Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Alpstubete oder Aelplerfest.
die Lüfte mit seinen maifrischen Jauchzern und schwingt das
lachende Alpenkind hoch über sich wie ein Spielzeug seiner rosigsten
Laune.
Jetzt, als wollt es mit Macht durchreißen die Kette des Tanzes,
Schwingt sich ein muthiges Paar dort in den dichtesten Reihn.
Schnell vor ihm her entsteht ihm die Bahn, die hinter ihm schwindet,
Wie durch magische Hand öffnet und schließt sich der Weg.
Schiller.
So gaukelt und braust es durcheinander, ein im Entstehen sich
schon wieder verzehrendes Bild.

Das ist der innere Kern, das Centrum der Freude und Lust.
Mit reichen, lebensvollen Gruppen, je wenig Menschen ein drasti¬
sches Genrebild aufstellend, ist diese große Scene eingefaßt. Auch
die Kühe sind herzugekommen und starren mit verwunderten Augen
hinein in das Gedränge, das ihrem stillen Tempe sonst so fremd ist.
Durch lautes Blöken geben sie ihre Theilnahme zu erkennen; solls
ein Protest sein, daß man ihren kräuterreichen Futterboden so über¬
müthig zerstampft, oder sinds Beifallsbezeigungen in der Kuhsprache!
Der Gaumer, der sich an einem Glase Wein ergötzt hatte, gestattet
aber solche familiäre Einmischung der Hausthiere nicht und jagt
die mit gestrecktem Schweif zurückgaloppirenden Thiere wieder auf
das ihnen zur Weide angewiesene Terrain.

Endlich lechzt und schnauft und fieberglüht der ganze Kreis
unter dem Druck der sengenden Strahlen, -- der Regenschirm-
Geiger und der "Hackbrettli-Ma", die Buben und Mädchen müssen
rasten vom Uebermaß der Luft.

Da zieht ein neuer Kreis, den wir bisher nicht beachtet hatten,
unsere volle Aufmerksamkeit auf sich. Ein großer, schwerer Centner¬
stein fliegt durch die Luft und fällt dumpf dröhnend auf den Boden;
gellendes Gelächter folgt. Das sind die Kraftproben im Stein¬
stoßen, dieses wiederum uralte Aelplerspiel, eine Mahnung an
die rollenden Felsenblöcke in den Schlachten am Morgarten und
am Stoß, die wie der böse Feind in die kampfgerüsteten Züge der

Alpſtubete oder Aelplerfeſt.
die Lüfte mit ſeinen maifriſchen Jauchzern und ſchwingt das
lachende Alpenkind hoch über ſich wie ein Spielzeug ſeiner roſigſten
Laune.
Jetzt, als wollt es mit Macht durchreißen die Kette des Tanzes,
Schwingt ſich ein muthiges Paar dort in den dichteſten Reihn.
Schnell vor ihm her entſteht ihm die Bahn, die hinter ihm ſchwindet,
Wie durch magiſche Hand öffnet und ſchließt ſich der Weg.
Schiller.
So gaukelt und brauſt es durcheinander, ein im Entſtehen ſich
ſchon wieder verzehrendes Bild.

Das iſt der innere Kern, das Centrum der Freude und Luſt.
Mit reichen, lebensvollen Gruppen, je wenig Menſchen ein draſti¬
ſches Genrebild aufſtellend, iſt dieſe große Scene eingefaßt. Auch
die Kühe ſind herzugekommen und ſtarren mit verwunderten Augen
hinein in das Gedränge, das ihrem ſtillen Tempe ſonſt ſo fremd iſt.
Durch lautes Blöken geben ſie ihre Theilnahme zu erkennen; ſolls
ein Proteſt ſein, daß man ihren kräuterreichen Futterboden ſo über¬
müthig zerſtampft, oder ſinds Beifallsbezeigungen in der Kuhſprache!
Der Gaumer, der ſich an einem Glaſe Wein ergötzt hatte, geſtattet
aber ſolche familiäre Einmiſchung der Hausthiere nicht und jagt
die mit geſtrecktem Schweif zurückgaloppirenden Thiere wieder auf
das ihnen zur Weide angewieſene Terrain.

Endlich lechzt und ſchnauft und fieberglüht der ganze Kreis
unter dem Druck der ſengenden Strahlen, — der Regenſchirm-
Geiger und der „Hackbrettli-Ma“, die Buben und Mädchen müſſen
raſten vom Uebermaß der Luft.

Da zieht ein neuer Kreis, den wir bisher nicht beachtet hatten,
unſere volle Aufmerkſamkeit auf ſich. Ein großer, ſchwerer Centner¬
ſtein fliegt durch die Luft und fällt dumpf dröhnend auf den Boden;
gellendes Gelächter folgt. Das ſind die Kraftproben im Stein¬
ſtoßen, dieſes wiederum uralte Aelplerſpiel, eine Mahnung an
die rollenden Felſenblöcke in den Schlachten am Morgarten und
am Stoß, die wie der böſe Feind in die kampfgerüſteten Züge der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0434" n="390"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Alp&#x017F;tubete</hi><hi rendition="#fr">oder</hi><hi rendition="#fr #g">Aelplerfe&#x017F;t</hi>.<lb/></fw> die Lüfte mit &#x017F;einen maifri&#x017F;chen Jauchzern und &#x017F;chwingt das<lb/>
lachende Alpenkind hoch über &#x017F;ich wie ein Spielzeug &#x017F;einer ro&#x017F;ig&#x017F;ten<lb/>
Laune.<lb/><cit><quote><lg type="poem"><l>Jetzt, als wollt es mit Macht durchreißen die Kette des Tanzes,<lb/></l><l>Schwingt &#x017F;ich ein muthiges Paar dort in den dichte&#x017F;ten Reihn.<lb/></l><l>Schnell vor ihm her ent&#x017F;teht ihm die Bahn, die hinter ihm &#x017F;chwindet,<lb/></l><l>Wie durch magi&#x017F;che Hand öffnet und &#x017F;chließt &#x017F;ich der Weg.<lb/></l></lg></quote><bibl rendition="#right"><hi rendition="#g">Schiller</hi>.<lb/></bibl></cit> So gaukelt und brau&#x017F;t es durcheinander, ein im Ent&#x017F;tehen &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chon wieder verzehrendes Bild.</p><lb/>
        <p>Das i&#x017F;t der innere Kern, das Centrum der Freude und Lu&#x017F;t.<lb/>
Mit reichen, lebensvollen Gruppen, je wenig Men&#x017F;chen ein dra&#x017F;ti¬<lb/>
&#x017F;ches Genrebild auf&#x017F;tellend, i&#x017F;t die&#x017F;e große Scene eingefaßt. Auch<lb/>
die Kühe &#x017F;ind herzugekommen und &#x017F;tarren mit verwunderten Augen<lb/>
hinein in das Gedränge, das ihrem &#x017F;tillen Tempe &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o fremd i&#x017F;t.<lb/>
Durch lautes Blöken geben &#x017F;ie ihre Theilnahme zu erkennen; &#x017F;olls<lb/>
ein Prote&#x017F;t &#x017F;ein, daß man ihren kräuterreichen Futterboden &#x017F;o über¬<lb/>
müthig zer&#x017F;tampft, oder &#x017F;inds Beifallsbezeigungen in der Kuh&#x017F;prache!<lb/>
Der Gaumer, der &#x017F;ich an einem Gla&#x017F;e Wein ergötzt hatte, ge&#x017F;tattet<lb/>
aber &#x017F;olche familiäre Einmi&#x017F;chung der Hausthiere nicht und jagt<lb/>
die mit ge&#x017F;trecktem Schweif zurückgaloppirenden Thiere wieder auf<lb/>
das ihnen zur Weide angewie&#x017F;ene Terrain.</p><lb/>
        <p>Endlich lechzt und &#x017F;chnauft und fieberglüht der ganze Kreis<lb/>
unter dem Druck der &#x017F;engenden Strahlen, &#x2014; der Regen&#x017F;chirm-<lb/>
Geiger und der &#x201E;Hackbrettli-Ma&#x201C;, die Buben und Mädchen mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ra&#x017F;ten vom Uebermaß der Luft.</p><lb/>
        <p>Da zieht ein neuer Kreis, den wir bisher nicht beachtet hatten,<lb/>
un&#x017F;ere volle Aufmerk&#x017F;amkeit auf &#x017F;ich. Ein großer, &#x017F;chwerer Centner¬<lb/>
&#x017F;tein fliegt durch die Luft und fällt dumpf dröhnend auf den Boden;<lb/>
gellendes Gelächter folgt. Das &#x017F;ind die Kraftproben im Stein¬<lb/>
&#x017F;toßen, die&#x017F;es wiederum uralte Aelpler&#x017F;piel, eine Mahnung an<lb/>
die rollenden Fel&#x017F;enblöcke in den Schlachten am Morgarten und<lb/>
am Stoß, die wie der bö&#x017F;e Feind in die kampfgerü&#x017F;teten Züge der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0434] Alpſtubete oder Aelplerfeſt. die Lüfte mit ſeinen maifriſchen Jauchzern und ſchwingt das lachende Alpenkind hoch über ſich wie ein Spielzeug ſeiner roſigſten Laune. Jetzt, als wollt es mit Macht durchreißen die Kette des Tanzes, Schwingt ſich ein muthiges Paar dort in den dichteſten Reihn. Schnell vor ihm her entſteht ihm die Bahn, die hinter ihm ſchwindet, Wie durch magiſche Hand öffnet und ſchließt ſich der Weg. Schiller. So gaukelt und brauſt es durcheinander, ein im Entſtehen ſich ſchon wieder verzehrendes Bild. Das iſt der innere Kern, das Centrum der Freude und Luſt. Mit reichen, lebensvollen Gruppen, je wenig Menſchen ein draſti¬ ſches Genrebild aufſtellend, iſt dieſe große Scene eingefaßt. Auch die Kühe ſind herzugekommen und ſtarren mit verwunderten Augen hinein in das Gedränge, das ihrem ſtillen Tempe ſonſt ſo fremd iſt. Durch lautes Blöken geben ſie ihre Theilnahme zu erkennen; ſolls ein Proteſt ſein, daß man ihren kräuterreichen Futterboden ſo über¬ müthig zerſtampft, oder ſinds Beifallsbezeigungen in der Kuhſprache! Der Gaumer, der ſich an einem Glaſe Wein ergötzt hatte, geſtattet aber ſolche familiäre Einmiſchung der Hausthiere nicht und jagt die mit geſtrecktem Schweif zurückgaloppirenden Thiere wieder auf das ihnen zur Weide angewieſene Terrain. Endlich lechzt und ſchnauft und fieberglüht der ganze Kreis unter dem Druck der ſengenden Strahlen, — der Regenſchirm- Geiger und der „Hackbrettli-Ma“, die Buben und Mädchen müſſen raſten vom Uebermaß der Luft. Da zieht ein neuer Kreis, den wir bisher nicht beachtet hatten, unſere volle Aufmerkſamkeit auf ſich. Ein großer, ſchwerer Centner¬ ſtein fliegt durch die Luft und fällt dumpf dröhnend auf den Boden; gellendes Gelächter folgt. Das ſind die Kraftproben im Stein¬ ſtoßen, dieſes wiederum uralte Aelplerſpiel, eine Mahnung an die rollenden Felſenblöcke in den Schlachten am Morgarten und am Stoß, die wie der böſe Feind in die kampfgerüſteten Züge der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/434
Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/434>, abgerufen am 22.11.2024.