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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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darff mit seiner Schwester
Kranckheit, in welcher sie schrecklich phantasirte.
Jhr Delirium war zuweilen so groß, daß sie dar-
auf bestand, die Pathen hätten ihrem Kinde den
Teufel im Pathen-Gelde mit eingebunden, und
wünschte, daß es nur nicht leben bleiben möchte.
Wenn die Paroxysmi nachließen, war sie gar ver-
nünfftig, und bereitete sich auf den Tod, den sie
auch vor gantz gewiß hielt. Sie redete aber
doch allerhand seltsame Dinge mit unter, auch
wenn sie sich in leidlichem Zustande befand. Ein
oder zweymahl beklagte sie sich über mich abwe-
send, daß, da sie mich iederzeit so sehr geliebet,
und mir so viel gutes erzeiget, ich ihr nicht ein-
mal den letzten Liebes-Dienst erweisen, und mit
ihr zu Grabe gehen wolte. Meinen Schwe-
stern, und meiner Mutter kam dieses seltsam vor,
und suchten es ihr auszureden. Jch selbst lachte
darüber, indem ich zur Zeit keine Ursache fand,
die mich hätte davon abhalten sollen. Aber was
geschah? den Tag, ehe sie begraben wurde, re-
dete der Schultze mit meinem Vater, und sagte
ihm: er solte mich ja nicht mit zu Grabe gehen
lassen; Jch müste hinter dem Sarge gehen,
und unter den Leidtragenden seyn, und wäre doch
noch nicht von der Catholischen Obrigkeit los ge-
macht. Daferne mich nun der Ertz-Priester
in Studenten-Mantel sehen solte, würde er ohn-
fehlbar wollen wissen, was mein Thun wäre, ob

ich

darff mit ſeiner Schweſter
Kranckheit, in welcher ſie ſchrecklich phantaſirte.
Jhr Delirium war zuweilen ſo groß, daß ſie dar-
auf beſtand, die Pathen haͤtten ihrem Kinde den
Teufel im Pathen-Gelde mit eingebunden, und
wuͤnſchte, daß es nur nicht leben bleiben moͤchte.
Wenn die Paroxyſmi nachließen, war ſie gar ver-
nuͤnfftig, und bereitete ſich auf den Tod, den ſie
auch vor gantz gewiß hielt. Sie redete aber
doch allerhand ſeltſame Dinge mit unter, auch
wenn ſie ſich in leidlichem Zuſtande befand. Ein
oder zweymahl beklagte ſie ſich uͤber mich abwe-
ſend, daß, da ſie mich iederzeit ſo ſehr geliebet,
und mir ſo viel gutes erzeiget, ich ihr nicht ein-
mal den letzten Liebes-Dienſt erweiſen, und mit
ihr zu Grabe gehen wolte. Meinen Schwe-
ſtern, und meiner Mutter kam dieſes ſeltſam vor,
und ſuchten es ihr auszureden. Jch ſelbſt lachte
daruͤber, indem ich zur Zeit keine Urſache fand,
die mich haͤtte davon abhalten ſollen. Aber was
geſchah? den Tag, ehe ſie begraben wurde, re-
dete der Schultze mit meinem Vater, und ſagte
ihm: er ſolte mich ja nicht mit zu Grabe gehen
laſſen; Jch muͤſte hinter dem Sarge gehen,
und unter den Leidtragenden ſeyn, und waͤre doch
noch nicht von der Catholiſchen Obrigkeit los ge-
macht. Daferne mich nun der Ertz-Prieſter
in Studenten-Mantel ſehen ſolte, wuͤrde er ohn-
fehlbar wollen wiſſen, was mein Thun waͤre, ob

ich
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[93/0139] darff mit ſeiner Schweſter Kranckheit, in welcher ſie ſchrecklich phantaſirte. Jhr Delirium war zuweilen ſo groß, daß ſie dar- auf beſtand, die Pathen haͤtten ihrem Kinde den Teufel im Pathen-Gelde mit eingebunden, und wuͤnſchte, daß es nur nicht leben bleiben moͤchte. Wenn die Paroxyſmi nachließen, war ſie gar ver- nuͤnfftig, und bereitete ſich auf den Tod, den ſie auch vor gantz gewiß hielt. Sie redete aber doch allerhand ſeltſame Dinge mit unter, auch wenn ſie ſich in leidlichem Zuſtande befand. Ein oder zweymahl beklagte ſie ſich uͤber mich abwe- ſend, daß, da ſie mich iederzeit ſo ſehr geliebet, und mir ſo viel gutes erzeiget, ich ihr nicht ein- mal den letzten Liebes-Dienſt erweiſen, und mit ihr zu Grabe gehen wolte. Meinen Schwe- ſtern, und meiner Mutter kam dieſes ſeltſam vor, und ſuchten es ihr auszureden. Jch ſelbſt lachte daruͤber, indem ich zur Zeit keine Urſache fand, die mich haͤtte davon abhalten ſollen. Aber was geſchah? den Tag, ehe ſie begraben wurde, re- dete der Schultze mit meinem Vater, und ſagte ihm: er ſolte mich ja nicht mit zu Grabe gehen laſſen; Jch muͤſte hinter dem Sarge gehen, und unter den Leidtragenden ſeyn, und waͤre doch noch nicht von der Catholiſchen Obrigkeit los ge- macht. Daferne mich nun der Ertz-Prieſter in Studenten-Mantel ſehen ſolte, wuͤrde er ohn- fehlbar wollen wiſſen, was mein Thun waͤre, ob ich

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/139>, abgerufen am 23.11.2024.