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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Alpenspitzen.
sein. Anfänger geben ergötzliche Intermezzi zum Besten. Ueber¬
haupt macht auch hier, wie in allen Dingen, Uebung den Meister.
Der tägliche Umgang mit den Elementen des Hochgebirges macht
die Führer nicht nur so keck und vertraut, sondern namentlich auch
außerordentlich gewandt. Es ist fast unglaublich, mit welcher Si¬
cherheit und Leichtigkeit der Aelpler, große Lasten auf dem Rücken,
die schwierigsten Passagen überwindet. Als Hugi bei seiner dritten
Finsteraarhorn-Expedition mit lahmem Fuße kaum mehr weiter
konnte, packte ihn Leuthold nolens volens auf seinen Rücken und
eilte mit ihm über den Gletscher hinab, während es stürmte und die
Nacht hereinbrach. Die anderen beiden erprobten Führer Währen
und Zemt wetteiferten mit jenem, ihren Herrn zu tragen. Hugi
sagt, es sei ihm unbegreiflich gewesen, wie diese Männer, ohne
Stock, mit beiden Händen ihre Last haltend, Schründe in tiefer
Dämmerung übersprungen hätten, wo Alles trügerisch und unsicher
gewesen sei.

Schon weiter oben sind Beispiele von der Verwegenheit der
Führer gegeben worden, mit welcher sie halsbrechende Sprünge
wagen; hier noch eins, das nach anderer Seite hin die Tollkühn¬
heit derselben beleuchtet. Gottl. Studer hatte, bei der Rückkehr
von der Jungfrau, seine Kopfbedeckung in einen tiefen Firnschrund
fallen lassen, der stufenlos und jäh, wie das steilste Thurmdach
mit schiefer Eisfläche absank; gegen die Tiefe verengten sich die
Gründe des Schrundes, während die entgegengesetzte Wand wie
eine hohe lothrechte Mauer mit vielen Eisnadeln aus dem nächt¬
lichen Dunkel aufstieg. Der Führer Bannholzer, den der Verlust
der Mütze ärgerte, rief rasch entschlossen, daß er nachsehen müsse,
wo das Stück liege, und ließ, ungeachtet alles Abmahnens, das
Seil um den Leib befestiget, sich in den grausigen Schlund hinab¬
gleiten. In bedeutender Tiefe angekommen, wo er auf einem ab¬
gebrochenen, jeden Augenblick mit Einsturz bedrohten Eispfeiler
Stützpunkte für den Fuß fand, sieht er die verlorene Kappe, --

Alpenſpitzen.
ſein. Anfänger geben ergötzliche Intermezzi zum Beſten. Ueber¬
haupt macht auch hier, wie in allen Dingen, Uebung den Meiſter.
Der tägliche Umgang mit den Elementen des Hochgebirges macht
die Führer nicht nur ſo keck und vertraut, ſondern namentlich auch
außerordentlich gewandt. Es iſt faſt unglaublich, mit welcher Si¬
cherheit und Leichtigkeit der Aelpler, große Laſten auf dem Rücken,
die ſchwierigſten Paſſagen überwindet. Als Hugi bei ſeiner dritten
Finſteraarhorn-Expedition mit lahmem Fuße kaum mehr weiter
konnte, packte ihn Leuthold nolens volens auf ſeinen Rücken und
eilte mit ihm über den Gletſcher hinab, während es ſtürmte und die
Nacht hereinbrach. Die anderen beiden erprobten Führer Währen
und Zemt wetteiferten mit jenem, ihren Herrn zu tragen. Hugi
ſagt, es ſei ihm unbegreiflich geweſen, wie dieſe Männer, ohne
Stock, mit beiden Händen ihre Laſt haltend, Schründe in tiefer
Dämmerung überſprungen hätten, wo Alles trügeriſch und unſicher
geweſen ſei.

Schon weiter oben ſind Beiſpiele von der Verwegenheit der
Führer gegeben worden, mit welcher ſie halsbrechende Sprünge
wagen; hier noch eins, das nach anderer Seite hin die Tollkühn¬
heit derſelben beleuchtet. Gottl. Studer hatte, bei der Rückkehr
von der Jungfrau, ſeine Kopfbedeckung in einen tiefen Firnſchrund
fallen laſſen, der ſtufenlos und jäh, wie das ſteilſte Thurmdach
mit ſchiefer Eisfläche abſank; gegen die Tiefe verengten ſich die
Gründe des Schrundes, während die entgegengeſetzte Wand wie
eine hohe lothrechte Mauer mit vielen Eisnadeln aus dem nächt¬
lichen Dunkel aufſtieg. Der Führer Bannholzer, den der Verluſt
der Mütze ärgerte, rief raſch entſchloſſen, daß er nachſehen müſſe,
wo das Stück liege, und ließ, ungeachtet alles Abmahnens, das
Seil um den Leib befeſtiget, ſich in den grauſigen Schlund hinab¬
gleiten. In bedeutender Tiefe angekommen, wo er auf einem ab¬
gebrochenen, jeden Augenblick mit Einſturz bedrohten Eispfeiler
Stützpunkte für den Fuß fand, ſieht er die verlorene Kappe, —

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[285/0319] Alpenſpitzen. ſein. Anfänger geben ergötzliche Intermezzi zum Beſten. Ueber¬ haupt macht auch hier, wie in allen Dingen, Uebung den Meiſter. Der tägliche Umgang mit den Elementen des Hochgebirges macht die Führer nicht nur ſo keck und vertraut, ſondern namentlich auch außerordentlich gewandt. Es iſt faſt unglaublich, mit welcher Si¬ cherheit und Leichtigkeit der Aelpler, große Laſten auf dem Rücken, die ſchwierigſten Paſſagen überwindet. Als Hugi bei ſeiner dritten Finſteraarhorn-Expedition mit lahmem Fuße kaum mehr weiter konnte, packte ihn Leuthold nolens volens auf ſeinen Rücken und eilte mit ihm über den Gletſcher hinab, während es ſtürmte und die Nacht hereinbrach. Die anderen beiden erprobten Führer Währen und Zemt wetteiferten mit jenem, ihren Herrn zu tragen. Hugi ſagt, es ſei ihm unbegreiflich geweſen, wie dieſe Männer, ohne Stock, mit beiden Händen ihre Laſt haltend, Schründe in tiefer Dämmerung überſprungen hätten, wo Alles trügeriſch und unſicher geweſen ſei. Schon weiter oben ſind Beiſpiele von der Verwegenheit der Führer gegeben worden, mit welcher ſie halsbrechende Sprünge wagen; hier noch eins, das nach anderer Seite hin die Tollkühn¬ heit derſelben beleuchtet. Gottl. Studer hatte, bei der Rückkehr von der Jungfrau, ſeine Kopfbedeckung in einen tiefen Firnſchrund fallen laſſen, der ſtufenlos und jäh, wie das ſteilſte Thurmdach mit ſchiefer Eisfläche abſank; gegen die Tiefe verengten ſich die Gründe des Schrundes, während die entgegengeſetzte Wand wie eine hohe lothrechte Mauer mit vielen Eisnadeln aus dem nächt¬ lichen Dunkel aufſtieg. Der Führer Bannholzer, den der Verluſt der Mütze ärgerte, rief raſch entſchloſſen, daß er nachſehen müſſe, wo das Stück liege, und ließ, ungeachtet alles Abmahnens, das Seil um den Leib befeſtiget, ſich in den grauſigen Schlund hinab¬ gleiten. In bedeutender Tiefe angekommen, wo er auf einem ab¬ gebrochenen, jeden Augenblick mit Einſturz bedrohten Eispfeiler Stützpunkte für den Fuß fand, ſieht er die verlorene Kappe, —

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/319>, abgerufen am 28.11.2024.