mich offt geschicket, hatte lernen kennen, und also erfahren müssen, daß Prediger, die ich mir zuvor stets, wie halbe Götter, oder wie gantze Engel eingebildet, Menschen, wie andere Men- schen wären: zum Theil so hochmüthig wie andere Menschen, so zancksüchtig wie andere Menschen, so geitzig wie andere Menschen, so unverständig und unweise wie andere Menschen, ja öffters auch noch schlimmer, als andere Men- schen. Es ist besser, die Leute glaubens, und wissens, daß Prediger Menschen sind, als daß sie es wissen, und zugleich sehen. Und wenn ich noch so reich und vornehm wäre, und hätte einen Prediger, der mein Hertze rühren, und mich durch GOttes Wort auf die kräfftigste Weise erquicken könte, ich würde Bedencken tragen, ihn öffters zu mir zu bitten, oder ihn zu Hause zu besuchen, um mit ihm samiliair zu werden, es müste denn mich eine gewisse geistliche Seelen- Noth darzu antreiben, und ich von einem großen Maaße seiner Gottseligkeit überzeuget seyn. Major e longinquo reverentia, mag es auch hier heißen. Sie tragen ihren Schatz in ir- denen Gefäßen; und wenn mancher im Um- gange, und bey Gastmahlen mit seinen Kirch- Kindern sich noch so lange zwinget, und verstellet; so redet, oder thut er doch um ein leichtes etwas, über welches man die Uberschrifft machen und
sagen
und welchen Verdruß
mich offt geſchicket, hatte lernen kennen, und alſo erfahren muͤſſen, daß Prediger, die ich mir zuvor ſtets, wie halbe Goͤtter, oder wie gantze Engel eingebildet, Menſchen, wie andere Men- ſchen waͤren: zům Theil ſo hochmuͤthig wie andere Menſchen, ſo zanckſuͤchtig wie andere Menſchen, ſo geitzig wie andere Menſchen, ſo unverſtaͤndig und unweiſe wie andere Menſchen, ja oͤffters auch noch ſchlimmer, als andere Men- ſchen. Es iſt beſſer, die Leute glaubens, und wiſſens, daß Prediger Menſchen ſind, als daß ſie es wiſſen, und zugleich ſehen. Und wenn ich noch ſo reich und vornehm waͤre, und haͤtte einen Prediger, der mein Hertze ruͤhren, und mich durch GOttes Wort auf die kraͤfftigſte Weiſe erquicken koͤnte, ich wuͤrde Bedencken tragen, ihn oͤffters zu mir zu bitten, oder ihn zu Hauſe zu beſuchen, um mit ihm ſamiliair zu werden, es muͤſte denn mich eine gewiſſe geiſtliche Seelen- Noth darzu antreiben, und ich von einem großen Maaße ſeiner Gottſeligkeit uͤberzeuget ſeyn. Major e longinquo reverentia, mag es auch hier heißen. Sie tragen ihren Schatz in ir- denen Gefaͤßen; und wenn mancher im Um- gange, und bey Gaſtmahlen mit ſeinen Kirch- Kindern ſich noch ſo lange zwinget, und verſtellet; ſo redet, oder thut er doch um ein leichtes etwas, uͤber welches man die Uberſchrifft machen und
ſagen
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und welchen Verdruß
mich offt geſchicket, hatte lernen kennen, und
alſo erfahren muͤſſen, daß Prediger, die ich mir
zuvor ſtets, wie halbe Goͤtter, oder wie gantze
Engel eingebildet, Menſchen, wie andere Men-
ſchen waͤren: zům Theil ſo hochmuͤthig wie
andere Menſchen, ſo zanckſuͤchtig wie andere
Menſchen, ſo geitzig wie andere Menſchen, ſo
unverſtaͤndig und unweiſe wie andere Menſchen,
ja oͤffters auch noch ſchlimmer, als andere Men-
ſchen. Es iſt beſſer, die Leute glaubens, und
wiſſens, daß Prediger Menſchen ſind, als daß
ſie es wiſſen, und zugleich ſehen. Und wenn ich
noch ſo reich und vornehm waͤre, und haͤtte einen
Prediger, der mein Hertze ruͤhren, und mich
durch GOttes Wort auf die kraͤfftigſte Weiſe
erquicken koͤnte, ich wuͤrde Bedencken tragen,
ihn oͤffters zu mir zu bitten, oder ihn zu Hauſe
zu beſuchen, um mit ihm ſamiliair zu werden,
es muͤſte denn mich eine gewiſſe geiſtliche Seelen-
Noth darzu antreiben, und ich von einem großen
Maaße ſeiner Gottſeligkeit uͤberzeuget ſeyn.
Major e longinquo reverentia, mag es auch
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/126>, abgerufen am 25.11.2024.
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