Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887.hinaus eine relative Gesundheit zu erhalten, welche ihm Zum Schlusse komme ich noch einmal auf die Be- Den Grund für die Einführung des Ausdruckes "Lese- *) S. Centralblatt für pract. Augenheilkunde, September-October- Heft 1886, Seite 277, Anmerkung. **) l. c. S. 162 u. f.
hinaus eine relative Gesundheit zu erhalten, welche ihm Zum Schlusse komme ich noch einmal auf die Be- Den Grund für die Einführung des Ausdruckes „Lese- *) S. Centralblatt für pract. Augenheilkunde, September-October- Heft 1886, Seite 277, Anmerkung. **) l. c. S. 162 u. f.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0076" n="72"/> hinaus eine relative Gesundheit zu erhalten, welche ihm<lb/> noch eine gewisse Arbeitsfähigkeit und einen mässigen<lb/> Lebensgenuss gestattet.</p><lb/> <p>Zum Schlusse komme ich noch einmal auf die Be-<lb/> nennung unserer Lesestörung zurück, da inzwischen statt<lb/> des Wortes Dyslexie zwei neue Bezeichnungen, <hi rendition="#g">„Lese-<lb/> scheu“</hi> und <hi rendition="#g">„Dysanagnosie“</hi> in Vorschlag gebracht<lb/> worden sind. Die erstere stammt von <hi rendition="#g">Hirschberg</hi><note place="foot" n="*)">S. Centralblatt für pract. Augenheilkunde, September-October-<lb/> Heft 1886, Seite 277, Anmerkung.</note><lb/> und ist auch von <hi rendition="#g">Nieden</hi><note place="foot" n="**)">l. c. S. 162 u. f.</note> acceptirt worden.</p><lb/> <p>Den Grund für die Einführung des Ausdruckes „Lese-<lb/> scheu“ hatte ich aus der kurzen Motivirung <hi rendition="#g">Hirsch-<lb/> berg’s</hi> nicht ersehen; erst nach Einsicht der <hi rendition="#g">Nieden’s</hi>chen<lb/> Arbeit gewann ich das Verständniss hierfür durch die<lb/> Parallele, welche Letzterer zwischen der <hi rendition="#g">Wasserscheu</hi><lb/> und der Lesescheu zieht. In seinem Falle war allerdings<lb/> der Widerwille, welchen der Kranke gegen das Lesen<lb/> an den Tag legte, so prononcirt, dass von einem Ver-<lb/> gleiche mit der Wasserscheu füglich die Rede sein konnte,<lb/> und wenn dies durchschnittlich bei allen Patienten der<lb/> Fall gewesen wäre, so würde der Name „Lesescheu“ un-<lb/> bedingt als „klar und richtig“ zu bezeichnen sein. Ich<lb/> habe aber schon betont, dass dies in meinen 6 Fällen<lb/> keineswegs zutraf, sondern dass der Grad der Abneigung<lb/> gegen den Leseversuch, welchen die Kranken zum Aus-<lb/> druck brachten, im Durchschnitt mehr den milden Cha-<lb/> racter eines blossen Unlustgefühles trug. Ich glaube nicht,<lb/> dass wir das Richtige treffen, wenn wir zur Benennung<lb/> eines bis dahin noch nicht allgemein gekannten Symptoms<lb/> eine ausnahmsweise gesteigerte Form desselben zu Grunde<lb/> legen. Wer einen solchen Fall noch nicht gesehen hat,<lb/> könnte auf die Weise durch die irrthümlich hohe Vor-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0076]
hinaus eine relative Gesundheit zu erhalten, welche ihm
noch eine gewisse Arbeitsfähigkeit und einen mässigen
Lebensgenuss gestattet.
Zum Schlusse komme ich noch einmal auf die Be-
nennung unserer Lesestörung zurück, da inzwischen statt
des Wortes Dyslexie zwei neue Bezeichnungen, „Lese-
scheu“ und „Dysanagnosie“ in Vorschlag gebracht
worden sind. Die erstere stammt von Hirschberg *)
und ist auch von Nieden **) acceptirt worden.
Den Grund für die Einführung des Ausdruckes „Lese-
scheu“ hatte ich aus der kurzen Motivirung Hirsch-
berg’s nicht ersehen; erst nach Einsicht der Nieden’schen
Arbeit gewann ich das Verständniss hierfür durch die
Parallele, welche Letzterer zwischen der Wasserscheu
und der Lesescheu zieht. In seinem Falle war allerdings
der Widerwille, welchen der Kranke gegen das Lesen
an den Tag legte, so prononcirt, dass von einem Ver-
gleiche mit der Wasserscheu füglich die Rede sein konnte,
und wenn dies durchschnittlich bei allen Patienten der
Fall gewesen wäre, so würde der Name „Lesescheu“ un-
bedingt als „klar und richtig“ zu bezeichnen sein. Ich
habe aber schon betont, dass dies in meinen 6 Fällen
keineswegs zutraf, sondern dass der Grad der Abneigung
gegen den Leseversuch, welchen die Kranken zum Aus-
druck brachten, im Durchschnitt mehr den milden Cha-
racter eines blossen Unlustgefühles trug. Ich glaube nicht,
dass wir das Richtige treffen, wenn wir zur Benennung
eines bis dahin noch nicht allgemein gekannten Symptoms
eine ausnahmsweise gesteigerte Form desselben zu Grunde
legen. Wer einen solchen Fall noch nicht gesehen hat,
könnte auf die Weise durch die irrthümlich hohe Vor-
*) S. Centralblatt für pract. Augenheilkunde, September-October-
Heft 1886, Seite 277, Anmerkung.
**) l. c. S. 162 u. f.
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