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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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scharff deswegen bestraft:
GOtt befürchtete. Meine Mutter wuste sich
endlich am ersten noch zu fassen, und ein wenig
wieder zu besänfftigen auf Zureden und Vorstel-
lung einer Nachbarin. Jhr werdet euch doch
um des Dinges willen nicht zu Tode ängstigen,
sprach dieselbe, ist denn nun das so eine große
Sache, wenn sich Jungen mit einander schla-
gen: mein Junge schmeist sich um ein leichtes
mit den andern auf der Gasse herum, so offt
ihm einer zu nahe kommt; ich wäre thöricht,
wenn ich erst ein solch Lerm darum anfangen
solte. Muß denn der Prediger alle Dinge
auf die Cantzel bringen? kan er nicht zu Hause
unter seinem Gesinde selbst Richter seyn, und sie
strafen, wenn sie was Böses thun? Zuvor hat
er euren Sohn nicht genug loben können, son-
dern ihn bis in den Himmel erhoben, und nun
will er ihn um solcher Lappalien willen auf ein-
mahl zur Höllen verdammen. So ein gutes
Hertz, und so viel andere Tugenden dieser sonst
große Linguiste hatte und besaß, so war doch die-
ses einer seiner Fehler, daß er leicht zum Zorn
zu bewegen, und im Zorne gleich auf allzu harte
Strafe dessen bedacht war, der ihn beleidiget;
wie er denn auch mit den zwey andern Predi-
gern, die neben ihm in der Kirche dieneten, in
ärgerlichem Streit lebete; wiewohl, so viel ich
die Sache damahls erkennen und einsehen konte,

seine

ſcharff deswegen beſtraft:
GOtt befuͤrchtete. Meine Mutter wuſte ſich
endlich am erſten noch zu faſſen, und ein wenig
wieder zu beſaͤnfftigen auf Zureden und Vorſtel-
lung einer Nachbarin. Jhr werdet euch doch
um des Dinges willen nicht zu Tode aͤngſtigen,
ſprach dieſelbe, iſt denn nun das ſo eine große
Sache, wenn ſich Jungen mit einander ſchla-
gen: mein Junge ſchmeiſt ſich um ein leichtes
mit den andern auf der Gaſſe herum, ſo offt
ihm einer zu nahe kommt; ich waͤre thoͤricht,
wenn ich erſt ein ſolch Lerm darum anfangen
ſolte. Muß denn der Prediger alle Dinge
auf die Cantzel bringen? kan er nicht zu Hauſe
unter ſeinem Geſinde ſelbſt Richter ſeyn, und ſie
ſtrafen, wenn ſie was Boͤſes thun? Zuvor hat
er euren Sohn nicht genug loben koͤnnen, ſon-
dern ihn bis in den Himmel erhoben, und nun
will er ihn um ſolcher Lappalien willen auf ein-
mahl zur Hoͤllen verdammen. So ein gutes
Hertz, und ſo viel andere Tugenden dieſer ſonſt
große Linguiſte hatte und beſaß, ſo war doch die-
ſes einer ſeiner Fehler, daß er leicht zum Zorn
zu bewegen, und im Zorne gleich auf allzu harte
Strafe deſſen bedacht war, der ihn beleidiget;
wie er denn auch mit den zwey andern Predi-
gern, die neben ihm in der Kirche dieneten, in
aͤrgerlichem Streit lebete; wiewohl, ſo viel ich
die Sache damahls erkennen und einſehen konte,

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[74/0120] ſcharff deswegen beſtraft: GOtt befuͤrchtete. Meine Mutter wuſte ſich endlich am erſten noch zu faſſen, und ein wenig wieder zu beſaͤnfftigen auf Zureden und Vorſtel- lung einer Nachbarin. Jhr werdet euch doch um des Dinges willen nicht zu Tode aͤngſtigen, ſprach dieſelbe, iſt denn nun das ſo eine große Sache, wenn ſich Jungen mit einander ſchla- gen: mein Junge ſchmeiſt ſich um ein leichtes mit den andern auf der Gaſſe herum, ſo offt ihm einer zu nahe kommt; ich waͤre thoͤricht, wenn ich erſt ein ſolch Lerm darum anfangen ſolte. Muß denn der Prediger alle Dinge auf die Cantzel bringen? kan er nicht zu Hauſe unter ſeinem Geſinde ſelbſt Richter ſeyn, und ſie ſtrafen, wenn ſie was Boͤſes thun? Zuvor hat er euren Sohn nicht genug loben koͤnnen, ſon- dern ihn bis in den Himmel erhoben, und nun will er ihn um ſolcher Lappalien willen auf ein- mahl zur Hoͤllen verdammen. So ein gutes Hertz, und ſo viel andere Tugenden dieſer ſonſt große Linguiſte hatte und beſaß, ſo war doch die- ſes einer ſeiner Fehler, daß er leicht zum Zorn zu bewegen, und im Zorne gleich auf allzu harte Strafe deſſen bedacht war, der ihn beleidiget; wie er denn auch mit den zwey andern Predi- gern, die neben ihm in der Kirche dieneten, in aͤrgerlichem Streit lebete; wiewohl, ſo viel ich die Sache damahls erkennen und einſehen konte, ſeine

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/120>, abgerufen am 28.11.2024.