gearbeitet. Fehlt der charakteristische glitzernde Glimmer in der Masse und ist derselbe durch schwarze oder schwärzlich-grüne Horn¬ blende vertreten, dann heißt das Gestein nicht mehr Granit, son¬ dern "Syenit". Es ist über alle Theile der Erde weit verbreitet, erhielt seinen Namen von der Stadt Syene in Ober-Aegypten (wo es in Menge vorkommt) und wird seiner Festigkeit halber als vor¬ treffliches, politurfähiges Baumaterial sehr geschätzt. Die Pyra¬ miden und Obelisken besteben meist aus Syenit. In unseren Al¬ pen kommt er vorherrschend auf der Südseite vor, z. B. im Val Pellina (in welches der Col de Collon aus dem Walliser Val d'Herins führt), bei Migiandone an der Symplon-Straße, in der Umgebung von St. Moriz und Campfer im Ober-Engadin etc.
Aber der normale Granit kommt auch mit Zusätzen vor, die seinen Charakter ganz ändern; dahin gehört der vom Montblanc. Bei ihm ist der Quarz glasig-grau, der Feldspath weiß, der Glim¬ mer dunkelgrün ohne Glanz in Prismen krystallisirt und beige¬ mischte perlmutter-ähnlich glänzende, lebhaft grüne Talk-Blättchen geben ihm eine charakteristische Färbung. De Saussure, einer der geistvollen Begründer der Alpen-Geologie, glaubte -- als er den Montblanc zuerst umwanderte und bestieg, vor dem ältesten Ge¬ birge der Erde zu stehen und nannte deshalb das Gestein "Pro¬ togin", d. h. Erstgeborener. Seit jener Zeit ist, obgleich un¬ eigentlich, der Name für den Talkgranit beibehalten worden.
Das Meiste, was in den Central-Alpen für Granit gehalten wird, ist granitischer Gneis, im Volksmunde "Gaisberger" genannt, weil die höchsten Berge, auf welche die Gaisen (Ziegen) steigen, aus diesem Gestein bestehen. Er ists, an dem die At¬ mosphärilien jene phantastisch aufragenden Felsenthürme aussägen und bildnerisch Ornamente improvisiren, welche, im Chamouny- Thal in scharfe Spitzen auslaufend, sehr bezeichnend "Aiguilles" genannt werden; -- aus seinem s. g. "Urmaterial" formen sich die wundersamen Steinstacheln, welche die Aufgipfelung großer Berg¬
Granit.
gearbeitet. Fehlt der charakteriſtiſche glitzernde Glimmer in der Maſſe und iſt derſelbe durch ſchwarze oder ſchwärzlich-grüne Horn¬ blende vertreten, dann heißt das Geſtein nicht mehr Granit, ſon¬ dern „Syenit“. Es iſt über alle Theile der Erde weit verbreitet, erhielt ſeinen Namen von der Stadt Syene in Ober-Aegypten (wo es in Menge vorkommt) und wird ſeiner Feſtigkeit halber als vor¬ treffliches, politurfähiges Baumaterial ſehr geſchätzt. Die Pyra¬ miden und Obelisken beſteben meiſt aus Syenit. In unſeren Al¬ pen kommt er vorherrſchend auf der Südſeite vor, z. B. im Val Pellina (in welches der Col de Collon aus dem Walliſer Val d'Hérins führt), bei Migiandone an der Symplon-Straße, in der Umgebung von St. Moriz und Campfér im Ober-Engadin ꝛc.
Aber der normale Granit kommt auch mit Zuſätzen vor, die ſeinen Charakter ganz ändern; dahin gehört der vom Montblanc. Bei ihm iſt der Quarz glaſig-grau, der Feldſpath weiß, der Glim¬ mer dunkelgrün ohne Glanz in Prismen kryſtalliſirt und beige¬ miſchte perlmutter-ähnlich glänzende, lebhaft grüne Talk-Blättchen geben ihm eine charakteriſtiſche Färbung. De Sauſſure, einer der geiſtvollen Begründer der Alpen-Geologie, glaubte — als er den Montblanc zuerſt umwanderte und beſtieg, vor dem älteſten Ge¬ birge der Erde zu ſtehen und nannte deshalb das Geſtein „Pro¬ togin“, d. h. Erſtgeborener. Seit jener Zeit iſt, obgleich un¬ eigentlich, der Name für den Talkgranit beibehalten worden.
Das Meiſte, was in den Central-Alpen für Granit gehalten wird, iſt granitiſcher Gneis, im Volksmunde „Gaisberger“ genannt, weil die höchſten Berge, auf welche die Gaiſen (Ziegen) ſteigen, aus dieſem Geſtein beſtehen. Er iſts, an dem die At¬ moſphärilien jene phantaſtiſch aufragenden Felſenthürme ausſägen und bildneriſch Ornamente improviſiren, welche, im Chamouny- Thal in ſcharfe Spitzen auslaufend, ſehr bezeichnend „Aiguilles“ genannt werden; — aus ſeinem ſ. g. „Urmaterial“ formen ſich die wunderſamen Steinſtacheln, welche die Aufgipfelung großer Berg¬
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Granit.
gearbeitet. Fehlt der charakteriſtiſche glitzernde Glimmer in der
Maſſe und iſt derſelbe durch ſchwarze oder ſchwärzlich-grüne Horn¬
blende vertreten, dann heißt das Geſtein nicht mehr Granit, ſon¬
dern „Syenit“. Es iſt über alle Theile der Erde weit verbreitet,
erhielt ſeinen Namen von der Stadt Syene in Ober-Aegypten (wo
es in Menge vorkommt) und wird ſeiner Feſtigkeit halber als vor¬
treffliches, politurfähiges Baumaterial ſehr geſchätzt. Die Pyra¬
miden und Obelisken beſteben meiſt aus Syenit. In unſeren Al¬
pen kommt er vorherrſchend auf der Südſeite vor, z. B. im Val
Pellina (in welches der Col de Collon aus dem Walliſer Val
d'Hérins führt), bei Migiandone an der Symplon-Straße, in der
Umgebung von St. Moriz und Campfér im Ober-Engadin ꝛc.
Aber der normale Granit kommt auch mit Zuſätzen vor, die
ſeinen Charakter ganz ändern; dahin gehört der vom Montblanc.
Bei ihm iſt der Quarz glaſig-grau, der Feldſpath weiß, der Glim¬
mer dunkelgrün ohne Glanz in Prismen kryſtalliſirt und beige¬
miſchte perlmutter-ähnlich glänzende, lebhaft grüne Talk-Blättchen
geben ihm eine charakteriſtiſche Färbung. De Sauſſure, einer der
geiſtvollen Begründer der Alpen-Geologie, glaubte — als er den
Montblanc zuerſt umwanderte und beſtieg, vor dem älteſten Ge¬
birge der Erde zu ſtehen und nannte deshalb das Geſtein „Pro¬
togin“, d. h. Erſtgeborener. Seit jener Zeit iſt, obgleich un¬
eigentlich, der Name für den Talkgranit beibehalten worden.
Das Meiſte, was in den Central-Alpen für Granit gehalten
wird, iſt granitiſcher Gneis, im Volksmunde „Gaisberger“
genannt, weil die höchſten Berge, auf welche die Gaiſen (Ziegen)
ſteigen, aus dieſem Geſtein beſtehen. Er iſts, an dem die At¬
moſphärilien jene phantaſtiſch aufragenden Felſenthürme ausſägen
und bildneriſch Ornamente improviſiren, welche, im Chamouny-
Thal in ſcharfe Spitzen auslaufend, ſehr bezeichnend „Aiguilles“
genannt werden; — aus ſeinem ſ. g. „Urmaterial“ formen ſich die
wunderſamen Steinſtacheln, welche die Aufgipfelung großer Berg¬
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/40>, abgerufen am 16.02.2025.
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