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Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887.

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eigentlich nichts zu schaffen hätten, in den optischen Rin-
dengebieten, Kussmaul*) hält bei der Wortblindheit mit
erhaltenem Vermögen, spontan und Dictirtes zu schreiben,
die von ihm statuirte directe Verbindung vom sensorischen
Centrum der Wortbilder zu dem ideagenen Begriffs-Centrum
für ausgeschaltet, während Lichtheim**) die Unter-
brechung in die Verbindungsbahn zwischen Schriftbild-
Centrum und Klangbild-Centrum verlegt.

In dem Grashey'schen***) Schema hätten wir die-
selbe ebenfalls in der Bahn vom Symbol für geschriebene
und gedruckte Buchstaben zum Centrum für die Klang-
bilder zu suchen.

Bei allen diesen Voraussetzungen wären die eigent-
lichen Sprachbahnen frei und dies würde auch für das
klinische Bild der Dyslexie zutreffen; wir würden also
den Ort der Unterbrechung, welches Schema wir auch
zu Grunde legen wollen, an derselben Stelle zu suchen
haben, wie bei der isolirten Wortblindheit, mit dem Unter-
schiede, dass wir diese Leitungsstörung nicht als eine
vollständige, sondern nur als eine quantitative anzusehen
hätten. Die Leistungsfähigkeit der betroffenen Bahn ist
aber nur eine minimale Es werden nicht mehr Worte
percipirt oder geleitet, als das Auge, wie es scheint, mit
einem einzigen Blick erfassen kann;
dann tritt die
Ermüdung derselben mit vorübergehender absoluter Lei-
tungsfähigkeit ein.

Halten wir uns an das Lichtheim'sche Schema und
denken uns eine Unterbrechung der Bahn von der Stätte
der Erinnerungsbilder der optischen Schriftzeichen (O)
nach dem Centrum für die Klangbilder (A), so wären die
Bahnen von dem letzteren Centrum zur Bildungsstätte der

*) l. c. pag. 186.
**) Ueber Aphasie. Deutsches Archiv für klin. Medicin.
Bd. XXXVI., S. 265.
***) Archiv f. Psychiatrie etc. XVI., S. 654 u. f.

eigentlich nichts zu schaffen hätten, in den optischen Rin-
dengebieten, Kussmaul*) hält bei der Wortblindheit mit
erhaltenem Vermögen, spontan und Dictirtes zu schreiben,
die von ihm statuirte directe Verbindung vom sensorischen
Centrum der Wortbilder zu dem ideagenen Begriffs-Centrum
für ausgeschaltet, während Lichtheim**) die Unter-
brechung in die Verbindungsbahn zwischen Schriftbild-
Centrum und Klangbild-Centrum verlegt.

In dem Grashey’schen***) Schema hätten wir die-
selbe ebenfalls in der Bahn vom Symbol für geschriebene
und gedruckte Buchstaben zum Centrum für die Klang-
bilder zu suchen.

Bei allen diesen Voraussetzungen wären die eigent-
lichen Sprachbahnen frei und dies würde auch für das
klinische Bild der Dyslexie zutreffen; wir würden also
den Ort der Unterbrechung, welches Schema wir auch
zu Grunde legen wollen, an derselben Stelle zu suchen
haben, wie bei der isolirten Wortblindheit, mit dem Unter-
schiede, dass wir diese Leitungsstörung nicht als eine
vollständige, sondern nur als eine quantitative anzusehen
hätten. Die Leistungsfähigkeit der betroffenen Bahn ist
aber nur eine minimale Es werden nicht mehr Worte
percipirt oder geleitet, als das Auge, wie es scheint, mit
einem einzigen Blick erfassen kann;
dann tritt die
Ermüdung derselben mit vorübergehender absoluter Lei-
tungsfähigkeit ein.

Halten wir uns an das Lichtheim’sche Schema und
denken uns eine Unterbrechung der Bahn von der Stätte
der Erinnerungsbilder der optischen Schriftzeichen (O)
nach dem Centrum für die Klangbilder (A), so wären die
Bahnen von dem letzteren Centrum zur Bildungsstätte der

*) l. c. pag. 186.
**) Ueber Aphasie. Deutsches Archiv für klin. Medicin.
Bd. XXXVI., S. 265.
***) Archiv f. Psychiatrie etc. XVI., S. 654 u. f.
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[37/0041] eigentlich nichts zu schaffen hätten, in den optischen Rin- dengebieten, Kussmaul *) hält bei der Wortblindheit mit erhaltenem Vermögen, spontan und Dictirtes zu schreiben, die von ihm statuirte directe Verbindung vom sensorischen Centrum der Wortbilder zu dem ideagenen Begriffs-Centrum für ausgeschaltet, während Lichtheim **) die Unter- brechung in die Verbindungsbahn zwischen Schriftbild- Centrum und Klangbild-Centrum verlegt. In dem Grashey’schen ***) Schema hätten wir die- selbe ebenfalls in der Bahn vom Symbol für geschriebene und gedruckte Buchstaben zum Centrum für die Klang- bilder zu suchen. Bei allen diesen Voraussetzungen wären die eigent- lichen Sprachbahnen frei und dies würde auch für das klinische Bild der Dyslexie zutreffen; wir würden also den Ort der Unterbrechung, welches Schema wir auch zu Grunde legen wollen, an derselben Stelle zu suchen haben, wie bei der isolirten Wortblindheit, mit dem Unter- schiede, dass wir diese Leitungsstörung nicht als eine vollständige, sondern nur als eine quantitative anzusehen hätten. Die Leistungsfähigkeit der betroffenen Bahn ist aber nur eine minimale Es werden nicht mehr Worte percipirt oder geleitet, als das Auge, wie es scheint, mit einem einzigen Blick erfassen kann; dann tritt die Ermüdung derselben mit vorübergehender absoluter Lei- tungsfähigkeit ein. Halten wir uns an das Lichtheim’sche Schema und denken uns eine Unterbrechung der Bahn von der Stätte der Erinnerungsbilder der optischen Schriftzeichen (O) nach dem Centrum für die Klangbilder (A), so wären die Bahnen von dem letzteren Centrum zur Bildungsstätte der *) l. c. pag. 186. **) Ueber Aphasie. Deutsches Archiv für klin. Medicin. Bd. XXXVI., S. 265. ***) Archiv f. Psychiatrie etc. XVI., S. 654 u. f.

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Zitationshilfe: Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlin_wortblindheit_1887/41>, abgerufen am 27.11.2024.