und eine Informatur.
ben und Rechnen unterrichten muſte. Jch
war derſelben nicht ungewogen, wie ſie denn
gar ein fein Maͤgdgen war; und vielleicht war
es mein Gluͤcke, daß ſie nicht nur an Jahren,
ſondern auch am Verſtande mich uͤbertraff, und
auch froͤmmer und tugendhaffter, als ich war.
Anno 1694.
§. 24.
An. 1694. im Fruͤh-Jahr wurde mein Zu-
ſtand noch um ein merckliches verbeſſert. Jch
bekam ein voͤlliges Hoſpitium, Morgend- und
Abend-Tiſch bey dem Fleiſcher-Aelteſten, Hoͤl-
mann, am Eliſabeth-Kirchhoff, der mich vor
ſeine 4. Kinder zum Præceptor annahm. Es
waren ehrliche, und fromme Leute, im Gottes-
dienſte eiferig, redlich, und gerecht gegen ieder-
man, und gegen mich ſelbſt hoͤchſt billig und guͤ-
tig. Sie hatten auch ſelbſt unter einander ſo
eine hertzliche Liebe, daß ſie ein Kind nach dem
andern zeugeten; gleichwol aber, was das cu-
rieuſeſte, ſo geriethen ſie, wo nicht taͤglich, doch
woͤchentlich ein und das anderemahl, und gemei-
niglich bey Tiſche in ſolchen abſcheulichen Zanck,
daß mir offt dabey recht uͤbel ward, wenn ich nur
ihren Zanck mit anhoͤren muſte. Jedes klagte
mir ſeine Noth, die es zu haben vermeynte, und
machte dieſe Gewohnheit zu ſeinem groͤſten Haus-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/142>, abgerufen am 23.11.2024.
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