Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Das Alphorn. strumentenbau in seiner frühesten Kindheit. Ein Alphorn ist auszwei Theilen zusammengesetzt; das obere bildet eine junge Tanne von ungefähr 5 Fuß Länge, welche nach dem unteren Ende hin breiter ausläuft und gewöhnlich mit einem Eisen hohl ausgebrannt oder auch ausgebohrt wird. Das untere Theil besteht aus einem zweiten Stück Tannenholz, das gekrümmt und becherartig erweitert ist und eine Länge von etwa 11/2 Fuß einnimmt. Das ist der ganze äußere Bau. In neuerer Zeit versuchte man dem oberen, dünnen Ende ein Mundstück aufzusetzen, ähnlich wie bei den großen alten Trompeten, um dadurch den Ton rascher und präciser hervor¬ bringen zu können und das Instrument selber für größere und aus¬ geführtere Weisen zu gewinnen. Allein was hierin gewonnen wurde, ging auf der anderen Seite in weit größerem Maße wieder ver¬ loren. Das Instrument, ursprünglich ohne Mundstück geblasen, verlor durch diesen Ansatz die Größe und Poesie des Tones, den Schmelz und den zauberhaften Klang der (musikalisch bezeichneten) "Naturtöne", wenn allerdings nicht geläugnet werden kann, daß es durch die künstliche Erweiterung einen runden, volleren Ton erhielt. Es ergiebt sich ungefähr das gleiche Verhältniß wie bei dem alten Waldhorne ohne Ventilen und den neueren Maschinenhörnern: dort Einfachheit und Größe, ein unaussprechliches Wohl und Wehe; -- hier ein etwas bedeckter, umflorter Ton, aber instrumentlich erweitert und zu allen harmonischen Wendungen und Tonver¬ setzungen fähig gemacht. Der allgemeine Charakter des Alphorntones kommt dem einer Das Alphorn. ſtrumentenbau in ſeiner früheſten Kindheit. Ein Alphorn iſt auszwei Theilen zuſammengeſetzt; das obere bildet eine junge Tanne von ungefähr 5 Fuß Länge, welche nach dem unteren Ende hin breiter ausläuft und gewöhnlich mit einem Eiſen hohl ausgebrannt oder auch ausgebohrt wird. Das untere Theil beſteht aus einem zweiten Stück Tannenholz, das gekrümmt und becherartig erweitert iſt und eine Länge von etwa 1½ Fuß einnimmt. Das iſt der ganze äußere Bau. In neuerer Zeit verſuchte man dem oberen, dünnen Ende ein Mundſtück aufzuſetzen, ähnlich wie bei den großen alten Trompeten, um dadurch den Ton raſcher und präciſer hervor¬ bringen zu können und das Inſtrument ſelber für größere und aus¬ geführtere Weiſen zu gewinnen. Allein was hierin gewonnen wurde, ging auf der anderen Seite in weit größerem Maße wieder ver¬ loren. Das Inſtrument, urſprünglich ohne Mundſtück geblaſen, verlor durch dieſen Anſatz die Größe und Poeſie des Tones, den Schmelz und den zauberhaften Klang der (muſikaliſch bezeichneten) „Naturtöne“, wenn allerdings nicht geläugnet werden kann, daß es durch die künſtliche Erweiterung einen runden, volleren Ton erhielt. Es ergiebt ſich ungefähr das gleiche Verhältniß wie bei dem alten Waldhorne ohne Ventilen und den neueren Maſchinenhörnern: dort Einfachheit und Größe, ein unausſprechliches Wohl und Wehe; — hier ein etwas bedeckter, umflorter Ton, aber inſtrumentlich erweitert und zu allen harmoniſchen Wendungen und Tonver¬ ſetzungen fähig gemacht. Der allgemeine Charakter des Alphorntones kommt dem einer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0392" n="354"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Das Alphorn</hi>.<lb/></fw>ſtrumentenbau in ſeiner früheſten Kindheit. 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Von<lb/> der erwähnten Trompete beſitzt das Alphorn den Metallton — und<lb/> als Holzinſtrument die Weichheit und Fülle einer guten Klarinette.<lb/> Durch ſeine Länge dagegen gewinnt es die Klangſtärke einer acht¬<lb/> füßigen Orgelſtimme, annähernd dem Bourdon in der mittleren<lb/> Lage — ein Gemiſch von Metallklang und Holztoncharakter, eigen¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [354/0392]
Das Alphorn.
ſtrumentenbau in ſeiner früheſten Kindheit. Ein Alphorn iſt aus
zwei Theilen zuſammengeſetzt; das obere bildet eine junge Tanne
von ungefähr 5 Fuß Länge, welche nach dem unteren Ende hin
breiter ausläuft und gewöhnlich mit einem Eiſen hohl ausgebrannt
oder auch ausgebohrt wird. Das untere Theil beſteht aus einem
zweiten Stück Tannenholz, das gekrümmt und becherartig erweitert
iſt und eine Länge von etwa 1½ Fuß einnimmt. Das iſt der
ganze äußere Bau. In neuerer Zeit verſuchte man dem oberen,
dünnen Ende ein Mundſtück aufzuſetzen, ähnlich wie bei den großen
alten Trompeten, um dadurch den Ton raſcher und präciſer hervor¬
bringen zu können und das Inſtrument ſelber für größere und aus¬
geführtere Weiſen zu gewinnen. Allein was hierin gewonnen wurde,
ging auf der anderen Seite in weit größerem Maße wieder ver¬
loren. Das Inſtrument, urſprünglich ohne Mundſtück geblaſen,
verlor durch dieſen Anſatz die Größe und Poeſie des Tones, den
Schmelz und den zauberhaften Klang der (muſikaliſch bezeichneten)
„Naturtöne“, wenn allerdings nicht geläugnet werden kann, daß es
durch die künſtliche Erweiterung einen runden, volleren Ton erhielt.
Es ergiebt ſich ungefähr das gleiche Verhältniß wie bei dem alten
Waldhorne ohne Ventilen und den neueren Maſchinenhörnern: dort
Einfachheit und Größe, ein unausſprechliches Wohl und Wehe;
— hier ein etwas bedeckter, umflorter Ton, aber inſtrumentlich
erweitert und zu allen harmoniſchen Wendungen und Tonver¬
ſetzungen fähig gemacht.
Der allgemeine Charakter des Alphorntones kommt dem einer
etwas gedämpften, großen Trompete am Nächſten, läßt aber keinen
ſpeciellen Vergleich zu mit den beſtehenden Inſtrumenten. Von
der erwähnten Trompete beſitzt das Alphorn den Metallton — und
als Holzinſtrument die Weichheit und Fülle einer guten Klarinette.
Durch ſeine Länge dagegen gewinnt es die Klangſtärke einer acht¬
füßigen Orgelſtimme, annähernd dem Bourdon in der mittleren
Lage — ein Gemiſch von Metallklang und Holztoncharakter, eigen¬
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