hören laßen, ob ich dessen, was ich geredet, noch geständig. Nun gehörten wir Gymna- siasten wol nicht vor die Voigtthey; und, wenn ich auch ein Primaner gewesen wäre, so muste man mich doch bey dem Rector verklagen; Allein dieses wuste ich nicht; ich war auch in secundo Ordine in großem Ansehen, worinnen ich schon drittehalb Jahr gesessen: Die Praece- ptores stellten mich den andern Schülern zum Exempel vor: man hatte noch nichts Böses iemals von mir gehöret: Jch hätte mich zu Tode geschämet, wenn diese Sache, und Klät- scherey vor die Praeceptores und Commilitones gekommen wäre. Darum gieng und erschien ich vor dem Stadt-Voigt, und suchte diese Af- faire in der Schule zu verbergen, so lange es möglich war. Jch würde thöricht seyn, wenn ich mich bey dieser Klätscherey lange auf halten wolte, so viel Angst sie mir auch gemacht, daß ich offt des Nachts nicht schlafen können. Jch gestund alles, was ich dem Herr Magister er- zehlet hatte; da ich aber nicht zu sagen wuste, oder nicht sagen wolte, von wem, und wo ich es gehöret, so kam es einst so weit, daß ich der Klägerin ein Ehren-Versorg, zwey Thaler hei- ligen Christ, zwey Thaler Lohn, und sechs Tha- ler Kost-Geld geben, oder in Ermangelung des- sen, in den Stock gehen solte. Hier muste ich
nun,
Proceß auf ein halbes Jahr,
hoͤren laßen, ob ich deſſen, was ich geredet, noch geſtaͤndig. Nun gehoͤrten wir Gymna- ſiaſten wol nicht vor die Voigtthey; und, wenn ich auch ein Primaner geweſen waͤre, ſo muſte man mich doch bey dem Rector verklagen; Allein dieſes wuſte ich nicht; ich war auch in ſecundo Ordine in großem Anſehen, worinnen ich ſchon drittehalb Jahr geſeſſen: Die Præce- ptores ſtellten mich den andern Schuͤlern zum Exempel vor: man hatte noch nichts Boͤſes iemals von mir gehoͤret: Jch haͤtte mich zu Tode geſchaͤmet, wenn dieſe Sache, und Klaͤt- ſcherey vor die Præceptores und Commilitones gekommen waͤre. Darum gieng und erſchien ich vor dem Stadt-Voigt, und ſuchte dieſe Af- faire in der Schule zu verbergen, ſo lange es moͤglich war. Jch wuͤrde thoͤricht ſeyn, wenn ich mich bey dieſer Klaͤtſcherey lange auf halten wolte, ſo viel Angſt ſie mir auch gemacht, daß ich offt des Nachts nicht ſchlafen koͤnnen. Jch geſtund alles, was ich dem Herr Magiſter er- zehlet hatte; da ich aber nicht zu ſagen wuſte, oder nicht ſagen wolte, von wem, und wo ich es gehoͤret, ſo kam es einſt ſo weit, daß ich der Klaͤgerin ein Ehren-Verſorg, zwey Thaler hei- ligen Chriſt, zwey Thaler Lohn, und ſechs Tha- ler Koſt-Geld geben, oder in Ermangelung deſ- ſen, in den Stock gehen ſolte. Hier muſte ich
nun,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0123"n="77"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">Proceß</hi> auf ein halbes Jahr,</hi></fw><lb/>
hoͤren laßen, ob ich deſſen, was ich geredet,<lb/>
noch geſtaͤndig. Nun gehoͤrten wir <hirendition="#aq">Gymna-<lb/>ſiaſt</hi>en wol nicht vor die Voigtthey; und, wenn<lb/>
ich auch ein <hirendition="#aq">Priman</hi>er geweſen waͤre, ſo muſte<lb/>
man mich doch bey dem <hirendition="#aq">Rector</hi> verklagen;<lb/>
Allein dieſes wuſte ich nicht; ich war auch in<lb/><hirendition="#aq">ſecundo Ordine</hi> in großem Anſehen, worinnen<lb/>
ich ſchon drittehalb Jahr geſeſſen: Die <hirendition="#aq">Præce-<lb/>
ptores</hi>ſtellten mich den andern Schuͤlern zum<lb/>
Exempel vor: man hatte noch nichts Boͤſes<lb/>
iemals von mir gehoͤret: Jch haͤtte mich zu<lb/>
Tode geſchaͤmet, wenn dieſe Sache, und Klaͤt-<lb/>ſcherey vor die <hirendition="#aq">Præceptores</hi> und <hirendition="#aq">Commilitones</hi><lb/>
gekommen waͤre. Darum gieng und erſchien<lb/>
ich vor dem Stadt-Voigt, und ſuchte dieſe <hirendition="#aq">Af-<lb/>
faire</hi> in der Schule zu verbergen, ſo lange es<lb/>
moͤglich war. Jch wuͤrde thoͤricht ſeyn, wenn<lb/>
ich mich bey dieſer Klaͤtſcherey lange auf halten<lb/>
wolte, ſo viel Angſt ſie mir auch gemacht, daß<lb/>
ich offt des Nachts nicht ſchlafen koͤnnen. Jch<lb/>
geſtund alles, was ich dem Herr <hirendition="#aq">Magiſter</hi> er-<lb/>
zehlet hatte; da ich aber nicht zu ſagen wuſte,<lb/>
oder nicht ſagen wolte, von wem, und wo ich es<lb/>
gehoͤret, ſo kam es einſt ſo weit, daß ich der<lb/>
Klaͤgerin ein Ehren-Verſorg, zwey Thaler hei-<lb/>
ligen Chriſt, zwey Thaler Lohn, und ſechs Tha-<lb/>
ler Koſt-Geld geben, oder in Ermangelung deſ-<lb/>ſen, in den Stock gehen ſolte. Hier muſte ich<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nun,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[77/0123]
Proceß auf ein halbes Jahr,
hoͤren laßen, ob ich deſſen, was ich geredet,
noch geſtaͤndig. Nun gehoͤrten wir Gymna-
ſiaſten wol nicht vor die Voigtthey; und, wenn
ich auch ein Primaner geweſen waͤre, ſo muſte
man mich doch bey dem Rector verklagen;
Allein dieſes wuſte ich nicht; ich war auch in
ſecundo Ordine in großem Anſehen, worinnen
ich ſchon drittehalb Jahr geſeſſen: Die Præce-
ptores ſtellten mich den andern Schuͤlern zum
Exempel vor: man hatte noch nichts Boͤſes
iemals von mir gehoͤret: Jch haͤtte mich zu
Tode geſchaͤmet, wenn dieſe Sache, und Klaͤt-
ſcherey vor die Præceptores und Commilitones
gekommen waͤre. Darum gieng und erſchien
ich vor dem Stadt-Voigt, und ſuchte dieſe Af-
faire in der Schule zu verbergen, ſo lange es
moͤglich war. Jch wuͤrde thoͤricht ſeyn, wenn
ich mich bey dieſer Klaͤtſcherey lange auf halten
wolte, ſo viel Angſt ſie mir auch gemacht, daß
ich offt des Nachts nicht ſchlafen koͤnnen. Jch
geſtund alles, was ich dem Herr Magiſter er-
zehlet hatte; da ich aber nicht zu ſagen wuſte,
oder nicht ſagen wolte, von wem, und wo ich es
gehoͤret, ſo kam es einſt ſo weit, daß ich der
Klaͤgerin ein Ehren-Verſorg, zwey Thaler hei-
ligen Chriſt, zwey Thaler Lohn, und ſechs Tha-
ler Koſt-Geld geben, oder in Ermangelung deſ-
ſen, in den Stock gehen ſolte. Hier muſte ich
nun,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/123>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.